Mark 5

Kapitel 5

1
[Status: Zuverlässig]
Und sie kamen ans andere Ufer des Meeres (Sees), in das Gebiet (Land) der Gerasener (Gergesener, Gadarener)
Gebiet (Land) der Gerasener Das Problem mit dieser Ortsangabe (auch in der Parallelstelle Lk 8,26 bezeugt) ist, dass Gerasa etwa 50 km vom See entfernt liegt. In der Geschichte dagegen muss die Stadt nah am Ufer liegen (5,12-13). Wohl deshalb spricht Matthäus 8,28 stattdessen vom Land der „Gadarener“. Gadara ist zwar ein Ort, der relativ nah am Ufer des Sees liegt, aber die in V. 12 beschriebenen Abhänge fehlen dort. Der Kirchenvater Origenes (3. Jh.) berichtet, solche Abhänge in Gergesa vorgefunden zu haben, wo die Bewohner auch eine Überlieferung kannten, nach der die berichtete Austreibung in ihrem Ort geschehen war (Collins 2007, 263f.). Es ist gut möglich, dass es so war.
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2Und als er gerade (gleich, bald) aus dem Boot (Schiff) gestiegen war (stieg),
als er ... gestiegen war (stieg) Gen. abs., temporal aufgelöst.
kam von den Grabstätten (Gräbern, Grabhöhlen) her ein Mann mit einem unreinen Geist auf ihn zu (ihm entgegen),
3der [seine] Behausung (Unterkunft, Lager) in den Grabhöhlen (Grabstätten, Gräbern) hatte, und nicht einmal (auch nicht) [mit] einer Kette konnte man ihn noch
nicht einmal … man … noch W. „nicht einmal … niemand … nicht mehr“. Die dreifache Verneinung intensiviert die ausgedrückte Unmöglichkeit.
bändigen (festhalten, fesseln).
4Er war nämlich schon mehrfach [mit] Fußfesseln und Ketten (Handfesseln)
[mit] Fußfesseln und Ketten gefesselt Schöner wäre „(eisernen) Fuß- und Handfesseln“, etwas freier auch „an Händen und Füßen mit Ketten gefesselt“.
gefesselt worden und (aber) hatte [jedes Mal] die Ketten (Handfesseln) zerrissen
zerrissen W. „auseinander zerrissen“ (vgl. LN 19.29).
und die Fußfesseln zerrieben (zerschmettert),
hatte ... zerrissen und … zerrieben W. „(die Ketten) waren zerrissen und zerrieben worden“.
und niemand war stark [genug], ihn unter Kontrolle zu bringen (zu bezwingen, überwältigen, bändigen).
5Und die ganze Zeit (ununterbrochen, ständig), nachts wie tags, hielt er sich (war) in den Grabhöhlen (Grabstätten, Gräbern) oder (und) in den Bergen auf, wo (wobei, während) er schrie (schrie er in den Grabhöhlen oder in den Bergen)
hielt er sich … auf … wo (wobei, während) er schrie Oder einfach „schrie er ununterbrochen … und schnitt sich“. W.  ἦν κράζων (w. „war schreiend“) Dieses so genannte periphrastische oder umschreibende Partizip kann man verschieden übersetzen. Häufig dient es als Beschreibung eines anhaltenden Zustands. Hier wurde das Hauptverb aus stilistischen Gründen separat übersetzt (weitere Infos auf der verlinkten Seite). Der Satz lässt sich auch als HS+Ptz. conj. (modal-temporal) übersetzen wie in der Klammer; der Unterschied trägt nichts aus.
und sich [mit] Steinen schnitt (verletzte; auf sich einschlug)
schnitt Deutsche Übersetzungen geben das Wort meist als „auf sich einschlagen“ wieder, doch das Wort heißt eigentlich „(zer)schneiden“, „zerstückeln“. Die Übersetzung „sich schlagen“ ist im Zusammenhang mit Steinen nicht unbedingt die einzig denkbare (LN 19,21; vgl. LSJ).
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6Und als (weil) er Jesus von Weitem sah,
als/weil er sah Ptz. conj., als temporaler (oder kausaler) Nebensatz aufgelöst.
kam er angerannt und warf sich vor ihm nieder
warf sich vor ihm nieder Das Wort impliziert eine unterwürfige, anbetende Haltung. Zwar erweist der Besessene Jesus in diesem Augenblick wohl noch keine religiöse Verehrung, aber zumindest bezeugt er großen Respekt. Er erkennt ihn als jemanden, der Macht über ihn hat, wie der nächste Vers zeigt (vgl. Collins 2007, 267).
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7{und} Er schrie [mit] lauter Stimme und
Er schrie ... und Ptz. conj. (temporal), mit „und“-Kombination aufgelöst.
sagte: „Was willst du von mir
Was willst du von mir? W. »Was mir und dir?« In Mk 1,24; Mt 8,29; Lk 8,28 greifen Besessene gegenüber Jesus zur selben Wendung. Die Frage ist häufig Ausdruck einer ablehnenden Haltung in einer für den Sprecher unangenehmen oder bedrohlichen Situation, in der er sich dennoch fügen muss. So unter dem Eindruck der Bedrohung: »Was habe ich dir angetan?« (Ri 11,12; 1Kö 17,18; 2Chron 35,21 LXX) Sie kann auch Distanz zum Anliegen eines Bittstellers zum Ausdruck bringen: »Was soll das?« oder »Lasst das sein!« (2Sam 16,10; 19,23 LXX), sinngemäß: »Lass mich in Ruhe, finde einen anderen!« (2Kö 3,13 LXX), oder gleichgültige Distanzierung (Hos 14,9 LXX). Auf der Hochzeit in Kana bittet Jesus seine Mutter Maria mit der gleichen Wendung, sich nicht in seinen messianischen Dienst einzumischen (Joh 2,4) (vgl. France 2002, 103f.; NET Mk 1,24 Fn 48; BA  ἐγώ ). Im Zusammenhang mit einem bösen Geist, der sich bedroht fühlt, ist (hier und 1,24; Mt 8,29; Lk 8,28) wohl auch das defensive Element vorhanden. Sinngemäß könnte man also sagen: »Was habe ich dir getan? Lass mich in Ruhe!« Zür, REB, GNB: »Was habe ich mit dir zu schaffen?«, Lut, Menge, NGÜ: »Was willst du von mir?«
, Jesus, Sohn Gottes, des Höchsten (des höchsten Gottes)? Ich beschwöre dich bei Gott, mich nicht zu quälen (foltern)!“
8Denn [Jesus] hatte zu ihm gesagt (sagte gerade/wiederholt)
hatte gesagt (sagte gerade/wiederholt) übersetzt das Imperfekt, das in diesem Kontext zweierlei anzeigen kann: 1. eine vorvergangene Handlung (Siebenthal 2001 §198f): dass Jesus dies vor der Bitte des Dämons gesagt hatte. 2. eine im Verlauf befindliche Handlung (Siebenthal 2011 §198b): dass Jesus schon zu sprechen begonnen hatte, vielleicht nach der ersten Frage des Dämons. „Denn“ verweist auf den Grund für die in V. 7 geäußerte Bitte. Möglich, dass Jesus die Austreibungsformel mehrmals wiederholte (so Mann 1986, 279). Oder wie MEN: „im Begriff war...“ Fast alle Übersetzungen folgen der ersten Möglichkeit (s. BDR §347; Guelich 1989, 272; Collins 2007, 268).
: „Komm heraus (Fahre aus, verlass) aus dem Mann, unreiner Geist!“,
9und er fragte ihn: „Was [ist] dein Name?“, und er antwortete (sagte) {zu ihm}: „Mein Name [ist] »Legion«
Legion Lat. Lehnwort, die Bezeichnung einer militärischen Einheit. Wahrscheinlich ist es nicht der tatsächliche Name des/der Dämonen, sondern eine ausweichende Antwort. Die Anzahl der Dämonen scheint jedoch zumindest grob in der Größenordnung einer Legion (4-6000 Mann) zu liegen (Collins 2007, 269; Guelich 1989, 281).
,
,
»Was [ist] dein Name?« und »Mein Name [ist]...« W. »Was (für ein) Name [ist] dir?« etc. (possessiver Dativ; NSS)
denn wir sind viele.“
10Und er flehte (bat) ihn immer wieder (inständig)
immer wieder (inständig) Das Adverb  πολλὰ kann man sowohl intensivierend als auch wiederholend verstehen. Die meisten Übersetzungen intensivieren (vgl. aber V. 23, 38 und 43).
an, {dass} sie nicht aus der Gegend (Gebiet, Land) wegzuschicken (zu vertreiben).
11Nun (aber, und) weidete (wurde gehütet) in der Nähe (dort) am Berghang
am Berghang W. „an dem Berg“. Die Präposition weist auf einen Hang hin (vgl. EÜ, NGÜ, GNB).
gerade
weidete gerade Periphrastische Konjugation, die das Imperfekt umschreibt und die Gleichzeitigkeit des durativen Aspekts stärker betont.
eine große Schweineherde
Schweineherde W. „Herde [der] Schweine“
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12Und sie baten (flehten an) ihn {sagend}: „Schicke (Treibe) uns in die Schweine! Wir wollen (damit wir)
Wir wollen (damit wir) Die Konjunktion  ἵνα wird hier (v.a. aus stilistischen Gründen) als selbständiger Begehrungssatz übersetzt (NSS). Vgl. ZÜR, MEN.
in sie fahren!“,
13und er erlaubte [es] ihnen. Da (Und) fuhren die unreinen Geister aus und
fuhren aus und Temporales oder modales Ptz. conj., hier mit Hilfe einer „und“-Kombination beigeordnet.
fuhren in die Schweine, und die Herde raste (stürzte sich, stürmte) den Abhang hinunter ins Meer (den See), ungefähr zweitausend, und ertranken im Meer (See)
ertranken im Meer Eigentlich können Schweine schwimmen (France 2002, 231). Allerdings ist es nicht undenkbar, dass ihre Panik und schiere Masse (viele Schweine würden im Wasser aufeinander landen und einander unter Wasser drücken) dazu führte, dass sie trotzdem ertranken.
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14Und ihre Hirten
ihre Hirten Oder etwas wörtlicher „die sie hüteten“.
ergriffen die Flucht (liefen davon) und verbreiteten (verkündeten, erzählten) [die Nachricht] in der Stadt und auf dem Land (den Höfen, Dörfern)
Land W. „Felder“, eine Metonymie für das Land (BA  ἀγρός 1; vgl. LN 1.87). Ein anderes Verständnis der Metonymie wäre „Höfe, Dörfer“ (BA  ἀγρός 2; NSS), was wohl in Mk 6,36 gemeint ist. Zusammen bilden „Stadt und Land“ einen Merismus.
. Und [die Leute] machten sich auf (kamen), [um] zu sehen, was das Geschehene war
was das Geschehene war W. „was das Geschehene ist“; der Objektsatz steht in der selben Zeit, in der direkte Rede stehen würde (vgl. Zerwick § 346; ad loc. Grosvenor/Zerwick).
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15Und sie erreichten (kamen zu) Jesus und sahen (als sie erreichten, sahen sie), dass der Besessene saß, bekleidet und bei Verstand
sahen, dass der Besessene saß, bekleidet und bei Verstand Dreifaches AcP. Aus stilistischen Gründen (allerdings im Rahmen des griechischen Satzbaus) wurde nur das erste Ptz. als Teil des AcP aufgelöst und die anderen beiden Partizipien modal verstanden. bekleidet bedarf keiner Auflösung, bei Verstand gibt das Ptz. als Präpositionalphrase wieder.
– derjenige, der die Legion gehabt hatte! – und fürchteten sich.
16Und die, die [alles] gesehen hatten, erzählten (schilderten) ihnen, was (wie) mit dem Besessenen passierten war, und von den Schweinen. 17Da (Und) drängten (baten, forderten auf) sie ihn,
drängten sie ihn W. „fingen an zu bitten“, eine pleonastische Verbindung, die typisch für Markus ist. „Beginnen“ hat hier sehr abgeschwächte Bedeutung (Siebenthal 2011, §218e; NSS). Übersetzt man das Imperfekt, dann vielleicht so wie ZÜR: „Da baten sie ihn immer dringlicher“ (iterativ), MEN: „Da verlegten sie sich aufs Bitten“
ihr Gebiet zu verlassen (fortzugehen aus).
18{Und} Als er ins Boot stieg,
Als er ins Boot stieg Gen. abs., als temporaler Nebensatz aufgelöst.
bat (flehte) ihn der, der besessen gewesen war,
der, der besessen gewesen war Subst. Ptz. Aor., als Relativsatz aufgelöst. Eine schönere Übersetzung wäre vielleicht „der vormals Besessene“ oder auch „der ehemalige Besessene“. MEN: „der (früher) Besessene“, GNB sogar: „der Geheilte“.
darum, {dass} bei ihm bleiben [zu dürfen].
19Aber (und) er erlaubte es ihm (ließ ihn) nicht, sondern sagte zu ihm: „Geh nach Hause (in dein Haus) zu den Deinen und berichte (verkünde, erzähle) ihnen, was der Herr dir getan hat und [wie] er Erbarmen mit dir hatte!“ 20Und (Da) er ging fort und begann in der Dekapolis (im Zehnstädtegebiet)
Dekapolis Die Dekapolis war eine Region von etwa zehn Städten im heutigen Jordanien, als östlich des Jordan und des Sees Gennesaret. Weitere Informationen liefert der Artikel Dekapolis.
zu erzählen (predigen, verkündigen), was Jesus ihm getan hatte,
was Jesus ihm getan hatte W. „was getan hatte ihm Jesus“. „Jesus“ ist bewusst nachgestellt, um den Kontrast zu betonen, der zwischen V. 20 und dem parallelen V. 19 besteht („was der Herr dir getan hat“). Der Geheilte verkündigt Jesus als „den Herrn“.
und alle staunten (wunderten sich)
staunten (wunderten sich) Eine zeitgemäßere, treffende Übersetzung wäre vielleicht „sie konnten es kaum glauben“.
. ah
21Und nachdem Jesus mit dem (im) Boot wieder (zurück) ans andere Ufer gefahren war,
nachdem … gefahren war Gen. abs., als temporaler Nebensatz aufgelöst.
versammelte sich eine große Menschenmenge bei ihm. {und} Er war gerade (während, noch)
gerade … (V. 22) als W. „und … und“ dient hier wieder als Temporalangabe, daher die Übersetzung. Die Zeitangabe könnte sowohl zu V. 21 (LUT, MEN, ELB, ZÜR) als auch zu V. 22 gehören (EÜ, GNB, NGÜ). Diese spezifische Angabe scheint jedoch eher die spezifische Situation von V. 22 einzuleiten.
am Meer (See),
22als (da, und) einer der Synagogenvorsteher
Synagogenvorsteher Zur Zeit Jesu wurden Synagogen von Laien geleitet. Diese waren verantwortlich v.a. für die Leitung des Gottesdienstes, aber auch für die finanziellen, administrativen und politischen Aspekte des Synagogenlebens (TRE 32, S. 506).
namens Jairus
namens Jairus Gr. der Dativ von Name (possessiver Dativ).
kam, und als er ihn sah,
als er ihn sah Temporales Ptz. conj., wohl beschreibendes Partizip.
warf (fiel) er sich ihm vor die Füße
23und bat (flehte an) ihn inständig (mehrfach)
inständig (mehrfach) Das Adverb  πολλὰ kann man sowohl intensivierend als auch wiederholend verstehen. Hier scheint die intensivierende Funktion besser zu passen (vgl. V. 38 und 43, aber auch V. 10).
{sagend}: „Meine kleine Tochter ist dem Tode nahe (liegt im Sterben, ist todkrank)
ist dem Tode nahe Das Gr.  ἐσχάτως ἔχει kann man nicht ohne weiteres übersetzen, es bedeutet »sie schwebt in Lebensgefahr« (sinngemäß nach Collins 2007, 279), »sie ist todkrank« (sinngemäß nach LN 23.151; auch ZÜR, MEN, GNB), »liegt in den letzten Zügen« (LUT, ELB), »liegt im Sterben« (NGÜ, EÜ). ist dem Tode nahe nach Guelich 1989, 290.
– komm doch und
komm doch und Temporales Ptz. conj., als Beiordnung übersetzt. Wohl beschreibendes Partizip.
lege ihr deine Hände auf,
Komm doch und lege ihr deine Hände auf Im Griechischen handelt es sich um einen selbständigen Nebensatz, der mit der finalen Konjunktion  ἵνα eingeleitet ist. Das ist eine andere Möglichkeit, einen Imperativ auszudrücken oder vielleicht zu umschreiben (Siebenthal 2011, §268c; BDR §387.3a; NSS). Obwohl die Grammatiken das nicht erwähnen, ist es möglich, dass es sich um eine elliptische Formulierung handelt und wir uns den Hauptsatz dazuzudenken haben (so France 2002, 236 mit Verweis auf Mk 10,51). Dann könnte man übersetzen: »[Ich bitte dich/möchte], dass du kommst und...«
damit sie gerettet (geheilt) wird und am Leben bleibt (lebt)!“
24Und er ging mit ihm, und eine große Menge folgte ihm, und sie drängten sich um ihn
drängten sich um ihn Das griechische Wort konnotiert großen Druck und kann in anderen Zusammenhängen auch „zusammendrücken“ heißen (LSJ). Den Druck der Menge beschreibt Markus also sehr plastisch. Etwas freier: „es herrschte ein großes Gedränge“
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25Und eine Frau, die [seit] zwölf Jahren an Blutungen (Blutfluss) litt
die [seit] zwölf Jahren an Blutungen litt Attr. Ptz., als Relativsatz aufgelöst. Blutungen (Blutfluss) W. „Ausfluss [des] Blutes“. an Blutungen litt W. „war zwölf Jahre mit Blutfluss“. Adela Yarbro Collins zeigt anhand verschiedener zeitgenössischer griechischer Texte, dass es sich dabei um einen (wohl mit der Weiblichkeit zusammenhängenden) Blutausfluss („flow of blood“, Gr.  ῥύσις αἵματος ) handelt, nicht um eine gewöhnliche Blutung („hemorrhage“, Hämorrhagie, Gr.  αἱμορραγία )(Collins 2007, 280). Vermutlich gehörte diese Blutung in den Reinheitsgeboten zu den unreinen Menstruationsblutungen (Lev 15,19–33). Lev 15,25 LXX benutzt in diesem Zusammenhang den gleichen Begriff für die beschriebene Blutung. Die Frau war nicht nur dauerhaft unrein, sondern verunreinigte auch alles, was sie berührte (Guelich 1989, 296f.; France 2002, 236f.).
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at
26und mit (durch) vielen Ärzten viel durchgemacht (erduldet, erlitten) hatte, die ihren gesamten Besitz (Vermögen, Habe) ausgegeben hatte, ohne etwas zu erreichen (einen Nutzen davon zu haben); stattdessen (im Gegenteil) war es ihr immer schlechter gegangen (schlimmer geworden),
durchgemacht … die ... ausgegeben hatte, ohne etwas zu erreichen … gegangen Attr. Ptz. Aor. (4x), vorzeitig übersetzt und (teils unter Wiederholung des Relativpronomens) an den im vorigen Satz begonnen Relativsatz gehängt. Das Hauptverb erfolgt erst in V. 27. Theoretisch könnte man die Partizipien auch als kausale Ptz. conj. verstehen. ohne etwas zu erreichen Aus stilistischen Gründen als Infinitivsatz wiedergegeben. Der Teilsatz hat adversative Konnotation, man könnte ihn im Indikativ folgendermaßen wiedergeben: „aber es hatte nichts genützt“ (GNB, NGÜ, EÜ, ZÜR), „es hatte ihr nichts geholfen“ (LUT). war es ihr immer schlechter gegangen W. etwa „war sie zum Schlechteren gekommen“
27als sie (die) von Jesus hörte, näherte sich (kam)
als sie (die) ... hörte, näherte sie sich … und Zwei Ptz. conj. (Präsens und Aorist), temporal aufgelöst. Das erste könnte man auch attributiv verstehen und in den vorangehenden Relativsatz einreihen.
[diese Frau] in der Menge von hinten und berührte (fasste an) seine Kleidung (Gewand).
28Sie sagte sich (dachte) nämlich: „Wenn ich auch nur seine Kleider (Kleidung) berühre (anfasse), werde ich geheilt (gerettet) werden!“
sagte sich Das Imperfekt zeigt hier die Begründung an, die die Frau sich zurechtgelegt hatte und bis zu ihrer Heilung hegte (für ähnliche Aussagen vgl. 3,21; 6,18; 14,2). Sie ist als (normaler) prospektiver Konditionalsatz formuliert: Die Frau rechnet sich aus, dass die Folge (die Heilung) – vermutlich – eintreten wird, wenn die Bedingung (die Berührung) erfüllt ist (Siebenthal 2011, §282).
29Und die Quelle ihre Blutes versiegte (vertrocknete) auf der Stelle (sofort),
die Quelle ihre Blutes versiegte Idiomatische (blumige?) Ausdrucksweise, die einfach bedeutet: „ihr Blutverluss/ihre Blutung hörte auf“ (LN 23.182; NSS). Die Formulierung entspricht wörtlich der in Lev 12,7 LXX, wo es um die Reinigung einer Frau nach der Geburt geht. Dort erklärt der Priester die Frau für geheilt, nachdem sie ein Lamm als Sühneopfer dargebracht hat. Mit diesem Echo (schon das zweite in dieser Szene nach der gr. Formulierung für „Blutung“ in V. 25) bringt Markus nicht nur die Dimension der rituellen Unreinheit vor dem Gesetz ins Spiel, sondern verbindet Jesus auch indirekt mit dem Priester, der ihre Reinheit vor Gott wieder herstellt (vgl. Guelich 1989, 297). Allerdings geht es in der Geschichte nicht um Reinheit und Unreinheit, sondern in erster Linie um die Heilung von einem chronischen Leiden. Die Frage der Reinheit wird von allen Beteiligten mit völliger Missachtung gestraft – selbst von den zahlreichen Menschen, von denen man erwarten dürfte, dass die Frau sie in der Menge berührt und damit unrein gemacht hat, ist nichts dazu zu hören (Collins 2007, 283f.).
und sie bemerkte (wusste, spürte) [an (in) ihrem] Körper
[an (in) ihrem] Körper Wohl instrumentaler oder lokaler Dativ; hier soll es aber wohl nur markieren, dass es sich bei ihrem „merken“ um eine körperliche Empfindung handelt (Grosvenor/Zerwick), daher besser „spürte sie an ihrem Körper“.
, dass sie von [ihrem] Leiden (Qual)
Leiden (Qual) W. „Geißel“, übertragen „Plage“. Per Bedeutungserweiterung auch „Leiden“ oder „Gebrechen“ (vgl. LN 23.182).
geheilt war. ba
30Und Jesus, der (als/weil er) innerlich (bei sich) sofort merkte,
der (als/weil er) merkte Ptz. conj. (temporal oder kausal), hier als Relativsatz aufgelöst.
dass Kraft [von ihm] ausgegangen war,
merkte, dass Kraft von ihm ausgegangen war AcP Oder anders aufgelöst: „[die] Kraft bemerkte, die...“ Das Ptz. Aor. Könnte man evtl. auch gleichzeitig verstehen „sofort bemerkte, dass Kraft von ihm ausging“ (vgl. EÜ).
drehte sich in der Menschenmenge um und fragte (sagte, wiederholte)
fragte (sagte, wiederholte) Das Verb steht im Imperfekt. Markus benutzt diese spezielle Form recht häufig (bes. in Kap. 4), sodass der durative Aspekt möglicherweise nur schwach vorhanden ist. Hier könnte die Form ausdrücken, dass Jesu Nachfrage ergebnislos blieb (Siebenthal 2011, §195g; §198l). Das Imperfekt könnte an dieser Stelle jedoch ebenso ausdrücken, dass Jesus mehrmals (iterativ) nachfragte.
: „Wer hat meine Kleider (Kleidung) berührt (angefasst)?“
31Aber (Und, Da) seine Jünger meinten (sagten) {ihm}: „Du siehst die Menschenmenge, die sich um dich drängt,
die sich um dich drängt Atr. Ptz., als Relativsatz aufgelöst. Zum Wort s. die Fußnote in V. 24.
und sagst: »Wer hat mich berührt (angefasst)?«“
32Und er schaute sich um, [um] die [Person] zu sehen, die es gewesen war (getan hatte).
die [Person], die es gewesen war (getan hatte) Attr. Ptz. Aor. im Femininum. Dass das Partizip schon im richtigen Geschlecht steht, weist eher auf die Perspektive des allwissenden Erzählers hin als darauf, dass Jesus gezielt nach einer Frau Ausschau hält (Collins 2007, 283 Fn 158). Die meisten Übersetzungen (bis auf NGÜ) formulieren hier jedoch explizit weiblich. [Person] ist ein eleganter Mittelweg, weil das Wort (im Singular) im Sprachgebrauch häufiger „Frau“ als „Mann“ umschreibt.
33Die Frau fürchtete sich und zitterte, weil sie wusste,
fürchtete sich und zitterte, weil sie wusste Ptz. conj. (3x). Die ersten beiden sind modal und hier als selbständiger Hauptsatz aufgelöst (das modifizierte Verb bildet den zweiten Satz des Verses), das dritte ist kausal und als entsprechender Nebensatz aufgelöst. Schön ZÜR: „kam, verängstigt und zitternd, weil sie wusste“
was mit ihr passiert war. Sie kam und warf sich (fiel) vor ihm nieder und erzählte (sagte) ihm die ganze Wahrheit.
34Doch er sagte zu ihr: „Tochter, dein Glaube (Vertrauen) hat dich gesund gemacht (gerettet). Geh in Frieden, und sei (bleibe) von deinem Leiden (Plage) gesund (geheilt)!“ 35Während er noch redete,
Während er noch redete Temporaler Gen. abs., als Nebensatz aufgelöst.
kamen [Angehörige (Leute aus dem Haus)] des Synagogenvorstehers und richteten aus (sagten)
und richteten aus Ptz. conj., temporal-modal, beigeordnet übersetzt.
: „Deine Tochter ist gestorben. Was (Warum) bemühst du noch den Lehrer?“
36Aber Jesus, der mitbekommen hatte (hörte zu; überhörte, missachtete), wie die Botschaft (Meldung, Wort) ausgerichtet (gesagt) wurde,
der mitbekommen hatte Ptz. conj. (Aor.), modal, kausal oder temporal, hier als Relativsatz aufgelöst. wie die Botschaft ausgerichtet wurde AcP, mit „wie“ aufgelöst. Übersetzt man das Wort  παρακούω nicht als mitbekommen, sondern als „überhören, missachten“ (so MEN, ELB mit Guelich 1989, 291. Das Ptz. Aor. wäre dann gleichzeitig zu übersetzen), dann kann man übersetzen: „Unter Missachtung dieser Meldung sagte Jesus“ (Präpositionalphrase) oder parataktisch: „Jesus aber überhörte das Wort, das geredet wurde“ (ELB). Sehr schön MEN: „Jesus aber ließ die Nachricht, die da gemeldet wurde, unbeachtet“ oder die Alternativübersetzung der NGÜ: „Jesus schenkte diesen Worten keine Beachtung“
sagte zu dem Synagogenvorsteher: „Fürchte dich nicht, vertraue (glaube) einfach (nur)!“
Fürchte dich nicht, vertraue (glaube) einfach (nur)! Beide Imperative stehen im Präsens, der durativischen Befehlsform, die das Fortsetzen (bzw. negativ Aufhören mit) einer schon begonnenen Handlung konnotiert. Die implizierte Botschaft ist also „Fürchte dich nicht (länger)! Vertraue/glaube einfach (weiter)!“ (Siebenthal 2011, §212e; Collins 2007, 285).
37Und er ließ (erlaubte) niemanden mitkommen (ihn begleiten) außer Petrus, {und} Jakobus und Jakobus’ Bruder Johannes. 38Als (Und) sie zum (in das) Haus des Synagogenvorstehers kamen, {und} sah er ein lärmendes Durcheinander (Aufregung, Tumult)
ein lärmendes Durcheinander Die treffendste Übersetzung der Hauptbedeutung ist vielleicht „Aufruhr“ oder „Tumult“: Es herrscht Lärm, Durcheinander (LUT, MEN, ELB: „Getümmel“), und häufig bezieht es sich im NT auf kurzfristige Tumulte gegen die römische Herrschaft (Mk 14,2 par Mt 26,5; Mt 27,24; Apg 20,1; 21,34). Hier ist eher ein großes, lärmendes Durcheinander gemeint. EÜ: „Lärm“, NGÜ: „helle Aufregung“
und [Menschen], die heftig heulten (weinten) und wehklagten (heulten),
sah er … [Menschen], die heftig heulten und wehklagten AcP (zwei Ptz.), unter Ergänzung eines Objekts mit Relativsatz wiedergegeben.
39und nach dem (beim) Eintreten
nach dem (beim) Eintreten Temporal-modales Ptz. conj., als Präpositionalphrase aufgelöst.
sagte er zu ihnen: „Warum seid ihr so erregt (lärmt) und heult (weint)? Das Kind (Kindlein) ist nicht tot, sie schläft nur!“
40Da (Und) lachten sie ihn aus. Doch [Jesus] schickte (trieb, warf) alle hinaus, dann nahm er den Vater und die Mutter des Kindes (Kindleins) und [alle], die bei ihm [waren], mit und ging in [das Zimmer], wo sich das Kind (Kindlein) befand. 41{Und} Er nahm die Hand des Kindes (Kindleins)
Er nahm die Hand Gen. abs., temporal-modal, beigeordnet aufgelöst.
und sagte zu ihr: „Talita kum!“
Talita kum! Aramäisch für „Mädchen, steh auf!“ Kum ( קום ) ist der maskuline Imperativ.
, das heißt übersetzt: „Mädchen, ich sage dir, steh (wach) auf!“
42{Und} Das Mädchen erhob sich auf der Stelle (sofort) und begann umherzugehen
begann umherzugehen Als inchoatives Imperfekt übersetzt (vgl. Guelich 1989, 303).
; sie war nämlich zwölf Jahre [alt]. {Und} Da (sofort) waren [alle vor] lauter Fassungslosigkeit (Entgeisterung, Verblüffung, Entsetzen) [ganz] fassungslos (außer sich, entgeistert, erstaunt)
waren [alle vor] lauter Fassungslosigkeit [ganz] fassungslos Es handelt sich wohl um eine Formulierung, die bewusst hebraisierend an das Griechisch der Sepuaginta angelehnt ist. Das mit dem Verbalsubstantiv derselben Wurzel im Dativ verbundene Verb ist eine Nachahmung der hebr. Konstruktion mit Verb+Inf. abs. („Septuagintismus“, Guelich 1989, 291; BDR §198.6). Dasselbe Verb beschreibt in Mk 2,12 und 6,51 die fassungslose Reaktion der Zeugen auf ein Wunder. Die von anderen gewählte Übersetzung „(Er)Staunen“ (ELB, MEN) ist vielleicht etwas blass, das seit Luther verbreitete „Entsetzen“ (LUT, EÜ, GNB, ZÜR) zwar vorstellbar, aber etwas unpassend. Der Dativus modi führt zur Einfügung von [vor], das fehlende Subjekt zur sinngemäßen Ergänzung von [alle]. Wörtlich könnte man vielleicht übersetzen: „[vor] großem Außersichsein [ganz] außer sich sein“, etwas freier übersetzt dann so wie hier. LUT: „Und sie entsetzten sich sogleich über die Maßen.“, EÜ: „Die Leute gerieten außer sich vor Entsetzen.“. Schön NGÜ: „zum grenzenlosen Erstaunen aller“, NeÜ: „Mit fassungslosem Erstaunen sahen alle, wie“
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43Und er machte ihnen unmissverständlich (mehrmals, ausdrücklich)
unmissverständlich (mehrmals, ausdrücklich) Das Adverb  πολλὰ kann man sowohl intensivierend als auch wiederholend verstehen, die meisten Übersetzungen intensivieren. Vgl. V. 23 und 38, aber auch V. 10.
klar (ordnete an, schärfte ein), dass niemand davon erfahren [dürfe], zudem (und) sagte er, [man solle]
[man solle] Der griechische Infinitivsatz ist (dem Deutschen ganz ähnlich) final. In der gegenwärtigen Formulierung ist im Deutschen eine finale Satzeinleitung notwendig.
ihr [etwas] zu Essen geben.
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