Psalms 2

Kapitel 2

1
[Status: Sehr gut]
Warum (wozu) verschwören sich (befinden sich in Unruhe, murren; haben sich verschworen)
Dieses Verb ist ein nur selten erkannter Aramaismus (in 9.12 sind weitere). In Dan 6,7.12.16 hat das aramäische Verb jeweils die Bedeutung „gemeinsam/als Gruppe [an einen Ort] gehen“, wobei immer eine heimliche/intrigante Absprache Teil der Konnotation ist (DBL Aramaic). Die konkrete Übersetzung „verschwören“ ergibt sich aus dem Kontext (vgl. Waltke 2010, S. 157): Das parallele Verb aus der zweiten Vershälfte bedeutet etwa, „Pläne zu schmieden“ (vgl. Fußnote dort); ein ähnliches Bedeutungsfeld ergeben die Verben in 2, der mit 1 (und 3) eine klimaktische Sinneinheit bildet. Dennoch findet sich in deutschen Übersetzungen i.d.R. eine Übersetzung nach dem Sinn von „sich in Unruhe befinden“ (vgl. aber NET, Waltke 2010, Hunter 1999).
,
Die Verbformen in V. 1 sind auffällig: Qatal (1a) - X-Yiqtol (1b) - Yiqtol (2a) - X-Qatal (2b). Auf den ersten Blick wirken sie so, als müsste man übersetzen: # „Warum haben die Nationen gewütet? / Und die Völker - warum schmieden sie vergebliche Pläne? / Die Könige der Erde setzen sich zusammen, / und die Herrscher haben sich bereits beraten“ (so z.B. Carrier 1900, S. 58) # Viele Exegeten gehen aber davon aus, dass in der biblischen Lyrik die hebräischen Verbformen mehr oder weniger nach Belieben gesetzt werden können und übersetzen daher alle vier Verben präsentisch: „Warum wüten die Nationen, / warum schmieden die Völker vergebliche Pläne? / Die Könige der Erde setzen sich zusammen / und die Herrscher beraten sich.“ (so z.B. Buth 1992, S. 103; unsere Lösung, da Mehrheitsmeinung). # Vielleicht sinnvoller: Der Wechsel von Qatal nach Yiqtol und von Yiqtol nach Qatal wird verstanden als (bedeutungsloser) T-Shift; der Wechsel von VERB-X nach X-VERB drückt jeweils nur die Gegenüberstellung der jeweiligen Subjekte aus („Nationen“ und „Völker“ einerseits, „Könige der Erde“ und „Herrscher“ andererseits): „Warum wüten die Nationen / warum schmieden die Völker vergebliche Pläne? / [Warum] wollen die Könige der Erde sich zusammensetzen / und die Herrscher sich beraten?“ # Niccacci 2006, S. 9 interpretiert (1b) und (2b) als Umstandssätze: „Warum haben sich die Nationen verschworen / während die Völker vergeblich Pläne schmiedeten? / [Warum] stellten die Könige der Erde sich zum Kampf / während die Herrscher sich gegen JHWH und seinen Gesalbten verbündeten?“
[die] (heidnischen) Völker (Nationen),
und [warum] schmieden (werden schmieden) [die] Völker (Volksgruppen) vergeblich Pläne
„Pläne schmieden“ ist hier Übersetzung lediglich des Verbs (vgl. GNB).  רִיק (vergeblich) ist meist ein Substantiv, bei vielen Wörtern im AT ist der Übergang zum Adjektiv aber fließend. Die Übersetzung könnte also sowohl „Vergebliches“ (Substantiv) als auch „vergeblich“ lauten. Allerdings ist das Verb „Pläne schmieden“ ( הָגָה ) intransitiv (Clines, Dictionary of Classical Hebrew), deshalb ist  רִיק hier als Adverb zu verstehen.
(Vergebliches, Nichtiges) (knurren, grummeln sie)? e
2[Warum]
Wahrscheinlich double duty-Präposition aus V. 1a; so z.B. Niccacci 2006, S. 8; auch schon Carrier 1900, S. 58.
stellen die Könige der Erde (des Landes; irdischen Könige)
Der Genitiv „der Erde“ kann auch als „des Landes“ (lokal begrenzt) oder als adjektivischer Genitiv („irdische Könige“) verstanden werden. Stärker signalisiert wird hier nicht der Gegensatz zwischen den anderen Ländern und Israel, sondern der zwischen den irdischen Herrschern einerseits und JHWH und seinem gesalbten König andererseits. Jener „ist 'göttlicher König' und deswegen auch Weltherrscher.“ (Kraus 1960, S. 15)
sich [zum Kampf]
Vgl. Kraus 1960, S. 11.
auf (lehnen sich auf, leisten Widerstand; stellen sich [gerade] auf, werden sich aufstellen)
und [warum] verbünden (stellen) sich (haben sich verbündet)
Die Grundbedeutung ist, „sich unverrückbar [gg. jmdn.] zu positionieren“ (BDB, TWOT), die Denotation ergibt sich daraus. Das Verb heißt im Qal „gründen, grundlegen“ und kommt im Nifal sonst nur in Ps 31,14 vor. HALAT sieht dagegen zwei unabhängige Wurzeln. Kraus (1960, S. 11): „schließen sich zusammen“.
die Herrscher
gegen JHWH und gegen seinen Gesalbten
Der Gesalbte bezeichnet hier wie meist im AT den von Gott eingesetzten König (TWOT, NBD u.a.; vgl. V. 6). In Prophetien wird auch der angekündigte Retter Israels so genannt, was im NT dann auf Jesus bezogen wird. Die ungewöhnliche Wiederholung der Präposition sorgt für eine klare Unterscheidung zwischen JHWH und König (Waltke 2010, S. 158).
: k
3
Hier sprechen die erwähnten Könige (V. 2).
„Wir wollen (lasst uns, zerreißen wir doch) ihre Fesseln (Bande) zerreißen
und ihre Stricke (Bande) von uns abwerfen!“
4Der im Himmel thront (sitzt, wohnt)
Subst., nicht adv./präd. Ptz., wie aus dem Parallelismus (entspricht „Herr“ in Teil 4b) deutlich wird. Vernachlässigt man diesen, könnte die Übersetzung auch lauten: „im Himmel wohnend, lacht er, Adonai...“ Die Hauptbedeutung von  יָשַׁה ist „sitzen“, auf JHWH bezogen „thronen“ (vgl. REB, SLT).
, lacht (wird lachen) [über sie]
Das Objekt am Satzende bezieht sich auf beide Verben (vgl. Luther).
,
[der] {mein} Herr (Adonai) spottet (verhöhnt; wird spotten) über sie.
5Dann (daraufhin) spricht er (wird er sprechen)
Von einer allgemeinen, zu jeder Zeit vorstellbaren Beschreibung wechselt der Psalmist nun zu einer konkreten Beschreibung von JHWHs Handeln („dann“). Die Handlung entfaltet sich vor den Augen des Erzählers (Waltke 2010, S. 158; NET Ps 2,4, Fußnote 15). Im Gegensatz dazu interpretiert Kraus 1960 das Folgende als zukünftige Rede (S. 12; Übers. „Einst redet er sie an...“), die folgenden Verse sind dann dem nachgeschobene Erklärung.
zu ihnen in seinem Zorn
und mit (in) seinem Zornesbrennen (brennenden Zorn, seiner Zornesglut, Heftigkeit)
Dieses Wort kommt gewöhnlich in Verbindung mit dem vorhergehenden Wort „Zorn“ ( אַף ) vor und bezeichnet dann „das Brennen/die Heftigkeit seines Zornes“. Hier wird diese gewohnte Verbindung durch den Parallelismus (als Stilmittel) bewusst aufgebrochen (Waltke 2010, S. 158). Die beiden Begriffe sind hier referenzidentisch.
erschreckt (wird erschrecken) er sie:
6{und} Ich selbst (ich aber)
Das Waw markiert hier die lose Anknüpfung der direkten Rede an vorher (nicht) Gesagtes und bleibt unübersetzt (Gesenius-Kautzsch §154b) - so ähnlich, wie man auch im Deutschen in Erregung einen Satz mit »und« beginnt. Alternativ ist es adversativ zu verstehen; dann »aber« (Davidson, Hebrew Syntax, §155); es ist aber kein wirklicher Gegensatz vorhanden.
habe meinen König auf Zion, meinem heiligen Berg
Zion ist ein poetischer Name für Jerusalem, den Sitz des Königs. Wörtlich »dem Berg meiner Heiligkeit«. Der Genitiv beschreibt eine Eigenschaft; aufgrund dessen wird die Constructus-Verbindung zu einer einzigen grammatischen Einheit zusammengezogen. Das Pronominal-Suffix rutscht nur aufgrund dieser Tatsache an ihr Ende zu »Heiligkeit«, gehört semantisch aber zu »Berg« (Gesenius/Kautzsch, §135n, 128o; Davidson, Hebrew Syntax, §24.2).
, eingesetzt (geweiht; setze ein)
LXX: »ich wurde von ihm ... eingesetzt«, das begradigt den unmarkierten Wechsel der sprechenden Person in 6-7. Waltke (2010, S. 158) interpretiert als Vollzugsperfekt: »Hiermit setze ich ein«
.“
7
Jetzt (7-9) spricht der Gesalbte JHWHs (V. 2).
Ich will (Lass mich) bezüglich (über, in Hinsicht auf, bezüglich)
Die Deutung dieser ungewöhnlich verwendeten Präposition ist schwierig. Die meisten Übersetzungen lassen sie wie die LXX weg (mit Bezug auf die Valenz des Verbs?). Sie drückt besondere Förmlichkeitbezieht aus (Waltke 2010, S. 170) und bezeichnet entweder die Wiedergabe gemäß der Quelle oder ein Teilzitat. Andere Verständnismöglichkeiten: „berichten über, bekannt machen bezüglich, erzählen von“.
der Anordnung (Einsetzungsurkunde, Königsprotokoll, Gesetz)
Der Begriff entstammt dem sakralen Königsrecht (Kraus 1960, S. 18) und bezieht sich hier auf einen bestimmten Abschnitt des Davidbundes, nämlich Gottes Zusage, Vater des davidischen Königs zu sein und ihn als Sohn zu betrachten (2. Sam 7,14). Das wird in 7b klar. Vielleicht zitiert der König dabei ein daran angelehntes Krönungsprotokoll (Kraus 1960, S. 18, Wallace 2009, S. 17).
JHWHs bekannt machen (rezitieren, berichten, Rechenschaft ablegen, erzählen):
Er hat
Nach den masoretischen Kantillationszeichen, die keine Constructus-Verbindung zwischen „Anordnung“ und „JHWH“ sehen: „...Anordnung berichten. JHWH hat...“ (vgl. Waltke 2010, S. 159; NET Ps 2,7, Fußnote 23)
zu mir gesagt: Du [bist] mein Sohn.
„Ich selbst habe (zeuge) dich heute (an diesem Tag) gezeugt
Das ist zu verstehen i.S.v. »ich bin dein Vater geworden«. Der König wurde gemäß Gottes Zusage (2. Sam 7,14) als Teil des Davidbundes von ihm formal als Sohn angenommen. Der Brauch spiegelt sich in altvorderorientalischen Sitten wieder, wonach Herren einen treuen Untertanen formal adoptieren und so auf die Stufe eines leiblichen Kindes erheben konnten (NET Ps 2,7, Fußnote 23). Auch andere Könige wurden als Gottessöhne betrachtet, etwa der ägyptische (der den Göttern aber gleichwertig war) oder der assyrische (der eher göttlich bestellter und bevollmächtigter Diener war; Kraus 1960, S. 18f.). Doch der dort vorhandene Zeugungsmythos entspricht hier lediglich der Adoption (Terrien 2003, S. 85; Kraus 1960, S. 19f.). S.a. Biberger, Sohn/Tochter (AT), 4.2.3 Ps 2,7 (Wibilex). Waltke 2010 Waltke (2010, S. 159) interpretiert als präsentisch zu übersetzendes Vollzugsperfekt.
. y
8Bitte mich darum (verlange/fordere [es] von mir)
Eine Bitte passt besser in das dargestellte vertrauensvolle Verhältnis als eine Forderung.
,
dann (und) gebe (werde geben) ich dir ([die]) (heidnischen) Völker (Nationen) [als] deinen Erbbesitz
D.h. Permanenter, erblicher Besitz (TWOT 1342a  נַחֲלָה ).

und [als] dein Eigentum (Besitz) die Enden der Erde (die ganze Welt)!
9Du wirst (sollst, kannst; zerschmettere)
Es bleibt hier unklar, ob es sich um eine Prophezeiung oder um die Vollmacht zur Kriegführung handelt (Vgl. Wallace 2009, S. 18).
sie mit einem eisernen Zepter (Stab) (Zepter aus Eisen)
Kann auch einen Hirtenstab bezeichnen. Der Genitiv beschreibt eine Eigenschaft; wörtlich »Stab des Eisens«. Vgl. Fußnote V. 6.
zerschmettern (weiden)
So die LXX (vgl. NIV84), die durchaus die ursprüngliche Lesart bezeugen könnte (Vgl. Wilhelmi, Der Hirt mit dem eisernen Szepter, VT 27.2, 1977). Gründe für den Vorzug des MT bei Waltke 2010, S. 173.
,
wie Töpferware
Wörtlich: »Gefäß(e) eines Töpfers«
wirst (sollst, kannst; zerschlage) du sie zerschlagen (zerschmeißen).“ af
10Darum (und nun), [ihr] Könige, handelt verständig (kommt zur Einsicht);
lasst euch warnen (zurechtweisen), [ihr] Herrscher (Richter) der Erde (des Landes)! ag

11Dient JHWH mit (in) Furcht (Ehrfurcht)
und fürchtet euch (jauchzt, zittert, heult, kehrt um?)
Die Crux interpretum in 11b.12a scheint auf den ersten Blick zu bedeuten: „Jauchzt mit Zittern / Küsst den Sohn“, was offensichtlich keinen Sinn ergibt. Daher sind verschiedene Lösungsvorschläge gemacht worden: * 11b.12a: Häufig wird der Text nach einem Vorschlag von Bertholet 1908 von  וגילו ברעדה נשקו בר Jauchzt mit Zittern / Küsst den Sohn nach  ונשקו ברגליו ברעדה Küsst seine Füße mit Zittern emendiert. Solche Emendierungen sind aber nur Notlösungen, vorzuziehen ist daher: * 11b:  גיל jauchzen wird abweichend verstanden, nämlich als ** „heulen, sich fürchten“:  גיל dient nicht nur als Ausdruck der Euphorie, sondern auch im Gegenteil als Ausdruck des Entsetzens (vgl. KBL3 zu Hos 10,5: „kreischen, heulen“; DCH zu Hos 10,5 und unserer Stelle: „sich fürchten“). Ebenso schon Saadja („Fürchtet ihn mit Zittern!“ (Üs. nach Margulies 1884, S. 4)) und Ben Eli (vgl. Eissler 2002, S. 103); so auch wir. ** „umkehren“: Von der Bedeutung in KBL3 geht auch die NET aus: Sie deutet das Wort als „klagt“ und biegt von dort die Wortbedeutung weiter um zum wesentlich kontextgemäßeren „kehrt um“. Dieser Umweg über „klagt“ ist aber wohl gar nicht nötig: Unter anderem hängt  גיל zusammen mit dem arabischen ğwl „sich drehen“, was daher z.B. Kön und Ges18 als Grundbedeutung des Wortes annehmen; vgl. ad loc. auch Levesque 1900, S. 89. Daraus ließe sich ein „umkehren“ durchaus ableiten. ** „Zittern“: Außerdem hängt  גיל zusammen mit dem ugaritischen gwl / gjl, das auch für das „Zittern“ z.B. der Zähne (also für Zähneklappern) stehen kann; vgl. Halayka 2008, S. 140. Mit „zittern“ übertragen denn auch in Hos 10,5 SLT2000, MEN, H-R, TAF, LUT1912, TEXT, FREE, van Ess u.a; BDB schlägt es zudem für unsere Stelle vor. * 12a: Für V. 12 hat kürzlich Sabottka 2006, S. 98 eine simple Lösung ohne Emendierungen vorgelegt: Er versteht das Wort  נַשְקוּ nach der Bedeutung  נשק II „sich wappnen“ (vgl. KBL3, S. 690); interpretiert das Piel als privatives Piel und übersetzt: „Rüstet ab!“. Weiterhin  בַר interpretiert er nach der Bedeutung  בַר II „rein, lauter“ (vgl. KBL3, S. 146; so auch Hieronymus, Iuxta Hebraicum; Davidson 1888, S. 158; B-R) - was ohnehin naheliegt, da hier in V. 12 ein anderes Wort für „Sohn“ verwendet würde als in V. 7 - und kommt so zu der sehr sinnvollen Übersetzung „Rüstet lauter ab!“. Fast ebenso schon Raschi („Rüstet euch mit Reinheit“) und Saadja („Waffnet euch mit Reinheit“ (Üs. nach Margulies 1884, S. 4)).
mit (in) Zittern!

12Rüstet ehrlich ab (Küsst [den] Sohn), damit er nicht (sonst) zornig wird
und ihr [auf eurem] Weg
Gemeint ist keine Straße, sondern der im übertragenen Sinn eingeschlagene Weg, JHWH zu gehorchen – oder auch nicht (vgl. NET Ps 2,12, Fußnote 36; Anm. zu Ps 67,3).
umkommt,
denn leicht (schnell, bald) entflammt (entbrennt) sein Zorn (Gesicht, Nase).
Glücklich (gesegnet) [sind] alle, die sich bei (in) ihm bergen (Zuflucht suchen)! aj

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