Ephesians 1

Text: Epheser 1,1-2 Der Brief Pauli an die Epheser Einleitung Zu Ephesus war eine durch den Dienst Pauli gesammelte und eingerichtete Gemeinde. Den ersten Gang daselbst fand Paulus unter den Juden (Apg. 18, 19 zc.) , hielt sich aber damals nicht lange auf. Doch kam er bald wieder, und setzte seine Arbeit unter den Juden drei Monat lang fort (Apg. 19, 8) , bis er durch die Lästerung Vieler über das Evangelium gedrungen wurde, sich von den Juden zu trennen ( V. 9), übrigens aber mit der Predigt des Evangelii bei einer anderen dazu ersehenen Gelegenheit fortzufahren, daß Beide, Juden und Griechen, die in Asien wohnten, das Wort des HErrn JEsu hörten, während welcher Zeit GOtt nicht geringe Taten durch die Hände Pauli wirkte, und der Name des HErrn JEsu unter manchen dazu behilflichen Schickungen hochgepriesen wurde (V. 10+11+17) . Sonderlich stürzte GOtt durch das Licht des Evangelii manche vorher im Finstern geschlichene vorwitzige Künste, daß die, so damit umgingen, die Bücher öffentlich verbrannten ( V. 9) ; dabei versäumte freilich der GOtt dieser Welt nicht, eine solche wichtige Festung und Sammelplatz für seine Kinder des Unglaubens möglichst zu verteidigen, und bediente sich dazu insonderheit eines Werkzeuges, eines ansehnlichen Bürgers der Stadt, mit Namen Demetrius, der von denen – in Silberarbeit nachgemachten Modellen des berühmten Tempels der Diana nicht nur selbst großen Nutzen zog, sondern auch vielen Anderen Verdienst zuwandte, durch deren Beistand er dann eine Empörung erregte, darunter Paulus in Lebensgefahr kam (V. 28+29 sowie 2. Kor. 1, 8 ff). GOtt erweckte ihm aber unter den Regenten Asiens gute Freunde (V. 31) und lenkte es so, daß durch einen bedächtlichen Vortrag des Stadtschreibers die Empörung gestillt wurde. Auf dieses hin verabschiedete sich Paulus mit Segnen von den Ephesern (Kap. 20, 1) , und durchzog einige Gegenden Macedoniens, kam aber etwa nach drei Monaten wieder in die Nähe von Ephesus gen Mileto, wohin er die Ältesten der Ephesinischen Gemeinde kommen ließ, und ihnen in einer sehr beweglichen Rede das zu Gemüt führte (Kap. 20, 18–36), was sie für sich und Andere rückwärts und vorwärts zu bedenken hatten. Von da aus schied er von ihnen, und reiste nach Jerusalem, woselbst er in die bekannte Not geriet, und zu letzt aus Judäa gefangen nach Rom übergeben wurde; von woher er dann diesen Brief an die Epheser schrieb. Der Überbringer dieses Briefs war vermutlich Tychikus (Kap. 6, 21 u. 22) der zu gleicher Zeit auch den Brief an die Kolosser zu besorgen hatte (Kol. 34, 7) . Dieser mochte etwa auch wegen dieses Briefs an die Epheser mündlichen Auftrag haben, denselben auch anderen Gemeinden Asiens mitzuteilen. Denn wie der Apostel von Ephesus aus auch an anderen Orten Asiens mit dem Evangelio diente (Apg. 19, 10 u. 26) , so mag er wohl mit diesem seinen Brief neben dieser Hauptstadt und ansehnlichen Gemeinde, auch etliche andere zu unterrichten und zu befestigen die Absicht gehabt haben; welches daher noch glaublicher wird, weil der Apostel in diesem Brief sich aller näheren Umstände enthält, und so schreibt, daß es füglich an Bekannte und an weniger Bekannte zugleich laufen konnte; wie er denn auch nirgends hin einen Gruß aufgibt, und den Beschluß so allgemein und auf Viele eingerichtet macht. Wenn man vergleicht, wie nachmals die Offenbarung Johannis an sieben asiatische Gemeinden und ihre Vorsteher adressiert war, worunter auch Ephesus zuerst und Laodicea zuletzt stand; so könnte man noch auf eine weitere gute Vermutung kommen, nämlich das diese Epistel zuerst und allermeist nach Ephesus gewidmet und überschrieben war, in dem mit Tychiko mündlich verabredeten Zirkel aber zuletzt nach Laodicea kommen sollte; daher Paulus den Kolossern einen Wink darauf gibt (Kol. 4, 16) , daß sie von Laodicea aus diese Epistel am füglichsten wieder erhalten, und durch beiderseitige Mitteilung gegeneinander eine Gemeinde der anderen einen nützlichen Dienst tun können. Der Hauptzweck des Apostels in diesem Brief ist, den überschwenglichen Reichtum der allgemeinen Gnade GOttes in Christo JEsu über Juden und Heiden so anzupreisen, daß das seiner nachmaligen Hauptermahnung, als Glieder eines Leibes zusammen zu halten, schicklich den Weg bahnte. Der Vortrag geschieht, wie es dem heiligen Affekt des Apostels gemäß ist, bald unter einem Lob GOttes, bald unter Versicherung seines anhaltenden Gebets, bald unter näherer Gegeneinanderhaltung ihres vorigen elenden und jetzigen seligen Zustandes, bald unter Anführung seines Gebets um ihre weitere Stärkung. Dabei wechselt er mit den Worten: Wir und ihr, uns und euch, so bedächtlich ab, daß man daraus seine Absicht auf Juden und Heiden wohl sehen kann. Die Ermahnungen in den drei letzten Kapitel fließen auch so sanft, daß der Apostel nicht die Schärfe braucht, wie sonst gegen andere durch seinen Dienst zugerichtete Gemeinden. Die Gemeinde zu Ephesus muß auch noch ziemliche Zeit in blühendem Zustand geblieben sein, wie der Offb. 2, 1–5 an ihren Vorsteher gerichtete Brief zu erkennen gibt; und gegen das Ende seines Laufs soll sich der Apostel und Evangelist Johannis allermeist zu Ephesus aufgehalten, und sie also noch den lieblichen Umgang dieses sonderbaren Lichts genossen haben. Text: Epheser 1,1-2 Aufschrift des Briefs. Als einen Apostel JEsu Christi gibt sich Paulus an, und beweist daher sein Recht, alle Welt im Namen seines HErrn in Ansprache zu nehmen, gibt damit aber auch den Grund, warum man sich bei der Annahme seines Worts sicher halten dürfe. Auf den Willen GOttes bezieht sich der Apostel nachmals öfters als auf die Quelle alles Guten (V. 5 u. 9. u. 11) und diesem verdankt er hiermit auch sein Apostelamt; wie denn bei seiner Bekehrung die erste Frage war: HErr, was willst du, daß ich tun soll? (Apg. 9, 6) Besonders ist nachgehends der Wille GOttes dahin gedeutet worden, daß ihn GOtt unter die Heiden senden wolle (Apg. 22, 21). Heilige und Gläubige macht das Evangelium zugleich. Nämlich GOtt fordert uns durch seinen heiligen Ruf aus der Welt heraus zu einem herrlichen Eigentum JEsu Christi; und der Glaube lernt diese große Wohltat und Absicht mit uns immer völliger erkennen und genehmigen; woraus denn auch bei uns der Fleiß, der Heiligung nachzujagen erwächst. Ein Gläubiger ist schon ein Heiliger. Mein GOtt! Ich bin Dein; darum bin ich heilig. Erhalte mich im Glauben an Christo JEsu. – Das Hauptgut der Heiligen und Gläubigen ist Gnade und Friede. Das gibt vom ersten Anfang an das Leben ihres Herzens, das trägt ihnen auch ihre tägliche Nahrung und Stärke aus, und damit sind sie auch bis an das Ziel ihres Laufs ausgerüstet. Text: Epheser 1,3-7 Unter vieler Erweiterung seines Herzens im Lobe GOttes legt der Apostel die Fülle der Gnaden und Gaben aus, womit GOtt in Christo uns gesegnet hat, und zeigt dabei den tiefen Grund, aus dem Alles geflossen, und die hohe Absicht, auf die Alles eingerichtet ist. Es ist eine dem Glauben besonders eigene Demut und Dankbarkeit, daß er alles widerfahrene Gute nicht in etwas Eigenes oder in Selbstgefälligkeit verwendet, sondern durch Loben und Danken Alles auf GOtt, als zur Quelle zurückführt, eben damit aber auch im steten Bitten und Suchen, Nehmen und Finden, bleibt. Sie sollen gesegnet werden, war die Summa aller Verheißungen im Alten Testament: Er hat uns gesegnet, ist der Evangelische Ruhm über die Erfüllung dieser Verheißungen im Neuen Testament. Mit diesem geistlichen Segen in himmlischen Gütern besiegte das Evangelium die ganze Welt, und den irdischen Sinn, in welchem Juden und Heiden gefangen lagen. – Der himmlische Beruf im Evangelio und dessen gläubige Annahme, oder die irdisch gesinnte Ablehnung desselben macht noch die größte Scheidung unter den Menschen. Wo ist dein Schatz? Wo ist dein Herz? – Dies in der Zeit an uns vorgenommene Segnen richtet sich nach einer – vor der Zeit der Welt gefaßten Erwählung. Die Schrift heißt uns nirgends zuerst nach der Erwählung forschen, sondern den Beruf als Aufschluß derselben ansehen . Diesen an uns kräftig gewordenen Beruf aber macht uns die Schrift damit desto fester, daß sie versichert, was hierin in der Gnadenzeit an uns vorgehe, richte sich nach einer vor der Zeit der Welt schon gefaßten Wahl der Gnade. Bei dieser Gnadenwahl aber ist immer das allgemeine Erbarmen GOttes vorausgesetzt, nach welchem GOtt will, daß allen Menschen geholfen werde. Wer aber, wann und wie ein Jeder zu diesem in Christo bereiteten Heil gelange, das hat GOtt vorausgesehen und auch bestimmt, und darüber nach dem Wohlgefallen seines Willens eine Einrichtung getroffen. In dieser Einrichtung für die in dieser Weltzeit zum Heil gelangenden ist nicht nur ihre endliche Bewahrung zur Seligkeit festgesetzt, sondern auch die Gnade des Berufs, und alle an ihre Vollendung zu verwendende Arbeit der Gnade ausgemacht. Deswegen wird man unter der täglichen Erfahrung der Treue GOttes am sichersten in die Gewißheit der Erwählung eingeleitet. Darunter werden wir GOtt zum Eigentum und Dienst übergeben, und also heilig und unsträflich vor Ihm, und das ist ein lauteres Geschäft der Liebe GOttes. Wenn schon also die Schrift so viel dem Wohlgefallen Seines Willens einräumt; so darf uns das nicht scheu gegen GOtt machen: denn was in Christo geschieht, geschieht in der Liebe, in der vorzüglichen Liebe, uns zur Gleichheit mit dem Ebenbilde Seines Sohnes nach Kindschafts = und Erbschaftsrecht zu bringen. Hierin ist auch GOttes Ehre und unser Heil unzertrennlich mit einander verbunden; GOtt sucht seine Ehre, oder aber das Lob seiner Herrlichkeit an uns durch unsere Begnadigung. Erst an denen, die nicht seiner Gnade leben wollen, muß Er durch Offenbarung Seines gerechten Zorns suchen, was sie ihm durch Unglauben entziehen wollen. Im Alten Testament hieß es oft: GOtt tue wohl um Abrahams zc., um seines Knechtes Davids willen; nun aber geht Alles in und durch den Geliebten, der die Versöhnung für der ganzen Welt Sünde geworden ist. Hat man an Ihm einmal die Vergebung der Sünden; so hält nichts mehr den Ausfluß alles übrigen geistlichen Segens auf. Text: Epheser 1,8-12 Weiterer Ruhm von der – durch das Evangelium entstandenen gnadenreichen Zeit. Unwissenheit, Zweifel, daher kommende Furcht, unstetes Herum = und Hinumfallen von Einem auf das Andere ist eine große Plage, zieht den Menschen viel Not zu, daß sie nicht wissen, was sie glauben und tun sollen; ist daneben ein klägliches Denkmal, daß wir unter dem Baum des Erkenntnisses Gutes und Böses gefallen sind, durch die betrügliche Vorstellung: eure Augen werden aufgetan werden. Darum ist es eine große Probe von dem überfließenden Reichtum der Gnade GOttes, daß er diesen Schaden heilt, und dem Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit hilft in aller Weisheit und Verstand. Weisheit schafft Einsicht in das Vergangene und Gegenwärtige von dem, was GOtt in Sachen der Menschen getan hat. Klugheit reicht auch in das Zukünftige, wie wir im Licht zu wandeln haben, mit Gewißheit wo wir hingehen. Trug schon das Gesetz dem Volk Israel eine vorzügliche Weisheit aus, wie viel mehr die im Evangelium nun bescherte Verkündigung von GOtt. Denn das Mittel, wodurch GOttes Gnade in Weisheit und Verstand über uns ausgeflossen ist, gibt der Apostel selbst an, daß es die Kundmachung des Evangelii gewesen sei, darin uns GOtt das Geheimnis seines Willens oder den Willen wissen ließ, der zuerst zwischen dem Vater und dem Sohn verabredet worden ist, den der Sohn in Gehorsam und Leiden getan, und in welchem wir nun GOtt geheiligt und Ihm zugeführt sind, nach welchem aber auch die Gnadenordnung festgesetzt ist, daß, wer den Sohn sieht, und glaubt an Ihn, ewiges Leben habe. Dieser Wille heißt ein Geheimnis, teils überhaupt um seiner Tiefe willen, teils auch vergleichungsweise wegen der – im Alten Testament zuvor beobachteten Stille (Kap. 3, 5) . Durch den öfteren Zusatz: nach Seinem Wohlgefallen, nach dem Rat seines Willens usw. beugt der Apostel unser mißtrauisches und den Heiligen in Israel zu meistern so geneigtes Herz. O wer ist mit dieser nach GOttes Wohlgefallen gemachten Einrichtung genugsam zufrieden? Wer läßt ihm gern Macht, mit dem Seinen zu tun, was Er will? GOtt hat die Welt nicht unbereitet mit diesem vollen Licht überfallen; sondern aus vieler mit den Menschen vorgenommener Vorbereitung zum Glauben hat man abnehmen können, daß die Zeit nun erfüllt, und nach der Einrichtung GOttes das Evangelium in aller Welt gepredigt werden sollte. Was hier heißt: unter ein Haupt verfaßt werden , das heißt Kol. 1, 20 versöhnt werden, mithin deutet es an, durch Versöhnung in ein Band gefaßt, und in Frieden mit GOtt, und in Gemeinschaft untereinander gesetzt werden. Bei den allgemeinen Ausdrücken: Alles im Himmel und auf Erden, haben wir zwar keine eigenmächtige Einschränkung zu machen; aber um deswillen auch nicht gleich auf das Höchste und Äußerste zu springen, und von der Wiederbringung aller Dinge zu sagen; sondern in unserem Herzen wohl zu erkundigen, ob wir das Nähere mit festem Glauben fassen, und von dem, wie auf einer Himmelsleiter, weiter aufsteigen. Manche, die zuviel auf einmal umfassen wollen, werden an Einem wie am Anderen zuletzt irre und ungewiß. – In den gehäuften Ausdrücken: durch Ihn selbst, durch welchen, in Christo u. dergl. bezeugt der Apostel einen ungewöhnlichen Eifer und Sorgfalt, uns immer an Christum hinzubinden, und uns anzugewöhnen, daß wir doch darin unseren Ruhm einig suchen und finden, daß wir Christum angehören, oder zu seinem Erbteil gezählt sind; wir mögen hernach GOttes Wahrheit zu preisen haben, wie die von den Vätern, denen die Verheißung geschehen war, abstammenden Juden; oder GOtt mehr über Seiner Barmherzigkeit zu loben haben, wie die Heiden, die unverhofft des Gnadenberufs gewürdigt worden sind. Text: Epheser 1,13-18 Daher kommt nun der Apostel auch darauf, wie der geistliche Segen unter die Heiden gekommen sei, und was das ihm selbst auch zum fröhlichen Lob GOttes, und zur anhaltenden Fürbitte austrage. Die Predigt des Evangelii in aller Welt, oder der Ruf zur Buße und der Glaubensvorhalt an alle Menschen ist eine der wichtigsten Folgen von der allgemeinen Versöhnung, die der HErr JEsus am Kreuz gemacht hat. Es ist ein Wort der Wahrheit , an dem Jeder, der aus der Wahrheit ist, und dem es um Wahrheit zu tun ist, spürt, wie dadurch der Wahrheit aufgeholfen wird; es ist ein Evangelium unserer Seligkeit, das nicht nur Botschaft davon bringt, sondern darin auch eine Gotteskraft zum wirklichen Seligmachen liegt, durch den Glauben, wozu es das Herz neigt; und es gibt auch den Geist, der uns zu unserer eigenen Gewißheit und festem Stand in der Wahrheit gereicht, der uns aber auch gegen Andere zum Zeugnis dient, daß wir in die rechte Gnade seien zu stehen gekommen, und der uns sonderlich auch unserer Bewahrung versichert, die wir als ein erlöstes Eigentum des HErrn zu genießen haben; die wir aber zusamt der daran hangenden Krone Dem zu Füßen legen, der uns zu Lobe seiner Herrlichkeit angenommen hat. An dem Beruf der Heiden in die Gnade Christi hatte Paulus gar besondere Freude, und was er davon hörte, das zog ihn in ein eifriges anhaltendes Gebet, daß GOtt durch seinen Geist das angefangene gute Werk fortsetzen und vollenden wolle; wozu der Apostel die immer mehr geschärfte und geübte Sinnen rechnet, in die Erkenntnis GOttes und Christi und in die Hoffnung unseres Berufs; denn das hält gewiß auch zu aller Bereitschaft und Fleiß an, um dieser großen Verheißungen willen nichts an seiner Reinigung und der Vollendung der Heiligung zu versäumen. Text: Epheser 1,19-23 Nächst zuvor hat der Apostel ihnen Einsicht in die Hoffnung ihres Berufs gewünscht, nun auch in die Stärke, womit GOtt diese großen Absichten an ihnen ausführen könne und unfehlbar werde. Neben den Blicken in das Weite und in die Hoffnung unseres Berufs im Unsichtbaren und Ewigen, neben die Einsichten in die Haushaltung GOttes außer uns, ist ja nicht zurückzusetzen die Einsicht auch in die nötigen Erfahrungs = Wahrheiten von dem Gnadenwerk GOttes in uns, damit Beides zusammen seinen Zug tue, das Herz fest und voll Zuversicht und Liebe zu machen. Wenn der Mensch die Tiefe seines Falles, die Menge und List seiner Feinde, die mächtigen Hindernisse seines Heils bedenkt, so ist ihm freilich eine Einsicht in die Größe der GOttes = Macht, die an seinen und Bewahrung zur Seligkeit verwendet wird, sehr erwünscht. Am Glauben kann man es auch am eigentlichsten merken, wie GOtt seine überschwengliche Kraft anwendet, und wie der Mensch davon nicht in gewalttätiger Weise überwältigt, sondern so geneigt wird, daß es auch selbst seine Überzeugung, Liebe zum Licht, Gehorsam darunter bewähren kann. Es geht ja beim Glauben gegen die so tief in uns liegende Liebe des eigenen Lebens, gegen so viele im Weltlauf uns vorkommende Ärgernisse; darum erfordert es eine Wirkung seiner mächtigen Stärke. Diese GOttes = Kraft und ihre Wirkung an uns ist freilich noch verborgen, mit unseren Schwachheiten verdeckt, hinter dem Vorhang des Fleisches noch nicht so völlig zu beurteilen; aber an Christo JEsu ist sie schon zum Sieg ausgeführt. Nun ist Christus und sein ganzer Lauf, sein Ausgang vom Vater, sein Kommen in die Welt, sein Hingang zum Vater von seinem Herunterfahren in die tiefste Erniedrigung bis zu seinem Sitzen auf GOttes Stuhl, ein Erweis von dem, was GOttes Kraft tun kann, und eine Abbildung von dem, was sie auch an unserem Fleisch tun kann und will. GOttes Kraft wirkte freilich schon vorher in Christo auch während Seines hiesigen Wandels in der Welt, unter aller seiner Macht in Worten und Taten. Aber der Apostel beruft sich doch allermeist auf die Auferweckung von den Toten; weil dadurch eigentlich die tiefe Leidens = und Todesschmach aufgehoben, und also die Wahrheit gerettet worden ist, nach welcher Christus, wenn er sich auch zum Schmählichsten bequemt hat, doch über dem Ruhm des Herrlichsten gehalten hat, wohin es GOttes Kraft noch mit ihm bringen werde. Mit der Auferstehung aber fing das in GOtt verborgene Leben der Herrlichkeit an, und sobald die künftigen Zeugen der Auferstehung durch die nötigen Erweisungen seines Lebens unter ihnen genugsam ausgerüstet waren, so ging es ohne Aufenthalt dem Thron des Vaters zu, und dem unumschränkten Gebrauch aller Macht im Himmel und auf Erden. Dort und von dort aus wird nun Alles zur Erkenntnis seiner Oberherrschaft, zum Gehorsam, zu Vollbringung seines Willens angehalten, oder zum Abstehen vom feindseligen Toben unter seine Füße gebracht; Alles aber nach dem Vorsatz GOttes und auch nach dessen dazu gesetzten Stunden; deswegen unserm über Alles erhöhten HErrn ein köstliches Warten zugeschrieben wird (Heb. 10, 13) . Alle diese empfangene Macht und Herrschaft nun wird allermeist zum Besten der Gemeinde angewendet, mit welcher dieser über Alles zum Erben gesetzte Sohn in der genauesten Verbindung als ihr Haupt steht; von dem sie alle Belebung, Regierung und Beschützung zu erwarten hat. Diese durch das Evangelium berufene Auswahl GOttes hat vor Allem Christi Erhöhung zu genießen, als welche den Leib und Glieder dieses Haupts ausmacht, deren Leben, Wachstum, Starkwerden, Verbindung und Einigkeit von diesem Haupt erhalten wird. Die beigesetzten Worte: Die Fülle deß, der Alles in Allem erfüllt , hat Luther und nach ihm viele Andere von der Gemeinde verstanden, deswegen er das Wörtlein, nämlich eingerückt hat. Der Sinn daran wäre dieser: das Haupt und der Leib machen ein Ganzes aus; an der Gemeinde sieht man die Fülle Deß, der Alles in Allem erfüllt; Christus wendet die – in ihm wohnende Fülle der GOttheit zu Ausfertigung und Vollendung dieser seiner Gemeinde an; Er läßt sie nicht, bis Er auch Alles Wohlgefallen GOttes erfüllt, und sie untadelich, erfüllt mit allen Früchten der Gerechtigkeit, dargestellt hat. Weil es aber doch Anderen unbequem gedeucht hat, von der Gemeinde zu sagen: die Fülle Deß, der Alles in Allem erfüllt; so haben sie diesen Ausdruck als ein – auf den ganzen bisherigen Vortrag Pauli gedrucktes Siegel angesehen, womit er am Beschluß noch einmal Aller Achtung erwecken und befestigen wollte, durch die Versicherung: damit habe ich euch Alles gesagt, darin liegt die Fülle Deß, der Alles in Allem erfüllt. Wer in Glaubensgemeinschaft mit dem steht, der hat Alles. Ihr seid vollkommen in Ihm, heißt es Kol. 2, 10 ihr bedürft nichts Weiteres; was man euch außer dem anbietet, dürft ihr als entbehrlich abweisen; was euch noch nicht aufgeschlossen ist, habt ihr noch in dieser Fülle gut stehen, und GOtt wird es noch über euer Denken hinaus an euch ausführen, und sich auch euren mangelhaften Begriff davon nicht hindern lassen. Seine Einrichtung ist schon darnach gemacht, daß nichts zurückbleiben soll.
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