Psalms 119

Text: Psalm 119,1-176 Der 119. Psalm hat keine Überschrift noch anderweitige unfehlbare Anzeige, wann und von wem er gemacht worden sei. Weil so viel vom Abweichen auf falschem Weg und vom genauen Bleiben an der unverfälschten Richtschnur des göttlichen Worts darin vorkommt, so setzen ihn Manche in spätere als Davids Zeiten, weil nämlich erst durch den vielen Umgang mit fremden Völkern so eine Vermischung der Wahrheit mit Lügen unter das Jüdische Volk gekommen Sei. Er ist aber auch auf alle Zeiten hinein ein wichtiges Zeugnis von dem manchfaltigen Gebrauch und Nutzen des göttlichen Worts, wie ein Mensch GOttes dadurch vollkommen ausgerüstet und zu allem guten Wert geschickt werden kann. Zur Einteilung des Psalmen ist überhaupt so viel zu merken, daß er nach dem hebräischen Alphabet, welches 22 Buchstaben hat, in 22 Teile eingerichtet ist, So daß jedesmal 8 Verse nach einander mit einerlei hebräischen Buchstaben anfangen. Der erste Achter macht den Eingang, die 20 mittleren die Abhandlung, und der letzte den Beschluß aus. Der Eingang enthält die Summe vom ganzen Psalmen. Der Mann GOttes hat nämlich unter einem tiefen Eindruck von der Seligkeit derer, die das Wort GOttes halten, den Vorsatz und Wunsch in seinem Herzen gefaßt, daß seine Wege auch nach diesem Wort GOttes eingerichtet, und er dadurch zu einem Menschen GOttes ausgerüstet, mithin dieser Seligkeiten auch teilhaftig würde. In der Abhandlung wird hernach dieser gute Vorsatz und Wunsch ausgeführt, und da hat man aus zwei Stücke zu merken, erstlich auf die mancherlei N amen, die darin das Wort GOttes bekommt. Denn daraus sieht man, wie sich der Mann GOttes auf den güldenen Text so ernstlich applicirt und gelegt, die Materie desselben, die Art des Vortrags, die daran hängenden Siegel der Rechte und Gerichte in Belohnung und Bestrafung, die Fassung des Worts und Willens GOttes in einen Bund, in Zeugnisse und Gebote, wie er dies Alles so genau bemerkt - andern Teils aber die vielfältigen Übungen, so der Mann GOttes daraus von sich genommen, mit Beten, mit Bekenntnis und Lob, mit gehorsamem Angriff, mit Klage über sein Elend und Unvermögen, mit Erneuerung seines guten Vorhabens, mit Eifer über Andere, mit Zurückdenken ans Vergangene, mit froher Aussicht aufs Zukünftige, und was ihn jede dieser Übungen zu seinem guten Zweck gefördert habe. Demnach kommt es auf die zwei Vorteile an: Applicre dich ganz auf den köstlichen Text, und die Sache applicire ganz auf dich. Das ist: halte an mit Lesen, Betrachten, Wiederholen, Vergleichen der Worte GOttes, Alles aber, was vorkommt, laß bei dir zur Besserung des Herzens anschlagen, daß es dich ins Gebet zur Bewahrung deiner Sinne, zur Läuterung deiner Absichten, zur Verabscheuung der Welt und ihres Laufs, zum Mißtrauen gegen dein betrügliches Herz, zur sorgfältigen Anwendung der Gnade antreibe. Der Eingang: das selige Vorhaben, GOtt in Seinem Wort zu suchen, an GOtt nach seinem Wort zu hangen, und durch das Wort GOttes ein zu allein guten Werk geschickter Mensch Gottes zu werden. Das Wort GOttes treibt durch Aufdeckung unserer Mängel zum Gebet. Deswegen wer viel und ernstlich mit GOttes Wort umgeht, wird immer zum Gebet gestimmt, teils nach dem Gefühl seines eigenen Bedürfnisses, teils nach dem Glauben aus ganze Wort GOttes. Er bekennt, daß man mit der Übung im Wort GOttes früh anfangen und fleißig anhalten müsse, wenn man zu dem gewünschten Zweck kommen wolle. Mit Lust, Begierde, Freude, Verlangen, Fleiß des Herzens, es zu behalten, hat sich einer im Worte GOttes zu üben, aber auch hernach mit Bekenntnis des Mundes, mit Reden davon, mit Erzählen sich dessen anzunehmen. Er fährt fort, GOttes Beistand zu seinem guten Vorhaben zu suchen, damit er nicht von innerlichen und äußerlichen Hindernissen davon abgehalten werde. Wer freilich in die Übung in GOttes Wort hineinkommt, der findet erst die tiefen Wunder desselben, er spürt die Schwäche seiner Augen, selbige einzusehen. Und wenn dazu noch die Fremdlingsschaft in der Welt kommt, darin einem so viel Gefährliches und Betrügliches begegnen kann, so viel Exempel von Verführern und Verführten vorkommen, so viel Ansehen der Menschen, das einen erschrecken und gefangen nehmen will; so merkt man freilich, daß man sich nichts Geringes vorgenommen hat, wenn man sich vorgenommen, ein durch das Wort GOttes zu allem guten Werk geschickter Mensch GOttes zu werden. Er kommt über seinem guten Vorsatz in einen noch tieferen Kampf hinein, diese Bedrängnis aber schärft auch sein Gebet und er hält desto mehr um Erleuchtung an, und verspricht Standhaftigkeit im Wort des HErrn. Da geht es aus dem nämlichen Ton, wie in dem Kirchenlied: Ach, erheb' die matten Kräfte, Daß sie sich doch reißen los, Denke, daß ein armer Mensche Dir im Tod nichts nütze sei? Heb ihn aus dem Staub der Sünden zc. Nun aber kommen gelassene Bitten, wie noch bei einer redlichen Übung im Wort GOttes bald der Ernst und Fleiß, sich anzugreifen, vorschlägt, bald das Gefühl, wie bei unserem Unvermögen das Beste sei, nur gelassen um die Handleitungen der göttlichen Weisheit anzuhalten. Zeige mir diese Wege, unterweise mich, führe mich, neige mein Herz, sind lauter so gelassene Bitten, die zwar aus einem billigen Mißtrauen gegen sich selbst gehen, dabei man sich aber doch kindlich an GOtt und an seine Hand hinhängt: Wie die Jugend gängle mich, Daß der Feind nicht rühme sich, Er hab' so ein Kind gefället, Das auf Dich sein' Hoffnung stellet. Von da an regt sich nun ein tröstlicher Vorblick aufs Zukünftige, wie er seines Gebets noch werde froh werden, und das trägt er dankbarlich dem HErrn vor, und hält daneben mit Beten an. Da tut es einen guten Schritt mit einem, wenn es in die Bereitschaft zur Verantwortung gegen Den, der Grund fordert, hineingeht, wenn man die Scheue, die sich verborgen hält, überwindet, und Anderer Unglauben und Spötterei sich nicht vom Bekenntnis der Wahrheit abhalten läßt. Solch ein Bekennen vor den Menschen vergilt einem der HErr gleich mit einer mehreren Freudigkeit im Zugang zu Ihm Selbst und mit einer reichen Lust an seinen Geboten. Er stärkt sich, auf seinem Vorsatz zu bleiben, auch durch Rücksicht auf das Vergangene, erzählt seine Erfahrungen, die er ehemalen über die Bewahrung des Worts GOttes gehabt, und mahnt immer an bei dem lieben GOtt, um weitere Erfüllung seiner Verheißungen an ihm. Ein tröstliches Zurückdenken an die überwundenen Versuchungen ist ein trefflicher Vorteil, wenn man auch neue Anläufe zu erleiden hat, und es wird einem versichert Dergleichen hab ich schon manches mit dem Wort des HErrn abgewiesen. Dein Wort ist mein Trost in meinem Elend : ist wohl die Summe von allen Erfahrungen : durch Geduld und Trost der Schrift in seinem Elend Hoffnung haben, daran kann einem genügen. Nun stellt er neuerdings in Einfalt auf den HErrn vor, und zeigt, was ihm die Aufsicht auf das Zukünftige und der Rückblick auf das Vergangene im Gegenwärtigen für eine ruhige Fassung gebe, und wie er mit Beten, mit Untersuchung seiner selbst, mit eilfertiger Aufraffung aus der Trägheit, mit Abschneidung der Hindernisse so ihm gemacht werden, mit Gesuch der gesegneten Gemeinschaft im Guten , sich immer wieder auf seinen Vorsatz erneure. Ohne die Sorge und Frage: Wie soll ichs machen und angreifen? gar zu lang umtreiben, lieber nach jedesmaligem besten Wissen und Gewissen es angreifen, und so gut man kann, sich nicht säumen, fördert am besten. Er merkt, daß das bisherige Ringen über seinen guten Vorsatz nicht vergeblich gewesen, daß es ihm etwas zum Geschmack des gütigen Worts GOttes ausgetragen habe; er kommt darüber mit Beten und Loben vor den HErrn, der ihm viel Gutes getan, und seine innerlichen und äußerlichen Leiden so zum Besten gewendet habe. Was ist es für ein Unterschied, wenn sich einer in seiner erstmals erweckten Gutwilligkeit, GOtt zu suchen, ansieht, oder hernach dazu nimmt, aus was für Irrungen er erst hernach zurechtgeführt worden, nachdem ihn Anfechtung aufs Wort merken lehrte. Durch Demütigungen bringt einen GOtt von der eigenen Weisheit herab, V. 67. und gemeiniglich durch noch schärfere Demütigungen von der eigenen Gerechtigkeit, V. 71. Bei bisher erfahrenem guten Fortgang streckt er sich nun nach dem Weiteren aus, und faßt einen neuen Mut gegen alle noch übrigen Versuchungen, empfiehlt sich dabei GOtt an, unter der guten Hoffnung seinen Vorsatz zu erreichen. Auch für Andere, die GOtt fürchten, aber unter dem Druck vom Dienst der Eitelkeit etwa noch nicht so durchbrechen können, ist es keine geringe Förderung, wenn sie einen sehen, der sich mit Glauben, Bekennen, Üben, Hoffen, so fest an GOtt hält, und sich von keiner Hindernis niederdrücken läßt. Hier läßt sich ein neuer Kampf spüren, daß er über seinem edlen Vorhaben über GOttes Rechten zu halten noch so verhindert werde, wenigstens nicht schnellen Fortgang merke; doch bleibt ihm der Trost, daß ihn der HErr bei anhaltendem Verlangen nicht werde dahinten lassen, wie er sehnlichst bittet. Man kommt freilich oft in Umstände, wo es einem dringt zu rufen: JEsu, hilf Siegen, und laß mich nicht sinken, Wenn sich die Kräfte der Lügen aufblähn, Und mit dem Scheine der Wahrheit sich schminken, Laß mich viel heller noch Deine Kraft sehen. Man kann einem mit Lügen sein rechtschaffenes Wesen heruntermachen, und dagegen was Anderes aufbürden wollen, daß es einem zu schaffen macht. Bei erlangter neuer Stärkung faßt er einen neuen getrosten Mut, mit der unveränderlichen ewigen Wahrheit des Worts GOttes Alles zu überwinden, und ewig damit zu bestehen. Man bekommt freilich öfters zu empfinden, was man ohne das Wort GOttes, ohne den täglichen Unterricht desselben, ohne die Hoffnung des Reichs GOttes aus seinem Wort, wäre, und wie wenig Menschen und all ihr Trost an einem ausrichteten. Und es ist ganz gut, je mehr man auf den Grund zu stehen kommt. Binde doch Alle, die Dich lieben, In den Gurt der Wahrheit ein, Uns um Dich oft zu betrüben, Und in Dir nur zu erfreun. Er stärkt sich noch weiter in der Hoffnung, mit dem ewig bleibenden Wort GOttes wohl zu bleiben, durch Betrachtung, was ihm sein Bleiben am Wort GOttes bisher genützt habe, zu was für Wachstum in der Weisheit, zu welchem Geschmack und Erfahrung, zu welcher Befestigung in allem Guten er gleichwohl gekommen, ungeachtet er nicht so eilend das Ziel erreicht, wie er etwa gedacht. Was ein redliches Herz hierunter zu seinem eigenen Lob zu sagen scheint, das läuft doch eigentlich auf lauter Lob GOttes und seines Worts hinaus, als wodurch man so gelehrt, geleitet, vor bösem und falschem Weg bewahrt worden sei. Nachdem er durch so viel guten Fortgang gestärkt worden war, so wächst sein Eifer, und er macht sich durch einen Eid aufs neue verbindlich, über seinem Vorsatz zu halten, sollte es auch immer neue Proben geben. Über dem besten und ernstlichsten Vorsatz wie V. 106, kann es hintennach die schärfste Demütigungen geben, V. 1 07. damit das mit einschlagende fremde Feuer geschieden, der Mensch vor Erhebung verwahrt, und der bezeugte Ernst auf eine gemäße Probe gesetzt werde. Darüber empfiehlt man es aber desto mehr dem HErrn zum Wohlgefallen und Fördern an. Die erfahrene Demütigung bringt ihn aber nicht von seinem Vorsatz ab, sondern er bleibt auf seinem Sinn gegen GOtt und seinem Wort, auch auf seinem Eifer gegen die Verächter desselben und bittet GOtt, daß Er ihn gegen alles innere Unvermögen und äußere Anläufe schützen und Ihm den göttlichen Eifer gegen die Bösen fruchtbarlich vorstellen wolle. Der Spaß wider das Arge muß ,die Liebe zum Guten schärfen und reinigen, die Liebe zum Guten aber muß auch den Haß wider das Arge regieren und in Ordnung halten. Er legt sich nun auf anhaltendes Beten und gibt auch dazwischen immer Seinen unverrückten Sinn auf die Liebe, die Wahrheit und auf den Haß gegen Alles zu erkennen. GOtt muß einen vertreten und seine eigene Wahrheit dafür verpfänden, daß Er einen nicht wolle umkommen noch Schaden nehmen lassen, unter so vielen bösen Händen , die nach einem greifen, und das ist einem der einzige Trost der das Herz fest macht. Es reiße keine Lust noch Pein mich von der Liebe GOttes und Seines Worts hin. Nachdem ihm GOttes Wort unter allen bisherigen Versuchungen und Übungen so zum Licht und zur Kraft geworden ist, so schärft sich sein Verlangen nach dessen Eröffnung noch weiter, und auch der Eifer um die Ehre des Worts GOttes gegen die Verächter steigt. Sei mir gnädig und laß kein Unrecht über mich herrschen; vergib uns unsere Schulden, und führe uns nicht in die Versuchung: sind die zwei Hauptstücke bei einem geraden Lauf in der Wahrheit, und darin tut einem freilich das Wort GOttes treffliche Dienste, es spricht in der Sündenpein herzlich von Vergebung ein, und es bewahrt vor Versuchung zu neuen Sünden. Er preist das Wort der Gerechtigkeit und Wahrheit GOttes nachdrücklich, sowohl nach den herrlichen Eigenschaften und Kräften, die GOtt, sein Urheber, darein gelegt, als auch nach den guten Wirkungen, die es bei Ihm habe, ihn im Eifer wider das Böse und im steten Angedenken und Betrachtung der Rechte GOttes zu erhalten. GOttes Wort ist wohl geläutert, nicht zu hoch und nicht zu nieder, eben recht, überall hin brauchbar, man darf nicht erst wie an menschlichen Rechten nach Zeit und Umständen daran mehren, mindern, nachgeben, Sondern es bleibt einmal wie das anderemal dabei. Aber ein Herz kann sich auch unverändert darauf verlassen. Er merkt und bezeugt mehr und mehr, wie es ihm beim Halten an dem Wort GOttes so wohl sei, tröstet sich dessen gegen seine Verfolger und hält einmal über das andere im Gebet an , daß ihm GOtt zu immer genauerem Bewahren Seines Worts verhelfen wolle. Gnade und rechte GOttes in seinem Wort angeboten und bezeugt, sind ein tröstlicher Stab. Gnade ist das Erste, was ein zerschlagenes Herz ergreifen kann, wenn es aber davon erquickt und belebt wird, so merkt es auch, daß es eine aufs Recht gegründete, rechtlich ausgemachte und befestigte Gnade ist, und das macht das Herz noch fester. Er fährt noch weiter im Beten fort, und rühmt, was für Trost er aus GOttes Wort genossen, und stärkt, sich im Angedenken an die Barmherzigkeit GOttes die sein Schutz bleiben werde. Man kann spüren, wie die vertrauliche Freimütigkeit gegen dem Beschluß des Psalmen zunimmt, und wie die Zukehr zu GOtt vermittelst seines lieben Worts immer zärtlicher wird, wie er sich aber auch vom heillosen Zustand der Gottlosen immer ernstlicher scheidet, weil sie mit den Rechten GOttes auch alles Heil GOttes dahinten lassen. Er legt vor GOtt und Menschen dar, daß er mitten unter den Verfolgungen doch seine Ehrfurcht und Freude am Wort GOttes nicht verloren habe, Sondern in der Liebe dazu ungekränkt ausharre, und noch darauf bleibe. Fürchtet euch vor ihrem Trotzen nicht. Heiligt aber GOtt den HErrn in eurem Herzen. Dies ist auch eine aus dem Samen des lebendigen Worts GOttes erwachsene gute Frucht die mit großem Frieden und Warten auf das Heil GOttes und dessen unfehlbare herrliche Hinausführung verbunden ist. Beschluß, und in demselben die kurze Summarische Wiederholung des Psalmen womit er nochmals seinen Sinn vor GOtt bringt, und teils für sich um Unterricht, und für die Feinde um Rettung anhält, teils verspricht, GOttes Name und Wort mit Bekenntnis zu verherrlichen, teils nochmalen aufs Demütigste zu erkennen gibt, wie er bei all Seinen guten Vorsätzen und redlichem Ernst bloß der Gnade leben müsse, und seiner Schwachheit täglich bewußt sei. So wird der edle Vorsatz, durch das Wort, ein zu allem guten Werk geschickter Mensch GOttes zu werden, ausgeführt und behauptet, unter tiefer Armut des Geistes im Gefühl Seines Unvermögens, in herzlicher Liebe und Hochachtung gegen dem großen Ziel, nach welchem man sich ausstreckt, und in dessen Betrachtung man sich aufgemacht hat. So wird das Wort GOttes und die Kraft desselben ins Herz hineingebeten, und so fließt hernach das Gebet auch wieder in das ganze Tun und lassen eines Menschen ein, der sichs zu Seinem Ziel gemacht: O daß mein Leben Deine Rechte mit ganzem Ernst hielte!
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