‏ Exodus 15

Der Grund für das Lied

Zum ersten Mal ist in der Bibel von einem Lied die Rede. Es wird von einem Volk gesungen, das aus Ägypten erlöst worden und sicher auf die andere Seite des Roten Meeres gekommen ist, während die Macht des Feindes gebrochen ist. Dieses Lied wird in der Endzeit auch gesungen werden. Es wird aus dem Mund der Sieger über das Tier erklingen (Off 15:2; 3). Dies ist das letzte Mal, dass in der Bibel von einem Lied die Rede ist.

Im Leben eines Gläubigen ist das Bewusstsein, dass er von den Sünden erlöst und von der Macht der Sünde befreit ist, der erste Anlass zum Singen. Er wird dieses Lied bis in Ewigkeit als das Lied des Lammes singen. Durch das Lamm sind die Israeliten erlöst worden von ihren Feinden und sind alle Gläubigen zu allen Zeiten erlöst von ihren Sünden.

Wer der HERR ist

Das Volk rühmt sich nicht selbst, sondern den HERRN. Er hat alles getan und das Erlösungswerk vollbracht. In diesem Lied geht es zwar auch um persönliche Danksagungen für das empfangene Heil, doch in erster Linie steht der HERR im Vordergrund. Immer wieder wird hervorgehoben, wer Er ist.

Dabei kommt auch das Verlangen zum Ausdruck, Ihn zu verherrlichen, oder, wie es auch übersetzt werden kann, eine Wohnung zu machen. Dort wohnt dann nicht nur der einzelne Erlöste bei Gott, sondern er wohnt dort mit allen Erlösten; das ganze Volk darf bei Ihm wohnen (2Mo 15:13). Nicht nur die Lebenden, sondern auch die Väter, die bereits entschlafen sind, sollen an Gottes befreiendem Handeln teilhaben. Der Wunsch eines jeden, der Gott fürchtet, ist, bei Ihm zu wohnen (Ps 27:4).

Der Name Gottes kommt in seinen Taten zum Ausdruck. Das Erste, was ein Gläubiger von Gott kennenlernt, sind die Taten, die Er zu seiner Erlösung vollbracht hat. Darum besingt der Erlöste die Taten.

Der HERR rechnet mit den Feinden ab

Der Erlöste beschreibt in seinem Lied eingehend, wie der HERR mit den Feinden abgerechnet hat. Er besingt, wie der Feind ins Meer geworfen wurde, wie der HERR sie dort ertränkte und wie sie dadurch völlig vertilgt wurden. Er verherrlicht die Rechte des HERRN, die von seiner Macht spricht (2Mo 15:6; 12). Der Erlöste steht unter dem Eindruck der großen Majestät und der Zornglut des HERRN. Der Feind ist für den HERRN so wertlos wie Stoppeln, die dem Feuer preisgegeben werden.

Sein Schnauben hat die Wasser zu einem Damm aufgetürmt, sodass das Volk trockenen Fußes an das jenseitige Ufer gelangen konnte. Der gleiche Atem blies noch einmal, als der Feind den gleichen Weg gehen wollte, sodass die Wasser ihn bedeckten. Das Vernichten des Feindes kostete Ihn sozusagen nicht mehr als einen Atemhauch (vgl. 2Thes 2:8).

Der Gläubige kann heute Ähnliches in seinem Lobpreis zum Ausdruck bringen. Die Schrift spricht über die Macht des Feindes, die aber durch die überwältigende Macht des Herrn Jesus vernichtet wurde (Heb 2:14). Die Überwindung des Feindes, die Er durch sein Werk am Kreuz erlangte, gibt uns in alle Ewigkeit Anlass, Ihn zu besingen. Jeder Erlöste sollte danach verlangen, mehr und mehr den kennenzulernen, der seine Befreiung bewirkt hat, und sich vor Augen führen, was der Herr dafür getan hat. Jeder neue Aspekt seiner Größe, den man entdeckt, ist ein Grund, Ihm zu lobsingen.

Der Ausruf in 2Mo 15:11 ist verständlich. Ägypten hatte viele Götter. Hinter den Götzen verstecken sich Dämonen. Was hatten diese gegen Gottes Macht ausrichten können? Sie treten nirgendwo in der Geschichte in Erscheinung. Gott hat sich selbst in Macht verherrlicht und sich in seiner Heiligkeit gezeigt. In seiner Macht hat Er die Feinde weggefegt und in seiner Heiligkeit hat Er einen Weg gebahnt, um ein Volk zu besitzen, das bei Ihm wohnen kann und bei dem Er wohnen kann.

Die direkte Folge für das Volk

Gott erlöste das Volk durch seine Güte. Er führte das Volk durch seine Stärke. Dieser Vers steht im Perfekt, als ob Gott das Volk sowohl erlöst als auch bereits zu seiner heiligen Wohnung gebracht habe. In diesem Vers hören wir die Glaubenssprache eines erlösten Volkes (vgl. Röm 8:30). Als direkte Folge der Erlösung hat das Volk eine gewaltige Zukunftsperspektive. Im Glauben sieht es sich schon an dem Ort angekommen, den Gott hierfür ausersehen hat.

Gott hat sein Volk nicht erlöst, um es seinem eigenen Schicksal zu überlassen. Er befreite das Volk, um es danach an seinen Wohnplatz, die Stiftshütte in der Wüste, zu bringen. Damit beschäftigt sich der zweite Teil dieses Buches. Die Erlösung und Befreiung des Sünders sind nicht das eigentliche Ziel. Sie sind die erforderlichen Mittel, um zu einem Wohnplatz Gottes zu werden. Die Gemeinde bildet jetzt den Wohnplatz Gottes im Geist (Eph 2:22; 1Tim 3:15).

Die Auswirkung auf andere Völker

Es scheint so, als ob sich Mose nun im Geist zu dem Zeitpunkt versetzt, wo die Wohnung Gottes inmitten des Volkes aufgerichtet ist. Die Feinde sehen, dass Gott sein Ziel mit seinem Volk erreicht hat. Schon das Handeln Gottes zugunsten seines Volkes macht einen großen Eindruck auf die erbitterten Feinde des Volkes Gottes.

In unserem Leben als Gläubige wird der Feind erschrecken, wenn wir im Glauben verwirklichen, dass wir bei Gott wohnen. Wenn Gott unsere Wohnung ist, wenn wir als Gemeinde eine Wohnung für Ihn sind, wird das dem Feind Schrecken einjagen.

Das Ziel von Gottes Handeln

In 2Mo 15:13 spricht das Volk über Gottes Wohnung in der Wüste. Nun geht es um Gottes Wohnung im Land. Es ist die Rede von „dem Berg deines Erbteils“. Das Erbteil steht immer in Verbindung mit dem Land. Es ist auch „dein Erbteil“, das Erbteil Gottes. Gott wird sein Erbteil in Besitz nehmen, indem Er es durch sein Volk in Besitz nehmen lässt. Einmal dort angekommen, wird Er eine Wohnung, ein Heiligtum, aufrichten, den Tempel. Der Erlöste sieht auch diesen Ort im Glauben voraus, denn er spricht davon wie von einer erledigten Sache: „Das deine Hände bereitet haben.“

Das Volk Gottes, die Gemeinde, darf bei Ihm wohnen. Der Tempel ist auch ein Bild vom Vaterhaus (Joh 14:2). Dort wird die Gemeinde in Ewigkeit sein dürfen. Bis dahin stellt der Tempel ebenso wie die Stiftshütte die Gemeinde als Wohnung Gottes auf der Erde dar.

Der Tempel gehört zu einem Volk im Land. Er ist eine feste Wohnung. Die Stiftshütte gehört zu einem Volk in der Wüste. Sie ist eine transportable Wohnung. Beide Gesichtspunkte gelten für die Gemeinde. Einerseits ist die Gemeinde etwas Himmlisches. So wird sie im Brief an die Epheser vorgestellt. Andererseits befindet sie sich noch auf der Erde, auf der Reise durch die Wüste, durch diese Welt. So wird sie z. B. im Brief an die Korinther vorgestellt.

Der HERR regiert immer und ewig

Der ganze Plan Gottes mit seinem Volk, ob es sich um sein irdisches Volk Israel oder um sein himmlisches Volk, die Gemeinde, handelt, wird von Ihm vollkommen ausgeführt werden. Zur Erfüllung dieses Plans lenkt Er alles entsprechend.

Diese Tatsache ist für das persönliche Leben des Gläubigen eine große Ermunterung. Nichts entgleitet seiner Hand. Er hat für alles ein Ziel, das Er auch erreichen wird. Kein Feind kann Ihn daran hindern. Im Gegenteil, Er weiß sogar den Feind zur Erfüllung seiner Pläne zu benutzen.

Das Lied Mirjams

Nach diesem Lied wird der Blick noch einmal auf das gerichtet, was der HERR mit der Heeresmacht des Pharaos getan hat und wie die Israeliten auf dem Trockenen mitten durch das Meer gehen konnten.

Dann hören wir Mirjam. Ihr Lied ist eine Antwort auf das Lied Moses und der Israeliten. Der Prophet Micha weist neben Mose und Aaron auch auf sie hin als auf jemanden, den der HERR vor seinem Volk her gesandt hat (Mich 6:4). Wir lesen nicht, dass Mirjam irgendwann die Führung übernommen hat. Mose und Aaron sind von dem HERRN angewiesene und angestellte Führer. Aber in Mirjam sehen wir den Geist der Prophetie. Sie leitet das Volk in einem Lied, das die Antwort auf das Lied Moses und der Israeliten ist.

Mose sagte: Ich will dem HERRN singen. Mit allen Frauen in ihrem Gefolge ruft Mirjam ebenfalls dazu auf, den HERRN zu besingen. Sie gebraucht dabei die gleichen Worte wie Mose (2Mo 15:1). Sie wiederholt, was er gesungen hat. Damit sagt sie gleichsam „Amen“ zu dem Lied Moses.

So können auch wir einstimmen, wenn ein Bruder in seinem Lobpreis den Herrn erhebt, indem wir zu diesem Gebet unser „Amen“ sagen. Dabei sollte der Lobpreis an die Gefühle unseres Herzens angeknüpft haben.

Mara

Das Lied ist gesungen. Die Reise beginnt. Es war die Absicht Gottes, dass das Volk drei Tagereisen weit in die Wüste ziehen und Ihm dann ein Fest feiern sollte (2Mo 7:16; 2Mo 8:23; 24). Aber so läuft es nicht ab. Es wird kein Fest, es wird eine Prüfung. Genau das ist der Grund dafür, dass Gott sein Volk durch die Wüste gehen lässt: Sie lernen dabei, sich selbst zu erkennen und das, was in ihrem Herzen ist. Gleichzeitig lernen sie Gott kennen (5Mo 8:2). Auch heute lernt der Gläubige sich selbst nach seiner Bekehrung oft erst durch die Prüfungssituationen im Alltag kennen.

Wir könnten uns fragen, wie es möglich ist, dass das Volk schon so schnell nach dieser großen Erlösung murrt. Aber dann kennen wir uns selbst wahrscheinlich schlecht. Haben wir es noch nie erlebt, dass wir im einen Augenblick von Gottes Güte beeindruckt waren, im nächsten Moment aber meinten, Gott habe uns im Stich gelassen?

Die erste Erfahrung, die das Volk in der Wüste macht, ist, dass es kein Wasser gibt. Als sie dann den Ort erreichen, wo es Wasser gibt, zeigt sich, dass das Wasser bitter ist (Mara bedeutet Bitterkeit; vgl. Rt 1:20). Es ist nicht genießbar. Die Wüste ist das Land des Todes. Diese Lektion müssen auch wir lernen. Denn die Welt hat nichts zu bieten, was den Gläubigen erfrischen kann. Die Brunnen dieser Welt sind bitter. Nachdem wir uns daran erfreut haben, kommt immer die Enttäuschung. Nun will Gott, dass wir seine Macht nicht nur in der Erlösung kennenlernen, sondern in allen Umständen des Lebens.

Diese Prüfung bringt also ans Licht, was im Herzen des Volkes ist: Es beginnt zu murren. Murren ist ein großes Übel. In der Ermahnung des Paulus an die Korinther findet man das Murren an fünfter und damit letzter Stelle der ernsten Abweichungen Israels auf seiner Wüstenreise: „Murrt auch nicht, so wie einige von ihnen murrten und von dem Verderber umgebracht wurden“ (1Kor 10:10).

Im vierten Buch Mose sehen wir, dass Gott dieses Übel straft, weil sein Volk nunmehr auf der Grundlage des Gesetzes steht. Aber zunächst straft Gott noch nicht. Er handelt in Gnade. Er verhindert die Prüfung nicht, denn Er will uns lehren – bildlich gesehen – Christus mit in die Prüfung hineinzunehmen. Gott macht Mose auf ein Stück Holz aufmerksam. In diesem Holz dürfen wir

1. sowohl Christus selbst (vgl. Lk 23:31)

2. als auch sein Werk am Kreuz sehen (Gal 3:13; 1Pet 2:24).

Die Person Christi, sein vollbrachtes Werk am Kreuz von Golgatha, ist das Heilmittel für jede Not und jede Plage. Jesus Christus als gekreuzigt war das Heilmittel für den schlechten sittlichen Zustand, in dem sich die Korinther befanden und auch für die lehrmäßigen Abweichungen, die sich bei den Galatern zeigten. Zu Ihm mussten sie sich wieder hinwenden, mit Ihm mussten sie wieder in eine lebendige Verbindung gebracht werden.

Wo Christus in eine Prüfung hineingebracht wird, wird diese zum Segen. Das Wasser wird süß. Mit diesem Geschehen verbindet Gott eine Satzung: Er verpflichtet sich, dem Volk zu helfen und gibt dem Volk das Recht, Ihn daran zu erinnern. Gott hat das Volk geprüft und ihm gezeigt, dass sein Herz in der Prüfung auch das Gute für sie will.

Aber der Segen Gottes kann nie ohne den Gehorsam vonseiten des Volkes fließen. Gott erwartet von ihnen, dass sie auf seine Stimme hören und seine Gebote halten. Auf diese Weise sollen sie vor allen Krankheiten bewahrt bleiben, die Gott über die Ägypter gebracht hatte. Der HERR verbindet seinen Namen als Heiland mit ihrem Gehorsam.

Elim

Nach den in Mara gemachten Erfahrungen kommt das Volk jetzt zur Ruhe und erfährt Frieden in der Oase Elim. Es gibt kein Elim ohne Mara! In Elim (bedeutet: „Bäume“; damit können Terebinthen (Eichen) oder Palmen gemeint sein) trinkt Israel reichlich von dem Wasser des Lebens. Hier ist die Herde Gottes an „stille Wasser“ geführt worden und lagert „auf grünen Auen“ (Ps 23:2).

Elim, diese Oase in der Wüste, ist ein Vorgeschmack von dem verheißenen Land, der himmlischen Ruhe. Sie stellt einen großen Gegensatz zu Mara dar. An diesem Ort gibt es nur Segnungen:

1. immerhin zwölf Quellen zum Trinken, für jeden Stamm eine Quelle;

2. Schatten, den Schutz von 70 Palmen gegen die Hitze;

3. einen sicheren Lagerplatz am Wasser.

Die Zahlen zwölf und siebzig finden wir sowohl in Verbindung mit Israel als auch mit der Gemeinde. So wie es zwölf Stammväter für Israel gab, gab es auch zwölf Apostel unter den ersten Christen. Sie haben das Fundament für die Gemeinde gelegt (Eph 2:20).

Es gab siebzig Älteste in Israel, die eine besondere Stellung einnahmen (2Mo 24:1). Das ist zu vergleichen mit dem späteren Synedrium, das aus 70 Personen und dem Hohenpriester bestand. Im Neuen Testament finden wir nicht nur die zwölf Apostel, die vom Herrn Jesus ausgesandt wurden, sondern später noch die Aussendung der Siebzig (Lk 10:1).

Wir stehen noch immer auf dem Fundament, das die Apostel gelegt haben. Wir laben uns noch immer an den Brunnen, die sie uns durch das inspirierte Wort Gottes hinterlassen haben. Wir ruhen noch immer in dem Schatten und dem Schutz der „siebzig Palmen“, in denen wir ein Bild von den vielen unterschiedlichen Gaben sehen können, die der verherrlichte Herr uns aus seiner Fülle gibt (Eph 4:7-11).

Copyright information for GerKingComments