‏ John 9

Der Herr sieht einen Blindgeborenen

Johannes richtet unsere Blicke auf eine andere Begebenheit im Leben des Herrn, und zwar auf die Heilung eines Blindgeborenen. Diese Geschichte ist eine Illustration dessen, was der Herr in Kapitel 8 über das Licht gesagt hat. In der Heilung des Blindgeborenen sehen wir, wie er zum Licht kommt, sowohl im natürlichen wie auch im geistlichen Sinn. Der Herr öffnet seine natürlichen Augen und die Augen seines Herzens. Dieses Zeugnis wird verworfen. Die Juden verwerfen den Blindgeborenen, weil sie den Herrn Jesus verwerfen.

Wir lesen, dass der Herr vorübergeht und einen Menschen sieht, der von Geburt an blind ist. Das ist in geistlicher Hinsicht der Zustand jedes Menschen, und deshalb können wir diese Geschichte in vieler Hinsicht anwenden. Der Herr geht den Weg, den der Vater Ihn gehen heißt. Das ist zugleich der Weg, wo Er alle Initiative von Ihm ausgeht. Kein Mensch hat darauf Einfluss. Auf diesem Weg sieht Er diesen Menschen, der von Geburt an blind ist und den Er zu einem seiner Schafe machen will. Das Thema folgt dann ausführlich in Kapitel 10 und schließt sich inhaltlich direkt an dieses Kapitel an.

Wir sehen hier, wie alles vom Herrn ausgeht. Der Blinde ruft nicht um Hilfe. Der Herr handelt aus reiner Gnade. Die Jünger sehen den Mann ebenfalls, wahrscheinlich, weil der Herr sie auf ihn aufmerksam machte und ihnen sagte, dass dieser Mann blind geboren wurde. Sie reagieren darauf mit der Frage nach der Ursache seiner Blindheit. Aus ihrer Frage erkennt man, wie jüdisch ihr Denken noch geprägt ist.

Sie wissen aus dem Gesetz, dass Gott die Sünden der Väter an der dritten und vierten Generation heimsucht (2Mo 20:5). Auch kann man an ihrer Frage erkennen, wie wenig sie sich noch der Gegenwart dessen bewusst sind, der in Gnade anwesend ist. Die Jünger gehen von dem Gedanken einer direkten Regierung Gottes aus, wobei Gott das Böse sofort bestraft und das Gute sofort belohnt. Doch die Zeit einer direkten Regierung mit dem entsprechendem Handeln Gottes war (und ist) noch nicht gekommen. Diese verkehrte Art, zu schlussfolgern, finden wir auch bei den Freunden Hiobs. Sie sehen das Elend, das über Hiob gekommen ist, und ziehen daraus den Schluss, dass er wohl schlimm gesündigt haben muss, denn sonst hätte Gott ihn nicht so schwer gestraft.

Die Antwort des Herrn macht deutlich, dass es eine Form von Leiden gibt, die nicht Strafe oder Vergeltung bedeutet, sondern einem höheren Ziel dient, nämlich der Offenbarung der Werke Gottes (vgl. Joh 11:4). Damit der Sohn diese Werke Gottes wirkte, hat der Vater Ihn Vater gesandt. Diese Werke müssen vollbracht werden, solange es Tag ist, also solange Er auf der Erde ist. Und so lange scheint auch das Licht auf der Erde. Wenn die Nacht gekommen ist, das bedeutet, wenn Er verworfen ist, sind diese Werke nicht mehr möglich.

Niemand kann das Werk tun, das Er tut. Es werden zwar große Werke des Glaubens stattfinden, aber nicht mehr in der Kraft und der Vollkommenheit, die seine Werke kennzeichnen. Seit seiner Verwerfung ist es Nacht in der Welt (Röm 13:12). Die Gläubigen sind nicht von der Nacht (1Thes 5:5). Sie sind zwar in der Nacht der Welt, gehören aber zum Tag (1Thes 5:8). Solange Er auf der Erde ist, ist es Tag, weil Er das Licht der Welt ist. Die Finsternis hat noch nicht ihr volles Maß erreicht. Wir sind auch Lichter in der Welt, aber wir sind keine Sonne, und unser Scheinen ist ein Scheinen in der Nacht. Er wirkt, während es Tag ist.

Der Blindgeborene wird geheilt

Nachdem der Herr die Grundsätze von Tag und Nacht vorgestellt hat, macht Er sich daran, den Blinden zu heilen. Er speit auf die Erde, macht einen Brei aus dem Speichel und streicht ihn auf die Augen des Blinden. Der Brei – Erde mit Speichel vermischt – ist ein Bild des Sohnes Gottes, der Mensch geworden ist (Erde), der aber zugleich innerlich, wesensmäßig, der allmächtige Gott ist (Speichel). Speichel erinnert an Schmach und Erniedrigung, aber dies ist der Speichel des lebenden Herrn. Er gibt der Erde lebendige Kraft.

Man könnte meinen, durch den Brei auf den Augen des Blinden würde die Blindheit nur noch schlimmer. Wer im Unglauben auf Ihn sieht, kann unmöglich annehmen, dass dieser Mensch der Sohn Gottes ist. Doch wenn der Geist Gottes durch das Wort auf jemanden einwirkt, öffnen sich die Augen und wird die Wahrheit über seine Person offenbar und erkannt.

Der Herr schickt den Blinden dann zum Teich Siloam. Johannes nennt die Übersetzung des Namens Siloam: Gesandt. Das ist nicht ohne Grund. Das zeigt, dass der Mann mehr tun muss, als nur zu einem buchstäblichen Teich zu gehen. Er muss auch an den glauben, der der Gesandte ist. Obwohl der Mann den Herrn Jesus noch nie gesehen hat, gehorcht er der Stimme, die zu ihm spricht. Die Stimme muss sein Herz angerührt haben und ihm das Vertrauen gegeben haben, dass hier jemand spricht, der ihn wirklich heilen kann. Also geht er zu dem Teich und wäscht sich.

Das Ergebnis ist sofort da, denn er kommt sehend zurück. Wenn wir das geistlich anwenden, sehen wir, dass er mit dem reinigenden Wasser des Wortes Gottes seine blinden Augen wäscht und sehend wird. Mit seinen natürlichen Augen öffnen sich zugleich seine geistlichen Augen. Danach nimmt das innere Licht, seine Erkenntnis über den Sohn Gottes, schnell zu. Wie die Heilung des Gelähmten in Kapitel 5 findet auch diese Heilung völlig ohne die religiöse Elite des etablierten, üblichen Gottesdienstes statt.

Das Zeugnis gegenüber den Nachbarn

Im Abschnitt der Joh 9:8-34 hören wir nichts mehr über den Herrn Jesus. Der Herr ist hier nicht direkt persönlich einbezogen. Dennoch dreht sich alles um Ihn. Wenn Er auch nicht persönlich anwesend ist, so ist Er doch durch das Werk, das Er getan hat, gegenwärtig. Das Werk wird der Prüfstein für jeden, der damit in Berührung kommt. Sein Werk ist nicht zu leugnen. Es verlangt Zustimmung. Wer das nicht will, muss das Werk bewusst leugnen.

Das Werk, das der Herr an dem Blindgeborenen getan hat, wird zum Gesprächsthema und führt zu hitzigen Debatten und schließlich dazu, dass der Blindgeborene hinausgeworfen wird. Darin sehen wir, wie die religiösen Führer die Werke des Herrn Jesus verwerfen. In Kapitel 8 haben wir schon gesehen, dass sie seine Worte verwerfen.

Die Heilung des Blindgeborenen bleibt nicht verborgen. Für die, die ihn kennen, ist die Heilung deutlich festzustellen. Als Erstes stellen die Nachbarn die Veränderung fest. Sie können ihre Überraschung nicht verbergen. Er war vor seiner Heilung ein Bettler. So kannten sie ihn. Jetzt geht er frei herum. Er braucht seine Hand nicht mehr für ein Almosen aufzuhalten. Andere, die ihn offensichtlich nicht so gut kannten, sehen nur eine Ähnlichkeit, aber mehr nicht. Sie sind wahrscheinlich oft an ihm vorbeigelaufen, haben ihn aber niemals wirklich beachtet.

Die geöffneten Augen des ehemals Blinden haben ihm ein anderes Aussehen verliehen. Augen, in denen das Licht fehlt, sind matt und tot. Wenn dann Licht hineinkommt, wird jemand völlig verändert. Der Blindgeborene war hilfsbedürftig und ging seinen Weg bisher tastend und unsicher. Nun weiß er, wohin er geht, und er geht seinen Weg mit festem Schritt. Was die Menschen auch immer sagen, die Tatsache der Heilung ist nicht zu leugnen. Gott hat dafür gesorgt, dass es viele Zeugen gibt. Schließlich spricht der Mann selbst und sagt, dass er es wirklich ist. Es ist ein kleiner Anfang eines wachsenden und sich vertiefenden Zeugnisses, das der Mann von dem Herrn Jesus ablegt. Wachstum geschieht trotz Bedrängnis und Widerstand.

Dann wollen die Leute wissen, wie seine Augen geöffnet wurden. Das muss durch ein Wunder geschehen sein, denn es gibt dafür keine menschliche Erklärung. Der Mann legt ein einfaches und klares Zeugnis ab. Er berichtet genau, was „der Mensch, genannt Jesus“, mit ihm gemacht und zu ihm gesagt hat. Musste er einen schwierigen Auftrag ausführen? Durchaus nicht. Seine Antwort „Als ich nun hinging“ zeigt, dass es ganz einfach, aber auch folgerichtig war, genau das zu tun, was der Herr zu ihm gesagt hatte. Und siehe da das Ergebnis: Er kann wieder sehen. Für den Mann ist der Herr Jesus in diesem Augenblick noch nicht mehr als „der Mensch, genannt Jesus“, doch im weiteren Verlauf des Kapitels sehen wir, wie er Ihn besser kennenlernt.

Während die Widersacher versuchen, Christus anzuschwärzen, bewirken sie durch ihr Lästern, dass der Mann in seinem Zeugnis über den Herrn zunimmt. Das ist der Beweis, dass neues Leben vorhanden ist. Die Leute wollen wissen, wer es ist, der ihm die Augen geöffnet hat. Auf diese Frage gibt er eine ehrliche Antwort. Er weiß, was mit ihm geschehen ist, und das bezeugt er, aber wo sein Wohltäter jetzt ist, weiß er nicht.

Der Herr hat sich zurückgezogen und den Mann dabei seinen eigenen Überlegungen und seiner Umgebung überlassen, um ihn weiter auf das vorzubereiten, was noch kommt. Dadurch wird der Mann Ihn besser kennenlernen. Der Prozess, den der Mann durchlaufen muss, ist ein Prozess, der ihn von einem religiösen System lösen soll, das die Menschen für die Herrlichkeit des Sohnes Gottes blind bleiben lässt.

Die Pharisäer verhören den Mann

Weil die Menschen der Sache nicht trauen, bringen sie den Mann zu den Pharisäern. Sie sind die religiösen Führer, und wenn es etwas gibt, was an ein übernatürliches Eingreifen denken lässt, müssen sie beurteilen, aus welcher Quelle die Erscheinung kommt.

Johannes bereitet uns auf die Reaktion der Pharisäer vor, indem er berichtet, dass der Tag, an dem der Herr den Brei bereitete und die Augen des Blindgeborenen öffnete, ein Sabbat war. Auf die Frage der Pharisäer antwortet der Mann wieder mit einem einfachen Zeugnis über das, was der Herr mit ihm gemacht hat. Es ist alles ganz normal. Das Wunder ist groß, aber die Handlungen sind nachvollziehbar. Der Herr hat nicht Besonderes an ihm ausgeführt und auch keine spektakulären Handlungen von dem Mann gefordert. Die Pharisäer hören dem Mann nicht einmal zu. Sie urteilen sofort und rücksichtslos, dass „dieser Mensch“ nicht von Gott ist. Die Norm ihres Urteils ist auch einfach: Er hält den Sabbat nicht.

Das ist der typisch gesetzliche Mensch, der den anderen oder sein Werk nur anhand bestimmter Regeln beurteilt. Das macht die Sache einfach, dabei braucht man nicht nachzudenken. Gesetzliche Menschen kann man daran erkennen, dass sie Regeln auf andere anwenden, an die sie sich selbst nicht halten (Mt 23:4). Sie verschließen sich der Gnade Gottes, die über die Regeln hinausgeht.

Es gibt aber auch Pharisäer, die mit ihrem Urteil nicht so weit gehen. Sie gebrauchen ihren Verstand und sagen, dass ein sündiger Mensch doch nicht solche Zeichen tun kann. Sie sehen in der Heilung des Blindgeborenen ein Zeichen. Und das ist es auch. Die Meinungen über den Herrn Jesus sind geteilt, so wie das auch heute bei Menschen der Fall ist, die zwar eine Meinung über Ihn haben, sich aber nicht vor Ihm als dem Sohn Gottes beugen.

Gott benutzt sie in ihrer Auflehnung gegen Ihn dazu, dass der Mann ein zunehmend deutlicheres Zeugnis darüber ablegt, wer der Herr ist. Sie wenden sich erneut an den geheilten Blinden und fragen ihn nach seiner Meinung über Christus. Schließlich waren es seine Augen, die geöffnet wurden, also kann er am besten sagen, wer es ist, der das getan hat.

Einige der Pharisäer hatten von dem Herrn gesagt, dass Er „nicht von Gott“ sei (Joh 9:16). Der Mann bekennt genau das Gegenteil und bezeugt von Ihm, dass Er ein Prophet sei, das heißt, dass Er gerade doch von Gott ist. Nachdem der Mann nun die Macht des Herrn im Öffnen seiner Augen anerkannt hat, bekennt er jetzt, dass der Herr Jesus die Gedanken Gottes kennt. Durch ihre Feindschaft wird er in der Erkenntnis des Herrn noch weiter wachsen.

Die Eltern des Mannes werden verhört

Die Juden suchen nach Auswegen, um das Wunder, das nicht zu leugnen ist, doch zu entkräften. Sie glauben nicht, dass der Mann blind war. Es muss alles auf Einbildung beruhen. So rufen sie die Eltern des Mannes herbei, um sie zu befragen. Die Juden wollen von den Eltern wissen, ob er denn nun wirklich ihr Sohn ist, von dem sie sagen, dass er blind geboren wurde. Wenn das so ist, dann sollen sie bitte mal erklären, wieso er jetzt sehen kann.

Die Eltern des Mannes bestätigen, dass er wirklich ihr Sohn ist und auch, dass er blind geboren wurde. Alle Zweifel über die Person des Blindgeborenen sind ausgeräumt. Sie können jedoch nichts darüber sagen, wie er sehend geworden ist. Auch können sie nichts darüber sagen, wer das getan hat. Wenn die Juden das wissen wollen, müssen sie ihren Sohn schon selbst fragen. Er ist kein Kind mehr, sondern ein erwachsener Mann. Sie sind nicht mehr für ihn verantwortlich, um Fragen über ihn beantworten zu müssen. Er ist selbständig und kann genau berichten, was mit ihm geschehen ist.

Natürlich haben seine Eltern auch gehört, wie ihr Sohn sehend geworden ist und wer das getan hat. Sie schließen sich jedoch dem Zeugnis ihres Sohnes nicht an, weil sie Angst vor den Juden haben. Sie haben gehört, was die Juden mit jemandem tun werden, der Ihn als Christus bekennt. Dieses Schicksal wollen sie nicht erleiden. Was ihr Sohn bekennt, muss er selbst wissen, doch sie wollen nicht aus der Synagoge hinausgeworfen werden. Sie wollen weiter zu einem religiösen System gehören, das sie schützt und ihnen Sicherheit bietet, auch wenn dort die Angst regiert.

Sie empfinden wohl, dass der Mensch, der ihren Sohn geheilt hat, mehr als ein Mensch ist, so wie auch die Juden das empfinden, aber nicht anerkennen wollen. Deshalb nehmen sie Zuflucht zu einer Ausrede. Sie schieben die Verantwortung zu einem Zeugnis über den Herrn Jesus von sich weg auf ihren Sohn. Wenn die Juden es wissen wollen, mögen sie doch ihren Sohn fragen, der ist Manns genug, für sich selbst zu sprechen. Er entscheidet für sich, und das ist nicht ihre Entscheidung.

Der Mann wird erneut verhört

Der geheilte Blinde wird noch einmal herbeigerufen. Sie wollen ihn einschüchtern, indem sie ihn auffordern, Gott die Ehre für seine Heilung zu geben und nicht dem Menschen, der das getan hat, denn von Ihm wissen sie, dass Er ein Sünder ist. Sie wollen die Heilung vom Herrn Jesus abkoppeln, obwohl die Tatsache, dass Er die Heilung vollbracht hat, über jeden Zweifel erhaben ist. Ebenso ist es über jeden Zweifel erhaben, dass nur Gott diese Heilung bewirken konnte, so dass die Schlussfolgerung nur lauten kann: Er ist Gott.

In ihrem Auftrag kommt die Torheit des Unglaubens zum Ausdruck, die zugleich eine fatale Sünde ist. Es ist nämlich unmöglich, Gott zu ehren, ohne den Sohn zu ehren, so wie man das im Lauf der Zeit immer wieder tun wollte und noch immer tut (Joh 5:23). Was die Juden hier lautstark sagen, dass Christus ein Sünder sei, sagt jeder, der Ihn nur als Menschen sieht und nicht als den ewigen Sohn Gottes bekennt und ehrt.

Der Mann lässt sich von ihnen nicht einschüchtern. Er weiß noch nicht viel über den Herrn Jesus, aber dass Er ein Sünder sein soll, kann er sich nicht vorstellen. Er drückt sich noch etwas vorsichtig aus, als sei er unsicher. Er weiß aber wohl, dass er blind war und jetzt sehen kann. Dieses Zeugnis hat durch seine Einfachheit eine große Kraft. Man kann dem nichts entgegensetzen. Gegen die Logik eines völlig feststehenden Tatbestandes kann man kein einziges sinnvolles Argument vorbringen. Jemand, der frisch bekehrt ist, weiß noch nicht viel, aber das Wenige, was er weiß, kann er mit großer Sicherheit bezeugen. Jeder Versuch, das zu entkräften, ist zum Scheitern verurteilt.

Die Juden können das auch nicht leugnen, aber sie geben nicht auf. Sie müssen unbedingt untersuchen, ob es vielleicht Schwachpunkte in der Art und Weise gibt, wie der Herr Jesus das getan hat. Wieder stellen sie dazu Fragen. Hat Er besondere Handlungen vollzogen oder Worte gesprochen, wo sie Ihn packen können? So fragen sie weiter und geben dem Mann damit völlig unbeabsichtigt die Gelegenheit, ein noch deutlicheres Zeugnis auszusprechen.

Wir sehen, dass der Mann keinerlei Angst vor ihnen hat, wie das bei seinen Eltern wohl der Fall war. Unbefangen antwortet er ihnen und weist sie sogar zurecht. Er hatte ihnen doch bereits gesagt, wie alles geschehen war! Doch sie haben nicht gehört. Warum wollen sie es jetzt noch einmal hören? Oder wollen sie etwa auch seine Jünger werden? Er weiß wohl, dass sie das nicht wollen, aber ihr anhaltendes Fragen nach dem, was sie schon wissen, veranlasst ihn zu dieser ironisch gemeinten Frage.

Auch das zeigt, dass er absolut keine Angst vor ihnen hat und keine Anstalten macht, sich ihnen anzuschließen. Er hat eine lebensverändernde Begegnung mit dem Herrn Jesus gehabt und begreift, dass diese Leute nichts von Ihm halten. Seine Begegnung mit Ihm und ihre Ablehnung des Herrn zeigen, dass sie sich in zwei völlig unterschiedlichen Welten befinden, die nichts miteinander gemeinsam haben.

Hinausgeworfen

Der Hass der religiösen Führer kommt durch die in ihren Augen herausfordernden und unverschämten Worte des Mannes zum Ausbruch. Das Maß ist voll. Sie sollen seine Jünger werden?! Niemals! Sie beschimpfen ihn, dass er sein Jünger sei.

Das Zeugnis des Mannes war nicht undeutlich. Er hat jedes Mal in Einfachheit und Klarheit vom Herrn Jesus gezeugt, ohne viel von Ihm zu wissen. Eins wusste er (Joh 9:25), und das war genug für Ihn, von Ihm zu zeugen. Und das Zeugnis wurde auch verstanden. Nur wurde es verworfen. Sollte er doch sein Jünger sein, sie waren Moses Jünger.

Sie sind stolz auf ihr Wissen, dass Gott zu Mose gesprochen hat, doch sie sind blind für die Tatsache, dass Mose über Christus gesprochen hat. Von „diesem“ wissen sie nicht, woher Er kommt. Es ist eine schuldhafte Unwissenheit, weil sie nicht an Ihn glauben wollen. Das ist jetzt nach dem Zeichen der Heilung des Blindgeborenen und seinem ausgiebigen Zeugnis und all den vielen anderen Zeichen, die Herrn Jesus getan hat, wohl deutlich geworden.

Die Ursache dafür ist, dass sie nicht von ihrem eigenen Thron herabkommen wollen, um Ihn darauf Platz nehmen zu lassen. Es ist für sie undenkbar, sich vor Ihm zu beugen, weil sie auf ihre eigene Ehre und die Ehre von Menschen aus sind. Jede Einmischung in ihre eigenen Angelegenheiten beantworten sie mit Hass, Verwerfung und Mordgier. Der Herr stellt die größte Bedrohung ihrer angesehenen Stellung dar, die sie mit aller Macht behalten wollen.

Die Unwissenheit der religiösen Führer erstaunt den Mann. Wie ist es nur möglich, dass sie nicht wissen, woher Er ist? Sie sehen doch auch, was mit seinen Augen geschehen ist und dass das kein Werk des Teufels sein kann. Der Mann legt anschließend ein großartiges Zeugnis über Christus ab. Er spricht in der Mehrzahl: „Wir wissen.“ Das ist ein Wissen, das allgemein für alle Juden gilt. Sie alle wissen, dass Gott Sünder nicht hört (1Sam 8:18; Ps 66:18; Jes 1:15; Hes 8:18), sondern dass Er nur auf den hört, der gottesfürchtig ist und seinen Willen tut (Ps 34:16; Spr 15:29). Der Herr Jesus ist der vollkommen Gottesfürchtige, der allezeit den Willen Gottes tut. Daher wird Er auch von Gott erhört (Joh 11:41; 42).

Das ist auch für uns ein allgemeingültiger Grundsatz. Was der Mann sagt, ist von großer praktischer Bedeutung für unser Gebetsleben und die Erhörung unserer Gebete (vgl. Jak 5:16).

Der Mann weist darauf hin, dass es um ein Wunder geht, das in der Geschichte ohne Beispiel ist. Es ist niemals zuvor geschehen. Dieses Wunder kann doch nur jemand wirken, der gottesfürchtig ist und den Willen Gottes tut! Es kann nicht anders sein: „Dieser“ muss von Gott sein. Wenn das nicht so wäre, hätte Er überhaupt nichts tun können. Dann hätte Er nicht nur ihn nicht heilen können, sondern auch keine anderen Wunder vollbringen können. Die Schlussfolgerung ist eindeutig: Er muss von Gott sein.

Gegen die einfachen Argumente des Mannes können sie nichts mehr vorbringen. Es bleibt ihnen nichts anders übrig, als ihn als Sünder und Unwissenden abzustempeln und hinauszuwerfen. Wie wagt es solch ein Laie, solch ein Ungebildeter, solch ein Unwissender, solch ein in Sünden geborener Mann, sie zu belehren, sie, die Studierten, die Wissenden, die Theologen. Hinaus! Sie werfen ihn hinaus, hinaus aus dem Judentum, und zwar um der Wahrheit willen. In diesem System gibt es für ihn keinen Platz mehr. Er wird ausgestoßen, er wird ein Paria (Ausgestoßener) in Israel. Er kann nirgendwo mehr hin.

Doch wo landet der Mann? Draußen, jedoch in den Armen des Herrn Jesus, der die Seinen niemals hinausstößt (Joh 6:37). Der Mann erfährt, was für den Herrn Jesus schon von Beginn des Evangeliums an gilt (Joh 15:18). Was die Feinde tun, ist das, was der Herr Jesus im folgenden Kapitel das Herausrufen und sogar Herausführen seiner eigenen Schafe aus dem Hof nennt. Die Feinde werden das Mittel, um die Schafe hinauszuführen und hinauszutreiben.

Glaube und Anbetung

Nach diesem langen Prozess, den der Blindgeborene durchgemacht hat, und dem, was die religiösen Führer schließlich mit ihm gemacht haben, tritt der Herr Jesus wieder in den Vordergrund. Er hört, was mit dem Blindgeborenen geschehen ist, und sucht ihn auf. Der Herr hat alles zugelassen, um den Mann von allen religiösen Formen zu befreien und damit Er den Platz im Leben des Mannes einnehmen kann, der Ihm gebührt und wodurch der Mann wahrhaft glücklich wird.

Der Herr belehrt den Mann weiter. Er fragt ihn, ob er an den Sohn Gottes glaube. Der Mann will belehrt werden und fragt, wer denn der Sohn Gottes sei, damit er an Ihn glaube. Aus dem System des Judentums wurde er wegen seines Zeugnisses über den Herrn als seinen Wohltäter bereits hinausgeworfen. Nun muss sein Herz noch mit Ihm als dem Sohn Gottes in Verbindung gebracht werden. Dass er danach verlangt, zeigt seine Frage, wer es denn sei.

Dann offenbart der Herr sich ihm. Er weist auf sich selbst nicht nur als auf den hin, der vor dem Mann steht und den er gesehen hat, sondern mehr noch auf seine Worte. Er, der mit ihm spricht und der Worte ewigen Lebens an ihn richtet, der sich durch sein Wort vorstellt, der ist es. Dann bekennt der Mann voller Überzeugung seinen Glauben an den Herrn Jesus und kommt zur vollen Übergabe an Ihn, was sich darin äußert, dass er Ihn anbetet. Anbetung gebührt allein Gott und Christus, der Gott ist. Der Mann bekennt Ihn damit als den Sohn Gottes (vgl. Mt 2:2; 11).

Hier sehen wir den letzten Schritt in Gottes gnädigem Handeln mit dem Mann, um ihn zur vollen Erkenntnis seines Sohnes zu bringen. Es ist nicht mehr nur Dankbarkeit für das, was mit ihm geschehen ist, sondern Dankbarkeit dafür, wer Christus ist. Das öffnet die Tür zu den Segnungen, die der Herr Jesus im folgenden Kapitel entfaltet.

Der Herr Jesus spricht zu den Pharisäern

Der Herr spricht weiter zu dem Mann darüber, mit welchem Ziel Er in die Welt gekommen ist. Er tut das vor allem im Blick auf die Pharisäer, die dabeistehen. Er ist zum Gericht in die Welt gekommen. Das heißt nicht, dass Er richtet im Sinn von verurteilen, sondern um alle Dinge zu beurteilen, um alle Dinge und Menschen ins Licht zu stellen. Wo Er hinkommt, wird alles so gesehen, wie es wirklich ist. In seiner Gegenwart ist Betrug nicht möglich. Die, die blind sind und sich dessen bewusst sind, macht Er sehend. Die, die sagen, dass sehen, erweisen sich als Blinde, wenn sie mit Ihm in Berührung kommen.

Die Pharisäer, die hören, was Er sagt, fragen Ihn, ob auch sie blind seien. Sie verstehen, dass Er geistliche Blindheit meinte, aber sie stellen die Frage, ohne dass ihr Gewissen in Tätigkeit ist und mit großer Entrüstung in der Stimme. Wie wagt Er es nur, so etwas zu behaupten!

In seiner Antwort benutzt der Herr keine allgemeine Ausdrucksweise wie in Joh 9:39, sondern spricht die Pharisäer direkt an. Sie fragen Ihn danach, und Er antwortet ihnen. Wenn sie blind wären, also wenn sie sich dessen bewusst wären, dass sie Gott nicht sehen können, gäbe es Hoffnung für sie, dass ihre Augen geöffnet werden. Das würde das Bekenntnis ihrer Sünden bedeuten, wodurch ihre Sünden weggenommen würden und sie folglich keine Sünde mehr hätten. Der Mann, der blind war, kann nun sehen, aber nicht nur natürlich, sondern auch geistlich. Er ist zur Bekehrung gekommen und von seinen Sünden befreit.

Da die Pharisäer aber nun sagen, dass sie sehen, beweisen sie, dass sie ihre Blindheit nicht erkennen. Deshalb besteht für sie keine Hoffnung. Solange sie denken, dass bei ihnen alles in Ordnung ist, bleiben sie in ihrer Sünde und unter dem Gericht, das darauf ruht.

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