‏ Judges 11

Einleitung

Abimelech war der Sohn einer Nebenfrau, Jephta ist der Sohn einer Hure. Der Zustand in Israel ist so niedrig geworden, dass solch ein Mann das Instrument von Gottes Befreiung wird. Damit setzt Gott den Stempel seines Urteils auf ihren geistlichen Zustand. Er kann wegen ihres Zustands keinen Menschen von höherer Herkunft gebrauchen. Bei Jephta sehen wir keine Erscheinung des HERRN, wie bei Gideon. Es ist die Not, die Jephta auf die Bühne führt, im Auftrag der Ältesten von Gilead, die keine andere Wahl haben.

Jephta lässt uns etwas von der Reformation erkennen, als es Gott gefiel, Menschen Glauben und Kraft zu geben, die nicht immer geistlich waren, die sich aber doch für Gott als geeignete Werkzeuge für die Befreiung seines Volkes erwiesen. Der Kampf findet an der Wüstenseite des Jordan statt, nicht im Land selbst. Dieser Kampf kennzeichnete auch die Reformation. Es wurde viel Kampf geführt, um die Wahrheit der Schrift den Gläubigen bekannt zu machen, während man auch dafür eiferte, diese Wahrheiten in der Gesellschaft ihre Auswirkungen finden zu lassen: Gottes Ehre in allen Lebensbereichen.

Dabei vergaß man jedoch, dass die Gemeinde ein himmlisches Volk ist. Dieses Volk ist von Gott nicht dafür auf der Erde gelassen worden ist mitzuregieren, sondern ein Zeugnis eines verherrlichten Herrn im Himmel zu sein, der bald zurückkommen wird, um sein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens aufzurichten.

Im Leben Jephtas sind zwei Seiten zu sehen: die eines Grolls, den er durch die Behandlung, die seine Brüder ihm angetan haben, mit sich trägt, und die des Mannes, der das Wort kennt, mit dem Geist bekleidet wird und den Feind schlägt. Seine negativen Charakterzüge treten ab und zu in den Vordergrund, wie bei jedem von uns. Wer oder was jemand vor seiner Bekehrung gewesen ist; es macht danach häufig Mühe, dem nicht nachzugeben. Trotz aller Dinge, in denen Jephta ein verkehrtes Beispiel gibt, müssen wir daran denken, dass Gott ihn unter den Glaubenshelden aufnimmt, die in Hebräer 11 erwähnt werden (Heb 11:32).

Jephta

Der Name Jephta bedeutet „Er, der öffnet“. Das weist uns auf Gott hin, der geistliche Wahrheiten öffnet, offenbart, und auch das Herz öffnet, in dem diese geistliche Wahrheiten ihren Platz bekommen. Jephta ist das Werkzeug, das Gott dafür gebraucht. Wo Gottes Wort von den Ammonitern, die, wie wir sahen, die Verstandesreligion oder den Rationalismus vorstellen, verschlossen worden ist, muss jemand kommen, der das Wort wieder öffnet.

Jephta kommt aus Gilead, also aus Manasse. Er ist ein aus Unzucht geborenes Kind, aber er ist das von Gott dazu auserwählte Instrument, gegen einen Feind zu kämpfen, der auf dieselbe Weise wie er geboren ist. Zuerst wird seine Qualität erwähnt: Er ist ein tapferer Held. So wurde auch Gideon in den ersten Worten, die Gott zu ihm sprach, genannt (Ri 6:12). Danach wird seine Herkunft erwähnt: Er ist der Sohn einer Hure. Jephta konnte nichts dafür, dass er der Sohn einer Hure war. Das kam durch die Sünde seines Vaters. Das bereitete ihm eine unglückliche Jugend, die ihn zugleich für den Dienst formt, für den Gott ihn später gebrauchen kann.

Gott macht oft von den Menschen Gebrauch, die von anderen nicht besonders geschätzt werden. Abweisung ist vielleicht die wohl schmerzlichste Erfahrung, die ein Mensch in seinem Leben machen kann. Doch wer damit in Gemeinschaft mit Gott umzugehen lernt, wird immer mehr dem Herrn Jesus ähneln und wird dadurch zu einem Instrument, das Gott gebrauchen kann.

Der Herr Jesus ist der große Abgewiesene gewesen, als Er auf der Erde war, und Er ist es für die Welt noch immer. Jephta wurde von seinen Brüdern verstoßen, so wie auch der Herr Jesus von seinen Brüdern verstoßen wurde. Auch Er wurde wegen seiner niedrigen Geburt verachtet. Die Menschen sagten von Ihm: „Ist dieser nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria?“ (Mk 6:3). Es ist sogar darauf angespielt worden, dass Er aus Hurerei geboren wäre (Joh 8:41).

Der wahre Grund dafür, dass Jephta verstoßen wurde, war die Habsucht seiner Brüder. Wenn er in der Erbe teilen würde, würde er das Erbteil für sie kleiner machen. Die Habsucht nach Ruhm und Ehre ist auch heute noch ein Grund, weshalb jemand verworfen wird. Religiöse Führer verwarfen den Herrn Jesus, und religiöse Führer verwerfen immer noch jeden, der durch die Verkündigung der Wahrheit ihre angesehene Position in Gefahr bringt. Was für religiöse Führer gilt, gilt auch für jeden. Wir wollen jemanden los sein, der uns die Wahrheit Gottes vorhält, wodurch wir etwas aufgeben müssten, während wir dazu nicht bereit sind.

Jephta lehnt sich nicht auf. Er hätte seine Kraft dazu gebrauchen können, um zurückzuschlagen. Er war doch ein tapferer Held? Er flieht und sucht seine Zuflucht in Tob, das „Güte“ bedeutet, wobei wir an die Güte des HERRN denken könnten. Dort wird er weiter auf den Dienst vorbereitet, zu dem Gott ihn berufen wird. Eine solche Vorbereitung als Folge der Verwerfung finden wir auch bei Mose und David. In Tob kommen allerlei Männer zu ihm, die auch keine Heimat haben. Dasselbe lesen wir in der Geschichte Davids (1Sam 22:1-4). Durch ihre Verbindung mit Jephta werden auch diese Männer tapfere Helden.

Jephta als Anführer gefragt

Die Anfangsverse dieses Kapitels bilden eine Art Zwischensatz: Sie teilen uns etwas über Jephta mit. Ri 11:4 schließt bei dem vorherigen Kapitel an (Ri 10:17; 18). Nach den vorbereitenden Handlungen bricht der Kampf los. Die Ammoniter beginnen Krieg gegen Israel zu führen. Die Ältesten von Gilead sehen sich vor ein großes Problem gestellt: Es gibt immer noch niemand, der sie in dem Kampf gegen die Ammoniter anführen kann. Sie sehen nur noch eine Möglichkeit, und die besteht darin, Jephta zu fragen.

Durch die Umstände gezwungen, sind sie bereit, den Mann, den sie gehasst und wegen seiner geringen Herkunft verworfen haben, jetzt wegen seiner Qualitäten als ihren Führer anzuerkennen. So ist es auch mit dem Glauben an den Herrn Jesus als den einzigen Retter. Erst wenn ein Mensch keine einzige Aussicht mehr hat, nimmt er seine Zuflucht zu Ihm. Die Not bringt jemanden dazu, Ihn in Anspruch zu nehmen.

Bevor Jephta auf ihre Bitte eingeht, erinnert er sie daran, wie ungerecht er von ihnen behandelt worden ist. Es ähnelt ein wenig dem, was Joseph mit seinen Brüdern tut. Die Brüder haben ihn nach Ägypten verkauft. Gott lenkt alles so, dass Joseph dort der zweite Mann nach dem Pharao wird. Als die Brüder, vom Hunger genötigt, später zu Joseph kommen, handelt Joseph hart mit ihnen. Er will die Brüder zu der Einsicht bringen, dass sie verkehrt gehandelt haben, so dass sie dies bekennen werden und er ihnen vergeben kann (1. Mose 42–45).

Dennoch scheint ein Unterschied zwischen Jephta und Joseph zu bestehen. Joseph hat alles aus der Hand Gottes angenommen, doch bei Jephta scheint das nicht so sehr der Fall zu sein. Er beschuldigt sie einer üblen Behandlung. Er hat in all den Jahren nicht vergessen, was sie ihm angetan haben, und wirft ihnen das vor die Füße.

Auch wir können manchmal schwer eine schlechte Behandlung, die wir erfahren haben, vergeben und vergessen. Sie tritt, manchmal erst Jahre später, unter bestimmten Umständen wieder in den Vordergrund. Ein Beispiel: Jemand bekommt gesagt, dass er für bestimmte Dienste nicht mehr benötigt wird. Es kann sich um alle Dienste handeln, aber lasst uns annehmen, dass es um einen Küsterdienst geht. Ein anderer meldet sich dafür, es zu übernehmen. Der Küster kann sich an die Seite gesetzt fühlen. Wenn man ihn später wieder in Anspruch nehmen will, ist es schwierig, nicht mehr an das zurückzudenken, was früher geschehen ist.

Ein anderes Beispiel ist, dass wir für einen bestimmten Dienst übergangen werden, während wir finden, dass wir doch über beste Fähigkeiten dafür verfügen. Ein anderer erhält jedoch den Vorzug. Wenn dieser andere ausfällt und wir dazu eingeladen werden, die erste Wahl zu ersetzen, kann leicht der Gedanke aufkommen, dass wir nicht mit uns spielen lassen und dass jetzt auch ein anderer gesucht werden müsse. Zweite Wahl zu sein ist oft schwer zu verdauen.

Jephta zum Anführer ernannt

Die Verhandlungen über Jephtas Position sind noch nicht abgeschlossen, als Jephta seine Beschwerden über die Vergangenheit geäußert hat. Die Ältesten von Gilead setzen ihre Versuche, Jephta zu überreden, ihr Führer zu werden, fort. In der Einleitung zu diesem Buch ist gesagt, dass wir in den Richtern ein Bild der Aufseher oder Ältesten sehen können, von denen im Neuen Testament die Rede ist. Wir sehen nirgends, dass sie dazu überredet werden mussten, Aufseher zu werden. Es ist eine Sache der Freiwilligkeit. „Hütet die Herde Gottes, [die] bei euch [ist], indem ihr die Aufsicht nicht aus Zwang führt, sondern freiwillig, auch nicht um schändlichen Gewinn, sondern bereitwillig, und nicht als solche, die über ihre Besitztümer herrschen, sondern die Vorbilder der Herde sind“ (1Pet 5:2; 3).

Wir finden in diesem Vers einige Aspekte, die Jephta hätte mehr berücksichtigen können. Aber lasst uns bedenken, dass diese Tatsache auch für uns gilt. Wir können von Jephta viel lernen, auch, wie es nicht sein soll. Es geht also nicht darum, „schnell“ anzudeuten, wo Jephta überall Verstöße beging. Wir müssen bei dem, was wir von Jephta lernen wollen, immer daran denken, dass Gott ihm in Hebräer 11 einen Platz inmitten der Glaubenshelden gegeben hat (Heb 11:32).

Bei Jephta sehen wir, dass er nur helfen will, wenn sie ihn als ihren Führer akzeptieren. Das ist nicht das Kennzeichen eines Führers nach Gottes Gedanken. Ein echter Führer ist bereit, sobald Gefahr für sein Volk droht; ungeachtet dessen, ob er gefragt wird oder ob er akzeptiert wird, sich direkt einzusetzen.

Es geht Jephta auch nicht einmal so sehr darum, Anführer in dem Kampf zu sein, sondern er will auch Führer sein, nachdem er den Sieg errungen hat. Es scheint so, als ob Jephta aus einem persönlichen Gekränktsein heraus zu den Ältesten von Gilead spricht. Doch es ist auch schön zu sehen, dass er vor seinem Sieg über die Ammoniter nicht auf seine eigene Kraft baut. Er lässt seine Abhängigkeit von Gott deutlich zutage treten, als er sagt: „Und der HERR sie vor mir hingibt.“

Die Ältesten von Gilead stimmen Jephtas Vorschlag zu und antworten mit einem Eidschwur, dass sie sich an ihre Absprachen halten werden. Seinerseits erklärt Jephta, dass er sich an die Absprache halten wird, indem er den HERRN zum Zeugen von allem, was er gesagt hat, macht. Das scheint die Bedeutung dieser Worte zu sein: „Und Jephta redete alle seine Worte vor dem HERRN in Mizpa“, und nicht so sehr, dass Gott mit allen Aussprüchen Jephtas einig war.

Der erste Kontakt mit dem Feind

Jephta beginnt seine Begegnung mit dem König von Ammon, indem er eine deutliche Scheidelinie zwischen Israel und seinen Feinden zieht. Das kann unverträglich scheinen, aber es ist die einzig richtige Weise, um mit diesem Feind umzugehen. Ammon bedeutet in geistlichem Sinn: Irrtum über das, was Gott gesagt hat. Jede Form des Kompromisses ist hier völlig fehl am Platz.

Darum kann niemals auf freundschaftlicher Basis mit modernen Theologen umgegangen werden, die den menschlichen Verstand als Grundlage dafür nehmen, die Autorität der Bibel zu beurteilen. Solchen Menschen muss deutlich gemacht werden, dass sie kein Teil an der Beziehung haben, die zwischen Gott und seinem Volk besteht. Wie freundlich solche Menschen auch wirken können, im Grunde sind sie große Feinde des Volkes Gottes. Unwissenheit können wir ertragen, Feindschaft nicht.

Die Reaktion lässt nicht lange auf sich warten. Der König von Ammon bekräftigt seinen Anspruch auf das Land, indem er auf die Geschichte verweist. Er lässt noch eine freundliche Geste folgen: Sie können das Land freiwillig zurückgeben; dann braucht Israel nicht zu befürchten, dass er Gewalt anwenden könnte. Es klingt so annehmbar.

Wenn Jephta die Geschichte des Volkes Gottes nicht gekannt hätte, wäre er wahrscheinlich den Argumenten erlegen. So ergeht es heute vielen: Sie fallen dem schönen Geschwätz moderner Theologen zur Beute, weil sie selbst nicht in der Bibel lesen. Sie kennen das Wort Gottes nicht und werden „hin und her geworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre, durch die Betrügerei der Menschen, durch Verschlagenheit zu listig ersonnenem Irrtum“ (Eph 4:14).

Jephtas zweites Gespräch mit dem König von Ammon

Jephta kennt die Geschichte von Gottes Volk ausgezeichnet. Er ist wohl bekannt mit Gottes Handeln mit dem Volk in der Vergangenheit. Er geht zurück auf den Ursprung, auf das, was „von Anfang an“ ist (1Joh 1:1; 1Joh 2:13; 14; 24). Johannes schreibt im Blick auf bestimmte Irrlehren, die die Wahrheit über Christus – dass Er wahrhaftiger Gott und wahrhaftiger Mensch in einer Person ist – angreifen. Dann kann man nichts Besseres tun, als auf das zurückzugehen, was am Anfang von Gott mitgeteilt worden ist. Was uns von Anfang an von Gott anvertraut worden ist, müssen wir bewahren und verteidigen, doch dann müssen wir diese Worte gut kennen. Die beste Weise, einen Konflikt mit „Ammon“ aufzulösen, besteht darin, ein Kapitel aus der Bibel vorzulesen.

Bei allem, was Jephta von Israels Geschichte hervorhebt, sehen wir die Unterwürfigkeit dem gegenüber, was Gott gesagt hat. Er erzählt die Geschichte so, wie sie in Wirklichkeit stattgefunden hat und wie Gott sie hat niederschreiben lassen. Er kannte seine „Bibel“ gut und kannte sich in 4. Mose 21 und 5. Mose 2 und 3 aus, wo geschrieben steht, dass Israel dieses Gebiet von den Amoritern und nicht von den Ammonitern eroberte (4Mo 21:21-25; 5Mo 2:24; 33; 5Mo 3:1-10). Die Amoriter und die Ammoniter sind zwei verschiedene Völker, auch wenn die Namen einander noch so sehr ähneln. Gott hatte Israel verboten, durch das Gebiet der Ammoniter zu ziehen, und daran haben sich die Israeliten gehalten (5Mo 2:37).

Die Schlussfolgerung Jephtas ist einleuchtend: Der HERR, der Gott Israels, hat seinem Volk das Land gegeben, und sie hatten es in Besitz genommen (Ri 11:23). Dasselbe gilt für uns. Auch wir dürfen und müssen in Besitz nehmen, was Gott uns an geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern gegeben hat und uns diese nicht rauben lassen. Jephta fordert den König von Ammon heraus, in Besitz zu nehmen, was ihre Götter ihnen geben und macht die Meinungsverschiedenheit so zu einem Kampf zwischen Gott und den Götzen.

Das letzte Argument, das er gebraucht, gründet sich auf die Anzahl der Jahre, die Israel in dem umstrittenen Gebiet gewohnt hat. Balak, der König von Moab, hat versucht, sich Israels zu entledigen, indem er Bileam anheuerte und durch ihn das Volk Gottes verfluchen lassen wollte (4Mo 22:1-7). Dieser Versuch war missglückt, und in den 300 Jahren, die danach verstrichen sind, ist nie ein Versuch unternommen worden, um die durch Israel von den Amoritern eroberten Städte zu befreien. Das Recht Israels auf diese Städte ist während dieser ganzen Zeit unumstritten geblieben. Und sollten sie dieses Gebiet dann jetzt aufgeben müssen? Davon kann nicht die Rede sein!

Schlussfolgerung des Gespräches

Jephta gelangt unzweideutig zu dieser Schlussfolgerung: „Nicht ich habe gegen dich gesündigt, sondern du tust übel an mir, gegen mich zu kämpfen.“ Das Gespräch mit dem König von Ammon ist zu Ende. Jephta übergibt die Sache der Hand des HERRN, damit Er als Richter zwischen beiden Völkern auftreten kann. Er wartet nicht auf Antwort, weiter zu reden hat keinen Sinn. Er überlässt dem Herrn das letzte Wort: „Der HERR, der Richter, richte heute zwischen den Kindern Israel und den Kindern Ammon!“

Jephta hat den überzeugenden Beweis von Israels Recht auf das Land aufgrund des Wortes Gottes geliefert. Doch der König von Ammon will nicht hören. Dann kommt „der Geist des HERRN über Jephta“ und er zieht in den Kampf. Es besteht kein Zweifel darüber, dass er den Kampf für eine gerechte Sache aufnimmt. Jedem, der seine Darlegung gehört hat, ist damit Mut zugesprochen worden. Es geht um einen Kampf, der vollkommen im Sinne von Gottes Wort ist. Dadurch besteht Jephtas Ansprache vor dem König wirklich aus „aufpeppenden Worten“, die eine große Ermutigung für alle darstellen, die mit ihm in den Kampf ziehen.

Jephtas Gelübde

Bevor Jephta den Kampf tatsächlich aufnimmt, tut er etwas, das nicht nötig ist. Er schließt eine Art Abkommen mit Gott ab und verpflichtet sich dadurch, etwas zu tun, dessen Folgen er nicht übersieht. Damit deutet er an, dass er sowohl Gott als auch sich selbst nicht gut kennt. Von Jakob lesen wir auch etwas Derartiges (1Mo 28:20-22). Jephta, der gezeigt hatte, dass er die Geschichte des Volkes Gottes ausgezeichnet kannte, zieht keine Lehre aus dem, was Jakob getan hat.

Indem er ein Gelübde tut, verhandelt er, genauso wie Jakob, in der Tat mit Gott und deutet damit an, dass er nicht bedingungslos auf Gott vertraut. Indem er ein Gelübde tut, erachtet er sich selbst, genau wie Jakob, dazu in der Lage, das zu tun, was er versprochen hat, ohne sich des wirklichen Inhalts seines Gelübdes bewusst zu sein. Er ist beim Abschluss dieses Abkommens mit Gott zu schnell gewesen. Wenn er einigermaßen darüber nachgedacht hätte, hätte er wohl kaum erwarten können, dass ein Ochse oder ein Schaf ihm aus seinem Haus entgegenkommen würde. Er ist also eines zu schnell ausgesprochenen Gelübdes schuldig. Mehrfach wird vor solchen Aussprachen gewarnt (Spr 20:25; Pred 5:1).

Es sind in der Bibel auch gute Gelübde abgelegt worden, wie zum Beispiel das Gelübde von Hanna (1Sam 1:11). Das ist ein Gelübde, das aus einer guten geistlichen Gesinnung hervorgeht, und es wird im Blick auf die Ehre, die Gott inmitten seines Volkes zukommt, abgelegt. Hanna verlangt danach und wünscht, dass ihr Kind das Werkzeug dafür sein darf.

Gott gibt Jephta einen Sieg von großem Umfang. Gott hat seinen Teil des Abkommens auf überzeugende Weise erfüllt. Die Siegesnachricht wird schnell verbreitet, und als Jephta zu Hause ankommt, kommt seine Tochter ihm entgegen. Sie ist sein einziges Kind. Dies erinnert an das, was Gott zu Abraham über dessen Sohn sagt: „Deinen Sohn, deinen einzigen, den du lieb hast“ (1Mo 22:2).

Die Reaktion Jephtas ist herzzerreißend. Er hat sein Gelübde nicht vergessen, wird sich aber plötzlich der verhängnisvollen Folgen seines undurchdachten Redens bewusst. Es scheint so, als ob er zunächst seiner Tochter die Schuld dafür gibt, dass er sein Gelübde auf diese Weise einlösen muss. Er nimmt es ihr übel, dass sie ihm als Erste entgegenkommt und tadelt sie dafür, dass sie ihn ins Unglück stürzt.

Das Gelübde, das er getan hat, ist für ihn unwiderruflich. Er kann es nicht widerrufen, das ist für ihn jedenfalls nicht möglich. 3. Mose 5 gibt ihm die Möglichkeit, seine unbesonnenen Worte zu widerrufen und diese als Sünde zu bekennen (3Mo 5:4; 5). Allerdings hätte er dann ein Schuldopfer bringen müssen (3Mo 5:6). Dass er das nicht tut, lässt etwas von dem Charakter Jephtas erkennen. Einerseits zeigt es, dass er ein Mann mit Charakter ist: Er steht zu seinen Worten. Andererseits lässt es erkennen, dass er ein Mann mit unbeugsamen Grundsätzen ist. Wir sehen dann in Jephta jemanden, der nicht bereit ist, sein Gesicht zu verlieren, oder, um es modern auszudrücken, „sich zu blamieren“.

Dies kennzeichnet viele gesetzliche Menschen. Die konsequente Haltung dieser Menschen kann Respekt abnötigen, solange sie diese Haltung auf sich selbst anwenden. Sobald sie ihre Prinzipien jedoch anderen Menschen aufzuerlegen beginnen, richten sie viel Schaden bei dem anderen an. Sie opfern manchmal Frau und Kinder, nur um ihre gemachten Versprechen einlösen zu können und fügen ihnen geistlich viel Schaden zu, weil sie um des Gesichtsverlustes willen nicht zu schnell ausgesprochene Gelübde widerrufen wollen. Das folgende Kapitel wird diesen Charakterzug Jephtas bestätigen.

Es ist übrigens bemerkenswert, dass die Bibel selbst sich nicht wertend über die Handlungsweise Jephtas äußert. Was hierüber zum Ausdruck gebracht ist, ist also eine Anwendung. Dazu kommt, dass es undeutlich ist, ob Jephta seine Tochter buchstäblich geopfert hat, oder ob es bedeutet, dass sie unverheiratet geblieben ist. In dem folgenden Abschnitt wollen wir das betrachten.

Bei der Tochter Jephtas tritt eine wunderbare Gesinnung ans Licht. Sie unterwirft sich völlig ihrem Vater und unternimmt keinen Versuch, um ihn auf andere Gedanken zu bringen. Sie spornt ihren Vater dazu an, das getane Gelübde einzulösen, auch wenn das auf Kosten ihrer selbst geschieht. Darin ist sie ein schönes Vorbild auf Christus hin, der sich auch vollkommen dem Weg unterwarf, den Er von seinem Vater aus gehen musste. In der Geschichte in 1. Mose 22 sehen wir in Isaak denselben Hinweis auf den Herrn Jesus (1Mo 22:1-10).

Wie hat Jephta sein Gelübde vollzogen

Über die Frage ob Jephta seine Tochter buchstäblich geopfert hat, haben sich viele Bibelausleger den Kopf zerbrochen. Die niederländische Herziene Statenvertaling übersetzt Ri 11:40 folgendermaßen: „Jahr für Jahr gehen die Töchter Israels hin, um mit der Tochter Jephtas, des Gileaditers, zu sprechen, vier Tage im Jahr.“ Das bedeutet, dass sie am Leben geblieben ist, weil jedes Jahr mit ihr gesprochen werden kann.

Eine kleine Blütenlese dessen, was geschätzte Bibelausleger hierüber zum Ausdruck gebracht haben, lässt erkennen, dass es schwierig ist, eine eindeutige Antwort auf diese Frage zu geben.

Henri Rossier: Sie würde ihr ganzes Leben als eine Abgesonderte verbringen müssen, und kein Mann sollte mit ihr Gemeinschaft haben, so dass sie allezeit kinderlos bleiben würde. In diesem Sinn sollte sie als eine Tote weiterleben.

William Kelly: Er opferte seine Tochter, nach seinem fest entschlossenen, unbeugsamen Geist. Die heilige Weisheit der Schrift vermeidet die Einzelheiten über eine Tatsache, die so sehr im Gegensatz zu den Gedanken Gottes steht.

Frederick William Grant: Mit Bezug auf Jephtas Gelübde: Es scheint Übereile und Versagen damit verbunden zu sein, aber sicher nicht das Menschenopfer, das viele unterstellt haben. Die meisten neueren Kommentatoren stimmen darin überein und glauben, dass seine Tochter einfach Gott geweiht wurde, um ein unverheiratetes Leben zu führen, wie die Ri 11:37-39 deutlich zeigen.

Martin Luther: Manche sind der festen Überzeugung, dass sie nicht geopfert wurde, doch der Text ist zu deutlich, um diese Auslegung zuzugestehen.

Kurtz, in Sacred History: Beweise für ein buchstäbliches Opfern sind in der Verzweiflung des Vaters, der großmütigen Ergebenheit der Tochter, dem jährlichen Gedächtnis und der Trauer der Töchter Israels und in der Geschichte des Schreibers selbst zu finden, der nicht dazu in der Lage ist, das schreckliche Schauspiel deutlich und klar zu beschreiben, das er zur gleichen Zeit sowohl mit Bewunderung als auch mit Abscheu betrachtet.

Edersheim: Die großen jüdischen Kommentatoren des Mittelalters haben, im Gegensatz zum Talmud, darauf hingewiesen, dass die beiden Ausdrücke in Ri 11:31 („dem HERRN gehören“ und „als Brandopfer opfern“) nicht identisch sind. Niemals wird von einem tierischen Brandopfer gesagt, dass es „für den HERRN sein soll“, aus dem einfachen Grunde, dass ein Brandopfer das als solches bereits ist.

Doch wenn es um Menschen geht, die dem HERRN geopfert werden, dann wird dieser Ausdruck wohl gebraucht, wie im Falle der Erstgeborenen von Israel und von Levi (4Mo 3:12; 13). Aber in diesen Fällen wird nie vermutet, dass es um ein buchstäbliches Menschenopfer geht. Wenn die liebende Tochter sich selbst dem Tod geweiht hätte, dann ist es beinahe unverständlich, dass sie wünscht, die zwei Monate, die ihr von ihrem Leben übrigblieben, nicht mit ihrem im Herzen gebrochenen Vater zu verbringen, sondern in den Bergen mit ihren Freundinnen.

Samuel Ridout: Ich bin nie in der Lage gewesen, meine Gedanken über die Tatsache zu verändern, dass Jephta mit seiner Tochter das getan hat, was jeder einfältige Leser, der diesen Abschnitt liest, glaubt, dass er es getan habe. Er gibt sich als ein strenger, selbstgerechter Mann zu erkennen, der später guten Gewissens 42.000 seiner israelitischen Brüder tötet. Solch ein Mann ist auch dazu in der Lage, seine eigene Tochter buchstäblich zu opfern. Er hatte das Schwert gezogen, um die Ammoniter zu schlagen, er tötete seine Tochter, weil er es gelobt hatte, und tötete seine Brüder. Freund und Feind erfahren dieselbe Behandlung.

Persönlich neige ich dazu, zu denken, dass Jephta tatsächlich seine Tochter geopfert hat. Das ist der Eindruck, den ich bekomme, wenn ich den Text so lese, wie er dort steht. Wir lesen, dass er das Gelübde, das er gelobt hat, an ihr „vollzog“. Das deutet meiner Meinung nach darauf hin, dass er eine konkrete Handlung durchgeführt hat.

Nach dieser Blütenlese verbleibt noch eine Bemerkung über den letzten Vers dieses Kapitels. Wenn man jährlich der Tochter Jephtas gedachte, wie viel mehr ist der Herr Jesus wert, dass man an jedem Tag und insbesondere am ersten Tag der Woche seiner gedenkt.

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