Acts 19:21-31

Jerusalem und Rom

Nun kommt die Zeit, wo Paulus von Ephesus Abschied nimmt. Er hat einen anderen Plan. Jerusalem beschäftigt ihn, wo er gern am Pfingstfest teilnehmen will (Apg 20:16). Er denkt sogar noch weiter. Er will, nachdem er in Jerusalem gewesen ist, auch nach Rom. Dorthin wird er auch kommen, jedoch anders als er denkt, nämlich als Gefangener. Hier beginnt seine Reise dorthin, und am Ende der Apostelgeschichte ist er dort als Gefangener. Jerusalem und Rom sind die beiden Orte, zwischen denen sich dieses Buch nun abspielt. Er sehnt sich danach, das Wort in das Herz der Heidenwelt zu bringen, wie er es bereits in das Herz der religiösen Welt gebracht hatte.

Er will nach Jerusalem wegen der brennenden Liebe zu seinem Volk. Zwei von denen, die ihm dienten, schickt er schon einmal voraus, während er selbst noch eine Zeit lang in Asien bleibt. Von den beiden, die er vorausschickt, kennen wir Timotheus. Der andere, Erastus, ist uns unbekannt. Erastus wird, ebenso wie Timotheus, von dem Apostel unterwiesen worden sein. Gemeinsam gehen sie nach Mazedonien, wahrscheinlich nach Korinth, wo sie als seine Repräsentanten, die von dem Apostel empfangene Unterweisung weitergeben konnten. Vielleicht haben sie den ersten Brief mitgenommen, den Paulus den Korinthern in dieser Zeit geschrieben hat.

Demetrius entfesselt einen Aufruhr

Während Paulus Vorbereitungen für seine Reise nach Mazedonien trifft, entsteht ein großer Aufruhr in Ephesus. So wie in Philippi kommt dieser Aufruhr nicht aus jüdischer, sondern aus heidnischer Quelle. Lukas beschreibt ausführlich und lebendig seinen Verlauf. Vielleicht tut er das, um zu zeigen, dass es neben einem inneren Drang, nach Jerusalem zu gehen, auch einen äußeren Anlass gab, Ephesus zu verlassen. Der Aufruhr entsteht über „den Weg“. Mit dem Weg wird hier der christliche Glaube bezeichnet, der von denen verbreitet wird, die zum Glauben an den Herrn Jesus gekommen sind. Diese Verbreitung des Glaubens geschieht nicht so sehr durch Worte, sondern vielmehr durch Taten, durch einen Wandel auf dem Weg des Glaubens.

Das Leben vieler in Ephesus hat sich dadurch, dass sie dem Herrn Jesus konsequent nachfolgen, völlig verändert. Das spürte Demetrius an seinem Portemonnaie. Durch die vielen Bekehrungen lief sein Geschäft nicht mehr so gut. Die Nachfrage nach seinen silbernen Tempelchen nahm rapide ab. Das machte seinen tief verwurzelten Hass gegen das Evangelium offenbar. Das ganze System, das ihm Wohlstand brachte, kam ins Wanken und damit auch das Ansehen, den sein Handel ihm verschaffte.

Die Tempel, die er machte, waren der Artemis, der Göttin der Jagd, geweiht. Diese Muttergöttin ist der große Gegensatz zu dem Gott der Bibel, der der Vater ist. Wir sehen hier den großen Kontrast zwischen dem Weg, d. h. dem christlichen Glauben, und dem Heidentum. Hinter den Götzen verbergen sich dämonische Mächte. Hinter dem Götzendienst verbirgt sich auch der Gott des Mammons. Bei Demetrius gehören Geld und Götzendienst zusammen.

Als er seinen Gewinn einbrechen sieht, spricht er vom wirtschaftlichen Rückgang als einer Sache, die jeden im eigenen Betrieb und bei den Zulieferbetrieben betrifft. Menschen der Welt kann man nicht härter treffen, als wenn man ihnen den Wohlstand und den damit verbundenen Luxus wegnimmt. Wenn das geschieht, gibt es ein Aufbegehren. Demetrius macht Paulus als den Schuldigen aus, weil dieser sich erkühnt hatte, zu behaupten, dass ihre Götter keine Götter seien.

Die Tempelchen sind also nicht lediglich Souvenirs, sondern Gegenstände mit religiöser Bedeutung. Damit rechnete die Botschaft von Paulus ab. Ohne sich dessen bewusst zu sein, erkennt Demetrius in seiner Anklage die Kraft des Evangeliums an. Viele müssen wohl das Evangelium angenommen haben, denn Demetrius kann sagen, dass dieses Geschäft bedroht wird (obwohl er das sicher übertrieben hat), weil seine Tempel nicht mehr solch reißenden Absatz finden.

Dann bringt er geschickt die abnehmende Verehrung der „großen Göttin Artemis“ ins Spiel. Damit verlagert er den Angriff vom wirtschaftlichen auf den religiösen Bereich. Es gibt nichts, worin ein Mensch fanatischer ist, als in seiner Religion. Wenn man ihn hier angreift, ist er empört und für Argumente nicht mehr zugänglich. Das zeigt sich unmittelbar nach seinen Ausführungen. Alle werden wütend und schreien unbändig. Sie erklären ihre Solidarität mit der Artemis der Epheser. Die ganze Stadt gerät in Verwirrung.

Doch die Verwirrung ist nicht so groß, dass ihre Wut nicht einen Ausweg suchen würde: Sie wollen die aufspüren, die ihre große Artemis beleidigt haben. Es scheint, als können sie Paulus nicht finden. Deshalb schleppen sie zwei der Reisegefährten des Paulus mit zum Theater, das gewohnheitsgemäß auch für Volksversammlungen genutzt wurde.

Paulus will sich wegen seiner Freunde, die seinetwegen mitgeschleppt worden sind, unter das Volk begeben. Doch die Jünger hindern ihn daran und halten ihn zurück. Es wäre nicht weise gewesen, das zu tun. Einige Oberste von Asien, Freunde des Paulus, unterstreichen die Richtigkeit des Vorgehens der Jünger. Sie senden eine Nachricht, in der sie Paulus dringend anraten, nicht zum Theater zu gehen. Es ist sehr mühsam, Paulus davon abzuhalten. Doch schließlich geht er nicht.

Dass auch einige Oberste Paulus wohl gesonnen waren, zeigt, was für eine gewaltige Auswirkung die Predigt des Paulus unter dem Segen des Herrn erfahren hat. Ob diese Obersten Gläubige waren, ist nicht deutlich. In jedem Fall standen sie auf seiner Seite.

In dem allgemeinen Aufruhr wissen die Menschen nicht einmal, worum es geht, sie werden einfach durch die allgemeine Stimmung mitgerissen. Wenn sich ein Mensch in der Menge befindet, ist die Gefahr groß, dass er seine Persönlichkeit verliert und damit auch die Fähigkeit, eine Situation persönlich zu beurteilen.

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