Ephesians 1:1

Einleitung

Der Brief an die Gläubigen in Ephesus ist ein ganz besonderer Brief. Der Unterschied zu dem vorhergehenden Brief, dem an die Galater, ist enorm. Tatsächlich der Unterschied zwischen Himmel und Erde. In seinem Brief an die Galater hat Paulus in kühlem, nahezu sachlichem Ton die galatischen Gläubigen auf ihr Abweichen von der Wahrheit des Evangeliums hinweisen müssen. Übrigens spürst du zwischen den Zeilen doch seine große Bewegtheit und seine emotionale Verbundenheit. Angesichts dessen, was auf dem Spiel stand, hat Paulus ihnen vorgehalten, wie sehr sie Gefahr liefen, sich jeden Segens in Christus zu berauben und sogar aus der Gnade zu fallen (Gal 5:4). Indem sie dem Gesetz erneut einen Platz in ihrem Leben einräumten, gaben die Gläubigen in Galatien „den Elementen der Welt“ wieder Raum (Gal 4:3; 9b).

Wie völlig anders ist der Inhalt des Briefes an die Epheser. Dieser Brief zeigt dir als Christ,

1. was deine eigentlichen Segnungen sind,

2. wo sie zu finden sind und

3. woher sie kommen.

Wenn du den Brief liest, siehst du, dass die Segnungen des Christen

1. geistlich sind,

2. im Himmel zu finden sind und

3. ihren Ursprung im Herzen Gottes haben.

Du wirst in diesem Brief jedoch nicht nur Segnungen für den einzelnen Christen entdecken. Die Gläubigen bilden zusammen die Gemeinde, und auch die Gemeinde insgesamt hat gewaltige Segnungen bekommen. Über die Höhe und Tiefe dieser Segnungen schreibt Paulus in diesem Brief ebenfalls viel. Diese Segnungen hat die Gemeinde ihrer Beziehung zu ihrem verherrlichten Haupt im Himmel zu verdanken: Jesus Christus. In Kapitel 3 dieses Briefes nennt der Apostel diese Beziehung ein „Geheimnis.“ Ein Vergleich mit dem Brief an die Römer macht noch deutlicher, worum es in diesem Brief an die Epheser geht. Im letztgenannten Brief, geschrieben ungefähr im Jahr 62, als Paulus im Gefängnis in Rom saß, berichtet er von dem, was er in Römer 16 „die Offenbarung des Geheimnisses“ nennt (Röm 16:25).

Im Brief an die Römer konnte Paulus nicht darauf eingehen; er wollte jedoch eben darauf hinweisen, dass es mehr gab als die Rechtfertigung aufgrund des Glaubens, worüber er ausführlich an die Gläubigen in Rom geschrieben hatte. Deshalb streift er, bevor er seinen Brief beendet, noch eben das Geheimnis. Doch in seinem Brief an die Epheser geht er ausführlich auf das Geheimnis ein.

Dass er ein Thema in dem einen Brief nebenbei erwähnt und in dem anderen ausführlich behandelt, hat mit der besonderen Absicht jedes dieser Briefe zu tun. Der Brief an die Römer lehrt uns, was Gott getan hat, um der Not zu begegnen, in der wir uns durch die Sünde und unsere Sünden befanden. In diesem Brief steht der Mensch mit seiner Not im Mittelpunkt. Der Brief an die Epheser zeigt uns, was im Herzen Gottes war und noch ist. Darin steht Gott im Mittelpunkt mit seiner Absicht und seinem Wunsch, uns zu segnen, ohne dass Er dazu irgendeinen Anlass im Menschen oder seiner Not brauchte.

Du wirst beim Lesen und beim erneuten Lesen dieses Briefes zunehmend unter den Eindruck der Größe des Herzens Gottes kommen. Niemand anders als Gott konnte es sich ausdenken, Sünder, die geistlich tot waren und im Aufstand gegen Ihn lebten (siehe Eph 2:1; 2), mit nie gekannten Reichtümern zu segnen, statt sie durch seine Gerechtigkeit und Heiligkeit zu verzehren. Einer dieser Reichtümer besteht darin, dass wir den neuen Menschen angezogen haben, „der nach Gott geschaffen ist in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4:24). Das ist etwas ganz anderes, als von seiner Gerechtigkeit und Heiligkeit verzehrt zu werden!

Ein Beispiel kann vielleicht deutlicher machen, was der Brief uns über Gott sagen will. Ein reicher Mann würde einem armen Straßenjungen einen großen Dienst erweisen, wenn er für diesen Jungen eine Geldbuße bezahlen würde, die ihm für ein Vergehen auferlegt worden war. Das wäre sehr freundlich von diesem Mann. Durch diese Freundlichkeit entgeht der Junge auch der Strafe, die darauf steht, wenn er das Bußgeld nicht bezahlt. Die Freundlichkeit des Mannes ginge noch weiter, wenn er dem Jungen auch noch dazu verhelfen würde, zur Schule zu gehen, um ihn von seiner Unwissenheit zu befreien. Wenn der Mann auch für seinen Lebensunterhalt sorgen würde, wäre der Junge nicht länger arm. Das wäre alles Freundlichkeit im Blick auf die Not, in der sich der Junge befindet. Doch wenn der Mann den Jungen als Sohn annähme und ihn dadurch nahe bei sich hätte, und wenn er ihm dazu auch noch zu Reichtum und Einfluss verhelfen würde, so hätte das nichts mit der Not zu tun, worin der Junge sich befand. Das zeigt nur, wie der reiche Mann selbst ist, wie seine Gesinnung ist, woran er seine Freude findet. Nun, so wird Gott im Brief an die Epheser vorgestellt. Alles in diesem Brief geht von Gott aus, von seinen Gedanken und Ratschlüssen. Was der Mensch nötig hat oder haben wollte, bleibt völlig außer Betracht.

Es gibt noch ein Beispiel, das verdeutlicht, was der Brief an die Epheser uns lehren will. Dieses Beispiel finden wir im Alten Testament, in der Reise, die das Volk Israel aus Ägypten durch die Wüste zum verheißenen Land Kanaan macht. Im 2. Buch Mose siehst du „im Bild“, was der Brief an die Römer uns lehren will. In Ägypten ist das Volk Gottes in der Sklaverei und wird daraus nach der Passahfeier befreit. Diese Befreiung findet man im Brief an die Römer wieder. Dort wird uns ein Mensch vorgestellt, der in der Sklaverei der Sünde lebt und der durch das Blut und das Kreuz Jesu Christi davon erlöst wird. Nach dem Passah zieht das Volk aus Ägypten und kommt durch das Rote Meer in die Wüste. Dort bekommt das Volk die Stiftshütte, in der Gott in der Mitte seines Volkes wohnt. Zugleich bekommt es den Opferdienst, wodurch das Volk Gott nahen und mit Ihm in Verbindung bleiben kann. Das wird im 3. Buch Mose beschrieben. Nach 3. Mose kommt 4. Mose, wo die Reise durch die Wüste beschrieben wird und welche Hilfsmittel Gott dem Volk für die Reise gibt. Die Bilder von 3. Mose findest du im Neuen Testament in der Belehrung des Briefes an die Hebräer wieder, und die Bilder von 4. Mose findest du in den beiden Briefen an die Korinther wieder.

Bevor das Volk ins verheißene Land einzieht, bleibt es noch einige Zeit im Gebiet Moabs. Dort hält Mose seine große Rede. Die findest du in 5. Mose. In den ersten Kapiteln dieses Buches gibt er einen Rückblick. Doch danach schaut er nach vorn, auf alles, was das Volk im verheißenen Land erwartet. Im Neuen Testament bist du dann im Brief an die Philipper angekommen. Dieser Brief handelt von dem Christen, der zwar noch auf der Erde ist, doch dessen ganzes Herz auf den Himmel ausgerichtet ist. Nach 5. Mose kommt das Buch Josua. Das Volk ist durch den Jordan gegangen und in das Land eingezogen. Im Neuen Testament findest du das im Brief an die Epheser wieder. Ebenso wie Israel das Land, das ihnen von Gott gegeben war, in Besitz nehmen musste, so wirst du im Brief an die Epheser gelehrt, das in Besitz zu nehmen, was geistlicherweise dein Eigentum in den himmlischen Örtern ist.

All diese Segnungen, die in diesem Brief vorgestellt werden, sind dir in Christus geschenkt. Doch du kann erst dann sagen, dass sie wirklich dein geistlicher Besitz geworden sind , wenn du sie persönlich, geistlich, also mit deinem Herzen in Besitz genommen hast. Wir können erst sagen, dass eine Wahrheit unser geistlicher Besitz ist, wenn wir dieser Wahrheit nicht nur einen Platz in unserem Herzen gegeben haben, sondern wenn wir Gott auch für diese Wahrheit angebetet haben. Das ist es auch, wonach Gott verlangt im Blick auf die Wahrheiten in dem Brief, den du nun vor dir hast.

Absender, Empfänger, Segenswunsch

Eph 1:1. Ebenso wie in den vier vorhergehenden Briefen stellt Paulus sich hier als „Apostel“ vor. Und so wie im 2. Brief an die Korinther sagt er dazu: „Christi Jesu durch Gottes Willen“ (2Kor 1:1). In einigen Briefen nennt er noch jemand anders als Absender. Hier tut er das nicht. Gott hatte Paulus, und nur ihm allein, das Geheimnis der Einheit zwischen Christus und der Gemeinde bekannt gemacht. Im Blick auf das Ziel dieses Briefes muss direkt deutlich sein, von welcher Stellung aus Paulus spricht. Deshalb stellt er sich als Apostel vor, was „Gesandter“ bedeutet. Gesandter heißt, dass er im Namen eines anderen kommt, eines Höheren, und zwar mit einer Botschaft dieses Höheren.

Er ist ein Apostel Christi Jesu, der ihn gesandt hat. Zur Ausübung seines Apostelamtes ist sein Auge beständig auf Christus Jesus gerichtet. Von Ihm, der als verherrlichter Mensch im Himmel ist, wurde er auch zum Apostel berufen (Apg 9:1-18). Der Ursprung seines Apostelamtes liegt im Willen Gottes und nicht in seinem eigenen Willen oder dem irgendeines anderen Menschen. Menschliche Anstellung war ausgeschlossen. Gott wollte Paulus als Apostel gebrauchen. Und was Gott will, das geschieht auch. Die Vollmacht des Paulus als Apostel ist sozusagen mit der Unterschrift Christi Jesu und Gottes versehen. Was Paulus schreibt, ist deshalb auch mit ihrer Autorität bekleidet.

Noch eben etwas über das Apostelamt des Paulus. Es besteht ein Unterschied zwischen seinem Apostelamt und dem der Zwölf. Der Unterschied liegt sowohl in der Berufung als auch in der Ausübung. Die Zwölf wurden vom Herrn Jesus berufen, als Er auf der Erde war (Lk 6:13). Paulus wurde von einem verherrlichten Herrn berufen (Apg 26:15-18). Ihm war das Apostelamt unter den Nationen und den Zwölfen das unter dem Volk Israel anvertraut (Gal 2:8). Die Berufung des Paulus durch den verherrlichten Herrn im Himmel macht auch den Charakter seines Dienstes deutlich. Der bezieht sich nämlich darauf, der Gemeinde zu erzählen, was ihre Verbindung mit Christus im Himmel ist. Wie bereits bemerkt: Darum geht es in diesem Brief.

Nachdem wir den Absender kennen, erfahren wir von den Empfängern. Hier steht nicht einfach: „An die Gemeinde in Ephesus.“ Hier steht viel mehr: Die Gläubigen dort werden als „Heilige und Treue“ angesprochen. Das sagt viel über ihr Leben als Gläubige und über den geistlichen Zustand, in dem sich die Gemeinde in Ephesus befand. Dieser geistliche Zustand ist wichtig für das, was Paulus schreiben wird. Hätte Paulus, wenn er sie als „Fleischliche“ hätte ansprechen müssen (siehe 1Kor 3:1), über solche erhabenen Segnungen zu ihnen sprechen können? Wenn er die tiefgehenden Wahrheiten, über die er den Ephesern schreibt, den Korinthern geschrieben hätte, wären zwei Reaktionen möglich gewesen:

1. entweder hätten sie einfach nicht verstanden, worum es Paulus ging, oder sie hätten es als Gerede eines Mannes abgetan, dem der Himmel voller Geigen hängt;

2. oder wenn sie verstandesmäßig begriffen hätten, worum es Paulus ging, wären sie dadurch wohl noch stolzer geworden. Sie rühmten sich bereits so vieler Gaben, und diese Segnungen kamen nun auch noch dazu.

Daran siehst du, dass jede Gemeinde einen Brief bekommt, der dem geistlichen Zustand entspricht, in dem sie sich befindet. Dieser Zustand wird durch das Verhalten, die Haltung und die Gesinnung der einzelnen Glieder der Gemeinde bestimmt.

Deshalb ist das auch auf dich und mich als einzelne Christen anwendbar. Um den vollen Genuss der herrlichen Dinge haben zu können, die Paulus in diesem Brief entfaltet, müssen du und ich in einem geistlichen Zustand sein, sodass wir als „Heilige und Treue“ bezeichnet werden können. Im Fall der Epheser geben diese Kennzeichen sehr treffend den Zustand wieder, der nötig ist, um die Mitteilungen in diesem Brief nicht nur empfangen zu können, sondern auch zu verstehen, sie zu genießen und schließlich Gott dafür anzubeten. Auch wird die Lehre des Briefes die Praxis ihres Glaubenslebens weiter prägen.

Die Kennzeichnung Heilige gibt an, dass die Gläubigen in Ephesus für Gott abgesondert waren. Im Prinzip gilt für jedes Kind Gottes, dass es geheiligt ist, dass Gott es von der ungläubigen Welt für sich beiseite gesetzt hat. Doch bei den Ephesern ist deutlich zu sehen, dass sie auch in ihrem praktischen Leben für Gott abgesondert waren. Sie machten nicht mit der Welt mit, sondern waren deutlich davon unterschieden. Die Kennzeichnung Treue zeigt, dass sie Gott und dem Herrn Jesus treu waren. Sie wichen nicht ab von dem gottgewollten Weg. Das griechische Wort für „Treue“ kann auch mit „Gläubige“ übersetzt werden. Die Gläubigen in Ephesus waren treu, und deshalb konnte Paulus ihnen diesen Brief schreiben. Auch die Zufügung „in Christus Jesus“ ist wichtig. Damit wird angegeben, dass ihr heiliges und treues Leben in der Stellung verankert war, die sie in Christus Jesus besaßen. Es ging nicht um sie, sondern um Ihn. Viele Male kommt in diesem Brief der Ausdruck in Ihm vor – in diesem Kapitel bereits achtmal. Es ist der Mühe wert, dem selbst einmal nachzugehen.

Der Brief ist an die Gemeinde „in Ephesus“ geschrieben. In Apostelgeschichte 18 kannst du einiges über diese Stadt lesen (Apg 18:19; 20). Paulus hat dort das Evangelium gepredigt. Er ist drei Jahre dort gewesen (Apg 20:31) und hat dort viel Widerstand erfahren (Apg 19:21-31). Als er weiterzog, überließ er die Gemeinde nicht ihrem Schicksal. Er veranlasste Timotheus, dort nach dem Rechten zu sehen (1Tim 1:3), und als dieser nicht länger dort sein kann, sendet er Tychikus (2Tim 4:12). Er hat auch miterlebt, wie die Gemeinde in Ephesus schließlich von dem Leben in Übereinstimmung mit ihren besonderen Vorrechten abgewichen ist. Er hat persönlich den Schmerz darüber gefühlt, denn unter denen, die in Asien waren und die sich von ihm abgewandt hatten, waren auch die Gläubigen von Ephesus, das in der Provinz Asien lag (2Tim 1:15). Der letzten Erwähnung von Ephesus begegnen wir im Sendschreiben des Apostels Johannes in Offenbarung 2 (Off 2:1-7). Was Johannes dort schreibt, zeigt, womit der Verfall angefangen hat – der Verfall, der sich durch die Jahrhunderte hin in der christlichen Kirche vollziehen würde und sich nun beinahe vollzogen hat. Das schließt an das an, was Paulus vorhersagte und wovor er die Gemeinde in Ephesus in Apostelgeschichte 20 warnte (Apg 20:29; 30).

Eph 1:2. Er muss das vor Augen gehabt haben, als er den Heiligen und Treuen Gnade und Friede wünschte. Nicht einfach Gnade und Frieden, sondern „Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“. In Apostelgeschichte 20 hatte er sie auch schon „Gott und dem Wort seiner Gnade“ anbefohlen (Apg 20:32). Er wusste, dass die Zukunft, wenn es um das Festhalten der herrlichen Segnungen ging, die in diesem Brief beschrieben werden, nicht rosig aussah. Doch was für eine Ermutigung, auch für dich und mich, dass die Gnade immer reichlich vorhanden sein wird. Wenn du in einer lebendigen Verbindung mit Gott als Vater und mit Jesus als Herrn und Christus lebst, darfst du wissen, dass du von dieser Gnade umgeben bist. Die Folge ist, dass du Friede in deinem Herzen erfahren wirst, womit du durch die dunkelste Zeit gehen kannst. Der Brief beginnt und endet mit Gnade und Frieden (Eph 6:23; 24). Ist es nicht schön zu sehen, dass dieser Brief gleichsam von „Gnade und Friede“ umklammert ist?

Lies noch einmal Epheser 1,1.2.

Was sagen dir „Gnade“ und „Friede“?

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