‏ Jeremiah 38:12

Befreiung von Jeremia

Dann erscheint Ebedmelech auf der Bildfläche (Jer 38:7), um sich für Jeremia einzusetzen. Wir hören also von diesem Mann, von dem wir sonst nie etwas gehört hätten. Wir hören hier zum ersten Mal von ihm und im nächsten Kapitel zum letzten Mal. Er erscheint in der Stunde der größten Bedrängnis Jeremias und des größten Widerstandes des Volkes gegen den Mann Gottes. Ebedmelech bedeutet „Diener des Königs“. In ihm offenbart sich, dass er ein Diener des allerhöchsten Königs ist.

Er ist ein Äthiopier, ein farbiger Mensch. Im Herzen dieses dunkelhäutigen Fremden brennt Mitleid und Sympathie und lebt die Überzeugung vom göttlichen Dienst des Jeremia. All das fehlt bei den vier Anklägern, die Führer des Volkes Gottes sind, völlig. Gott findet diesen Diener, der bereit ist, seinen Propheten zu befreien. Als Ebedmelech hört, was mit Jeremia geschehen ist, verlässt er seine Arbeitsstelle und geht zum König (Jer 38:8), der sich im Tor Benjamin befindet, um Recht zu sprechen.

Unerschrocken, aber mit Takt und Weisheit, spricht er zum König, dass das, was die Männer Jeremia angetan haben, böse ist (Jer 38:9). Er achtet darauf, den König nicht zu beschuldigen, der ja der Hauptschuldige ist. Er weist Zedekia darauf hin, dass es gar nicht nötig war, Jeremia in die Grube zu werfen, damit er stirbt, denn wenn er als Gefangener in der Stadt geblieben wäre, wäre er auch gestorben. Immerhin war das Brot ausgegangen.

In seiner wechselhaften Unentschlossenheit befiehlt Zedekia dem Äthiopier Ebedmelech, dreißig Männer zu nehmen und Jeremia aus der Grube heraufzuholen (Jer 38:10). Er drängt Ebedmelech auch zur Eile, denn Jeremia muss befreit werden, bevor er stirbt. Der König ist sich wohl bewusst, dass er Jeremia dem Tod ausgeliefert hat. Vielleicht spricht sein Gewissen noch etwas und er sieht nun eine Gelegenheit, es zu beruhigen. Allerdings gibt es in Jeremias Verurteilung kein Eingeständnis seiner Sünde, nicht einmal eine Entschuldigung dafür, dass er ihn so ungerecht in die Hände seiner Fürsten ausgeliefert hat.

Wie dem auch sei, Ebedmelech geht direkt an die Arbeit (Jer 38:11). Allerdings lässt er sich in seiner Freude nicht dazu verleiten, direkt zur Grube zu gehen. Er erkennt den Zustand von Jeremia und was er braucht, um ihn auf möglichst schmerzlose Weise aus der Schlammgrube herauszuholen. Jeremia wird im Schlamm feststecken. Dann werden Seile unter seinen Achseln ohne lindernde Tücher enorme Schmerzen verursachen. Deshalb geht Ebedmelech zuerst „in das Haus des Königs unter die Schatzkammer“, um von dort „zerrissene Lappen und abgetragene Lumpen“ zu holen, und lässt sie dann mit den Seilen in die Grube hinunter.

Wir können die Arbeit mit den abgetragenen Kleidern gut mit dem Becher Wasser vergleichen, der den Verfolgten im Namen des Herrn gegeben wird (Mk 9:41). Der Herr wird nicht vergessen, das zu belohnen an dem Tag, an dem alles ins Licht kommt. So wird Er auch nicht vergessen, Ebedmelech für das zu belohnen, was er tat, um Jeremias Schmerz zu lindern. Es ist auch bemerkenswert, mit wie viel Nachdruck von dieser Facette in Jeremias Befreiung gesprochen wird. Es ist auch bemerkenswert, dass diese alte, wertlose Kleidung den ganzen Weg von unten aus der Schatzkammer kommen muss. Müssen wir so tief gehen, um jemandem etwas Erleichterung zu verschaffen? Wie wichtig kann selbst das Alte sein.

Wie muss Jeremia aufgeschaut haben, sowohl buchstäblich als auch im übertragenen Sinn, als dort oben über dem Rand der Grube das dunkle Haupt von Ebedmelech erschien. Die Stimme von Ebedmelech muss wie Musik in seinen Ohren geklungen haben. Es ist die Stimme eines Erlösers mit einer Botschaft der Befreiung und mit einfühlsamen Anweisungen für diese Befreiung. Ebedmelech sagt Jeremia, er solle die abgetragenen Kleider und Lumpen unter seine Achselhöhlen legen und die Seile unter sie (Jer 38:12). Jeremia tut gehorsam das, was Ebedmelech ihm sagt.

Dann wird Jeremia mit den Seilen aus der Grube hochgezogen (Jer 38:13). Nicht alle dreißig Männer des Königs werden an den Seilen gezogen haben, sondern einige werden geholfen haben. Es war unmöglich, dass Ebedmelech es allein schaffte. Die anderen Soldaten werden bei dieser Befreiungsaktion für Schutz gesorgt haben. Schließlich können die Widersacher plötzlich auftauchen.

Die Verwendung der abgetragenen Kleidung und Lumpen birgt eine praktische Lektion für diejenigen, die anderen helfen, die in Not sind. Es kommt nicht nur darauf an, die richtigen Dinge zu sagen, sondern sie müssen auch im richtigen Ton und zur richtigen Zeit gesagt werden. Jemand, der in Not ist, sollte mit Sanftheit und nicht mit Unhöflichkeit behandelt werden. Gute Absichten allein reichen nicht aus; man muss auch Weisheit walten lassen.

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