Judges 6:11-24

Gideon

Der Engel des HERRN – das ist der Herr Jesus, wie wir früher gesehen haben – besucht Gideon. Dieser ist schwer mit dem Ertrag des Landes beschäftigt; den will er nicht in die Hände der Midianiter fallen lassen, sondern ihn selbst genießen.

Die Bedeutung der Namen in diesem Vers vermittelt uns einen Eindruck von der Geisteshaltung Gideons. Ophra bedeutet „Staub“. Jemand, der sich der Schande des Volkes Gottes, das der Welt unterworfen ist, wirklich bewusst ist, wird sich im Staub befinden. Dort gibt es kein Rühmen wegen einer bestimmten Position, sondern Demut. Joas heißt „der HERR ist Unterstützung“. Jemand, der die Schwachheit und Hoffnungslosigkeit der Lage, in der sich Gottes Volk befindet, kennt, wird seine Stütze im Herrn suchen und finden.

Bei dem Namen Abieser, der „mein Vater ist Hilfe“ bedeutet, können wir an dasselbe denken, während der Gedanke an eine Beziehung diesem Gedanken hinzugefügt wird. Wir dürfen Gott als Vater kennen. Gideon bedeutet „Niederhauer“. Alles, was sich selbst erhöht, muss niedergehauen werden. Bald wird er diesem Namen öffentlich Ehre bereiten, jetzt bereitet er diesem Namen Ehre, indem er sich selbst in den Staub (Ophra) niederwirft.

Bei Ophra steht eine Terebinthe oder Eiche. Das Wort Terebinthe bedeutet buchstäblich „ein starker Baum“. Wenn wir nun diese beiden, Terebinthe und Ophra, kombinieren, sehen wir das Zusammengehen von Kraft und Schwachheit zutage treten. Wir werden in der Geschichte Gideons sehen, wie die Kraft Gottes in der Schwachheit Gideons wirksam ist.

Gideon beschäftigt sich damit, Weizen in der Kelter, einem ungewöhnlichen Ort, auszuschlagen. Die Kelter war leer, das heißt, dass es keine Freude gab. Wein ist ein Bild der Freude (Ri 9:13). Die Kelter stellt auch Gericht vor (Jes 63:2; 3). In Tagen von Zank und Streit – wenn Midian die Oberhand hat – können wir nur bei der Kelter Nahrung bekommen, das heißt in der Anerkennung des Gerichts, das Gott über uns bringen musste.

Wer sich wirklich unter dieses Gericht beugt, darf auf das Kreuz blicken. Das ist schließlich der Ort, wo das Gericht Gottes über unsere Untreue an dem Herrn Jesus vollzogen wurde. Für den Glauben gibt es dort allezeit Nahrung, und dort allein sind wir vor „Midian“, dem Geist des Zanks, sicher, denn der kann beim Kreuz nicht bestehen.

Gideon stellt einen Grundsatz vor: einen Geist oder eine Gesinnung, die das Volk vom Streit befreien kann. Er war unbewusst damit beschäftigt, sich dafür vorzubereiten, der Befreier des Volkes zu werden. Wer sich mit dem Herrn Jesus und mit seinem Werk am Kreuz, wie es im Wort Gottes beschrieben wird, beschäftigt, kann in einem bestimmten Augenblick von Gott dazu gebraucht werden, ein Führer, Hirte, Ältester oder Befreier zu sein.

Der HERR ist mit dir

Gideon wird erschrocken aufgeblickt haben, als er plötzlich eine Stimme hörte, die zu ihm sagte: „Der HERR ist mit dir.“ Dennoch wird er nicht ängstlich; das wird er erst in Ri 6:22, als es ihm bewusst wird, wer ihn gerade besucht. Und was sollen wir von dem Ausdruck „du tapferer Held“ denken? Von Tapferkeit ist auf den ersten Blick nichts bei diesem Mann zu sehen, der sich vor dem Feind versteckt. Aber für Gott zählt, dass Gideon fest entschlossen ist, sich selbst mit Nahrung zu versorgen. Trotz der Übermacht des Feindes, trotz der Angst bei den Israeliten, ist hier ein Mann, der sich mit der Frucht des Landes beschäftigt. Die persönliche Treue in einer Zeit, in der sich jeder zurückzieht, steht hier im Vordergrund. Das nennt Gott Tapferkeit. Dann sind wir in seinen Augen auch ein Held.

Wenn wir uns persönlich damit beschäftigen, Nahrung aus Gottes Wort aufzunehmen und uns nicht an dem „Zank“ in unserer Umgebung beteiligen und uns nicht damit abfinden, werden wir die besondere Nähe des Herrn erfahren und hören, dass der Herr mit uns ist. Diese Zusage gilt für jeden Moment, in dem wir uns mit der Bibel auf eine Weise beschäftigen, dass wir deutlich die Stimme Gottes hören können. Diese Zusage gilt auch für alle Aufträge, die wir von Ihm zu hören bekommen werden. So beginnt Gott sein Gespräch mit Gideon. Ist das nicht ein ermutigender Beginn?

Wo sind alle Wunder Gottes?

Es entsteht ein Gespräch zwischen Gideon und dem HERRN. Es ist wunderschön zu sehen, wie Er Gideon allen Raum lässt, zu sagen, wie er die Dinge erlebt. Er geht jedes Mal auf die Fragen Gideons ein und beantwortet sie auf eine Weise, wie allein Er das kann.

Die Antworten sind voller Ermutigung für jeden, der von dem Herrn einen bestimmten Auftrag erhält. Wir werden sehen, dass hier viel über die Ausbildung des Knechtes gelernt werden kann – wie wir hoffentlich auch einer sein möchten –, der ein Werk für den Herrn tun darf. Ähnliche Gespräche kommen in der Bibel häufiger vor, wie zum Beispiel zwischen Mose und Gott (2Mo 3:11-22; 2Mo 4:1-12) und zwischen Ananias und dem Herrn Jesus (Apg 9:10-19).

Wenn wir wissen, dass Gott uns dazu beruft, etwas für Ihn zu tun, dann dürfen wir darüber mit Ihm sprechen. Wir dürfen eventuelle Einwände vorbringen. Gott hört uns zu und nimmt unsere Einwände ernst. Er antwortet. Es gibt eine Bedingung: Gott bleibt mit uns im Gespräch, solange Er bei uns die Bereitschaft sieht, das zu tun, worum Er uns bittet. Wenn unsere Einwände aus Unglauben oder Eigenwillen hervorgehen, macht Gott nicht mit uns weiter.

Es ist noch ein wunderbarer Charakterzug bei Gideon zu sehen. Gott hat gesagt: „Gott ist mit dir, du tapferer Held.“ Was sagt Gideon? „Wenn der HERR mit uns ist.“ Er macht sich selbst mit dem ganzen Volk eins. Auch wenn er persönlich treu ist, beansprucht er Gott nicht für sich allein. Gott ist der Gott des ganzen Volkes. Das Wohl des ganzen Volkes geht ihm zu Herzen und nicht allein sein eigenes Wohl.

Dann kommen die Fragen. Gideon hat von allem gehört, was der HERR zugunsten seines Volkes getan hat, als Er sie aus Ägypten führte. Er zweifelt nicht an der Geschichte des Volkes und an dem, was Gott mit ihnen und für sie getan hat. Aber wo blieb Gott jetzt? War Er nicht mehr derselbe? Ja, Er wohl, aber das Volk nicht. Der HERR hatte sie verstoßen, wenigstens erfährt Gideon es so.

In Römer 11 wird diese Frage auch gestellt: „Hat Gott etwa sein Volk verstoßen?“ (Röm 11:1). Im nächsten Vers kommt die Antwort: „Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er zuvor erkannt hat“ (Röm 11:2). Gott hat sie wegen der Untreue des Volkes eine Zeit lang ihren Feinden preisgeben müssen, aber mit dem Ziel, sie wieder zu sich selbst zurückzubringen. So wird Gott sich auch in der Zukunft durch den großen Befreier, den Messias des Volkes, den Herrn Jesus Christus, über sein Volk erbarmen.

Auch hier, bei Midian, lässt Gott erkennen, dass Er sein Volk nicht verstoßen hat. Er bereitet einen Befreier für seine Aufgabe zu: Gideon. Wenn wir ihn in diesem Vers sprechen hören, dann sehen wir zwei Dinge, die bei jemandem, der von Gott zu einer Aufgabe inmitten seines Volkes berufen wird, immer zusammengehen: Er identifiziert sich mit Gottes Volk und er glaubt dem Wort Gottes, wie es ihm von den Vätern überliefert wurde.

Der Auftrag

Gideon hat Gott berichtet, wie hoffnungslos die Lage ist. Nun bekommt er den Auftrag, sie zu verändern. Oft sind es die Dinge, die wir als eine Not zu Gott bringen, bei denen Er uns beauftragt, etwas daran zu ändern. Wir sind dann für Gott die am besten geeigneten Werkzeuge. Wenn wir sehen, dass ein Bedarf an Kinderarbeit besteht, können wir anfangen, dafür zu beten, ohne daran zu denken, dass es etwas für uns wäre. Dennoch deutet unsere Empfindung für die Not bereits darauf hin, dass wir in dieses Werk für den Herrn einbezogen sein könnten.

Dies können wir auf eine ganze Anzahl anderer Dinge beziehen. Es gilt übrigens ausschließlich für Menschen, die, genauso wie Gideon, in Gemeinschaft mit Gott leben; es geht nämlich um Menschen, die in ihrem Leben dem Herrn allen Raum geben. Im Leben solcher Menschen nehmen Bibellese und Gebet den zentralen Platz ein. Darum dreht sich ihr Leben, daraus schöpfen sie ihre Kraft.

Gott gibt Gideon für seinen Auftrag keine neue Kraft, sondern sagt: „Geh hin in dieser deiner Kraft.“ Welche Kraft ist das? Das ist die Kraft, mit der er sein Essen vor der Hand der Feinde bewahrt hat, um es selbst zu genießen. Dadurch hat er auch genügend Kraft, um Israel zu befreien.

Was der HERR weiter zu ihm sagt, muss allen Zweifel über seinen Auftrag wegnehmen. Gideon darf im Namen seines Senders gehen. Er hört Ihn sagen: „Habe ich dich nicht gesandt?“ Das ist alles, was nötig, aber auch notwendig ist, um ein Werk des Dienstes zu tun. Ohne dass Er dies zu uns sagt, können wir nicht gehen, dann richten wir Schaden an.

Noch eine wichtige Lektion in Verbindung mit der Berufung zu einem Werk des Dienstes ist, dass Gott jemanden ruft, der beschäftigt ist. Gideon war bei der Arbeit, als er berufen wurde. Dasselbe sehen wir bei der Berufung der Jünger (Mt 4:18-22). Gott sucht keine Menschen, die nichts zu tun haben, sondern Menschen, die bei der Erledigung gewöhnlicher, täglicher Dinge eifrig sind.

Ein neuer Einwand

Gideon führt nun ein Argument an, wodurch er meint, dass er Gottes Auftrag nicht genügen könne: Er fühlt sich nicht dazu in der Lage. Nun ist es immer gut, nicht hoch von sich selbst zu denken. Dazu wird jeder von uns in Römer 12 ermahnt, wo Paulus sagt, dass jeder „nicht höher von sich“ denken soll, „als zu denken sich gebührt“ (Röm 12:3). Doch dies darf niemals eine Entschuldigung dafür sein, sich dem zu entziehen, was Gott verlangt.

Gideon verweist auf seine geringe Herkunft und auf den Platz, den er in der Familie einnimmt, zu der er gehört. Manasse ist der Stamm, der als einziger geteilt ist. Die eine Hälfte wohnt im Land und die andere Hälfte wohnt außerhalb davon. Er wusste, was es bedeutete, sich in einer Situation der Uneinigkeit zu befinden. Oft hat man dann schon so viel Streit und Zank mit dem zusätzlichen Elend gesehen, dass man keine Lust zu noch mehr Kampf hat, auch wenn es sich um den guten handelt.

Seine Stellung in der Familie – er ist der Jüngste – scheint darauf hinzuweisen, dass er nie wirklich in das Familiengeschehen einbezogen wurde. Das ist auch David widerfahren (1Sam 16:4-11). Er wurde einfach vergessen, als Samuel die ganze Familie zusammengerufen hatte. Das kann einem ein Gefühl der Wert- und Nutzlosigkeit vermitteln. Gideon kann sich so gefühlt haben.

Vielleicht fühlen wir uns auch so. Doch wir dürfen sicher sein, dass Gott gerade dann etwas mit uns anfangen kann. Unsere Schwachheit und der Umstand, dass wir von anderen nicht besonders geschätzt werden, lässt uns als Werkzeug für Gott geeignet sein. Was Gott durch uns tun will, muss allein Ihm zugeschrieben werden und nicht uns. Ist es nicht großartig, dass Gott uns in unserer Geringfügigkeit und Schwachheit gebrauchen will?

Hören wir auf das, was Paulus in 2. Korinther 12 sagt. Als er dafür gebeten hat, von etwas befreit zu werden, das ihn schwach und verächtlich machte, sagt der Herr zunächst zu ihm: „Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht“ (2Kor 12:9a). Und Paulus antwortet: „Daher will ich mich am allerliebsten viel mehr meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft des Christus über mir wohne. Deshalb habe ich Wohlgefallen an Schwachheiten … für Christus; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2Kor 12:9b; 10). Sehen wir, das ist der Punkt, an den wir kommen müssen. Wir sollen uns nicht in unserem eigenen Können stark fühlen, sondern uns schwach fühlen, dann kann Gott sein Werk mit uns ausführen.

Gideon sieht auf sich selbst und dann gibt es keine Kraft. Doch das kleine „Ich“ ist ein genauso großes Hindernis dafür, von Gott gebraucht zu werden, wie das große „Ich“. Wenn wir das erkennen, dürfen wir sagen, was Paulus sagt: „Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt“ (Phil 4:13).

Ich werde mit dir sein

Die Weise, wie der HERR auf das letzte Argument Gideons eingeht, ist sehr ermutigend. In Ri 6:14 wurde er in seinem Auftrag von dem Bewusstsein gestützt, dass es der HERR war, der ihn sandte. Das verlieh der Aufgabe, die er ausführen sollte, den Wert. In diesem Vers geht es noch einen Schritt weiter. Der HERR sagt, dass Er selbst mitgehe.

Diese Verheißung des Herrn gilt auch heute. Nach seiner Auferstehung gibt Er seinen Jüngern den Auftrag: „Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu bewahren, was ich euch geboten habe“ (Mt 28:19; 20a). Dann fügt er hinzu, und damit schließt das Evangelium nach Matthäus ab, so dass diese Worte gleichsam in den Ohren der Jünger nachklingen: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters“ (Mt 28:20b).

In den vergangenen Jahrhunderten sind zahllose Gläubige durch diese Worte ermutigt worden und haben die Aufgabe ausgeführt, die ihnen aufgetragen worden war. Lassen auch wir uns ruhig zu den uns aufgetragenen Aufgaben ermutigen. Wenn wir auch ein Heer von Helfern um uns her haben mögen, aber den Herrn nicht haben, werden wir doch verlieren. Auch wenn wir ganz alleine sind, aber den Herrn an unserer Seite haben, dann können wir die größte feindliche Heeresmacht schlagen „wie einen Mann“. Dass dies wirklich die „Logik“ des Glaubens ist, wird uns die Geschichte Gideons weiter lehren.

Die Bitte um ein Zeichen

Gideon ist nun von seinem Auftrag überzeugt und fasst durch die Zusagen des HERRN Mut. Er hat noch eine Bitte. Er will absolute Sicherheit, dass er es mit dem HERRN selbst zu tun hat. Diese Sicherheit empfindet er als von wesentlicher Bedeutung für das Vollbringen seines Auftrages. Darum bittet er um ein Zeichen.

Ein schönes Vorbild, das der Nachahmung wert ist, haben wir in der Weise, wie Gideon seine Frage stellt. Er tut das nicht aus einer Haltung heraus, die von dem Recht auf ein Zeichen ausgeht, sondern seine Haltung lässt erkennen, dass er keinen Anspruch darauf erhebt: „Wenn ich nun Gnade gefunden habe in deinen Augen.“

Die Bitte um ein Zeichen ist für einen Christen eigentlich nicht angebracht. Er benötigt kein Zeichen, weil er das ganz Wort Gottes und auch den Heiligen Geist hat, der in ihm wohnt. Wer Sicherheit über eine bestimmte Sache haben will, kann das Wort Gottes lesen und im Gebet Gott bitten, durch sein Wort und seinen Geist die Dinge deutlich zu machen. Gott kann dafür auch anderes gebrauchen: Zusammenkünfte, in denen das Wort Gottes verkündigt wird, oder persönliche Gespräche mit Gläubigen, die mit dem Herrn leben.

Gideon besaß nicht die volle Offenbarung Gottes, und er hatte den Heiligen Geist auch nicht in sich wohnend. Dazu kann noch angemerkt werden, dass auch im Alten Testament Gott am meisten durch bedingungslosen Glauben geehrt wurde. Auch damals war es nicht notwendig, um ein Zeichen zu bitten, um Gottes Willen kennenzulernen oder zur Bestätigung dessen, was Er gesagt hat.

Einen deutlichen Beweis dafür finden wir in Hebräer 11. Von den Gläubigen, die dort aufgezählt werden, wird immer wieder gesagt, dass sie „durch Glauben“ etwas getan haben, ohne dass sie dafür bestimmte sichtbare Zeichen empfangen hätten (Heb 11:1-40). Übrigens wird auch Gideon dort erwähnt. Er hat sich in erster Linie nicht durch Zeichen führen lassen, sondern durch den Glauben.

Ein Vers, der durch alle Jahrhunderte hindurch von großer Bedeutung bei der Suche nach dem Willen Gottes gewesen ist, ist: „Ich will dich unterweisen und dich den Weg lehren, den du wandeln sollst; mein Auge auf dich [richtend], will ich [dir] raten“ (Ps 32:8). Bei der Betrachtung der Ri 6:36-40 werden wir noch etwas mehr über die Bitte um ein Zeichen zum Kennenlernen des Willens Gottes sehen.

Ich will bleiben

Es ist sehr treffend: Gott kommt der Bitte Gideons nach. Sie erscheint beinahe wie ein Befehl für Ihn, doch Er fügt sich ihr. Wie ist Er gnädig in seinem Handeln mit Gideon und mit uns, wenn er das aufrichtige Verlangen sieht, Ihn zu ehren. Er sieht dann über viel Unwissenheit hinweg. Gideon will dem HERRN etwas anbieten. Durch das Gespräch mit Ihm ist bei Gideon ein Verlangen entstanden, ein Opfer zu bringen. Das ist es, was Gott im Herzen Gideons sieht, und darauf will Er gerne warten.

Wenn wir mit dem Herrn Jesus gesprochen haben, bekommen wir dann auch ein Verlangen, Ihm ein Opfer zu bringen? Wir können es in Danksagung und im Aussprechen unserer Bewunderung für Ihn und für das, was Er getan hat, äußern.

Das Opfer

Während Gideon sein Opfer zubereitet, wartet der HERR geduldig. Das Opfer, das er bringt, ist nicht gering, wenn wir bedenken, dass es eine Zeit großer Knappheit war (Ri 6:4).

Das Ziegenböckchen, das Gideon als Opfer zubereitet, wurde meistens für das Darbringen eines Sündopfers gebraucht (3Mo 4:23; 3Mo 16:5). Durch dieses Opfer bringt Gideon im Bild etwas zum Ausdruck, wovon wir lernen können. Das Sündopfer ist ein Bild des Herrn Jesus in seinem Werk auf dem Kreuz, wo Er das Gericht über die Sünde erlitt. Gideon lässt, ohne es zu begreifen, erkennen, dass es für die Sünde des Volkes und für ihn persönlich allein durch das Rettung gibt, was der Herr Jesus auf dem Kreuz getan hat.

Das andere Opfer, das er bringt, die „ungesäuerten [Kuchen] aus einem Epha Mehl“, erinnert an das Speisopfer, das in 3. Mose 2 in verschiedenen Weisen beschrieben wird (3Mo 2:1-7). Dies ist ein unblutiges Opfer und spricht nicht so sehr vom Tod, sondern vom Leben des Herrn Jesus.

Es ist für Gott eine Freude, wenn wir Ihm erzählen, wer der Herr Jesus in seinem Leben auf der Erde und in seinem Werk auf dem Kreuz gewesen ist. Wir kommen nicht mit buchstäblichen, sondern mit geistlichen Opfern der Anbetung. Schau einmal, was der Herr Jesus darüber sagt: „Es kommt aber die Stunde und ist jetzt, da die wahrhaftigen Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn auch der Vater sucht solche als seine Anbeter“ (Joh 4:23). Wenn wir wirklich etwas von der Schönheit und Herrlichkeit des Sohnes Gottes gesehen haben, dann wird Gott, der Vater, sich darüber freuen, wenn wir das Ihm sagen.

Es steht jedoch noch etwas dahinter: „Gott ist [ein] Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten“ (Joh 4:24). Gott überlässt es nicht unserem Belieben, wie wir anbeten. Er verlangt danach, dass wir kommen, doch er gibt auch an, wie wir kommen müssen. Es muss „in Geist“ geschehen, das heißt geleitet durch den Heiligen Geist auf eine geistliche Weise und nicht nach menschlicher Programmierung. Und es muss „in Wahrheit“ geschehen, also gemäß der Offenbarung, die Er von sich selbst in der Bibel gegeben hat, und nicht so, wie wir meinen, über Gott denken zu können.

Bei Gideon ist dies auch so. In Ri 6:20 gibt Gott auch an, was er mit dem Opfer tun soll. Er muss es auf dem Felsen bringen (auch ein Bild Christi; Mt 16:18; 1Kor 10:4). Der Vers schließt so schön mit den Worten „und er tat so“. Der Vers gibt die wunderbare Gesinnung Gideons an. Es ist zu wünschen, dass dies auch unsere Gesinnung wäre.

Gott nimmt das Opfer an

Die Weise, wie der HERR das Opfer behandelt, ist beeindruckend. Er berührt es mit dem Stab, den Er in der Hand hält. Dieser Stab ist ein Herrscherstab, ein Zepter. Solch ein Stab wird von vornehmen Personen getragen, die Befehlsgewalt über andere haben. Er ist ein Zeichen königlicher Würde (Est 4:11; Est 5:2). Der HERR in seiner Erhabenheit und Majestät nimmt das Opfer an, das Gideon in seiner Schwachheit bringt.

Es kommt Feuer, ein Bild der untersuchenden und prüfenden Heiligkeit Gottes, aus dem Felsen und verzehrt das Opfer. Nachdem er das Opfer Gideons auf diese Weise angenommen hat, verschwindet der HERR von der Bildfläche.

Durch dieses Opfer nimmt Gideon seinen wahren Platz vor Gott ein. Allein auf der Grundlage des Opfers Christi ist jemand vor Gott angenehm und kann Gott ihn akzeptieren. Damit ist die Basis für Gideons weiteren Dienst gelegt.

Wehe mir

Und dann ertönt das „Ach“, im Sinn von „Wehe mir!“ Gideon ist sich nämlich dessen bewusst geworden, dass er dem HERRN Auge in Auge gegenübergestanden hat. Plötzlich wird er sich in vollem Maße bewusst, mit wem er es zu tun hatte. Dieses Bewusstsein zerbricht ihn völlig. Jeder Gedanke an sich selbst und an sein eigenes Können verschwindet. Allein der HERR bleibt in seiner Größe und Herrlichkeit übrig, und das ist der richtige Ausgangspunkt für den kommenden Kampf. Es macht klein, und zugleich gibt es Vertrauen.

Bei Jesaja sehen wir dieselbe Reaktion, als er von Gott berufen wird. Er sieht den HERRN auf einem hohen und erhabenen Thron, während er die Seraphim einander zurufen hört: „Heilig, heilig, heilig ist der HERR der Heerscharen … Und ich sprach: Wehe mir! Denn ich bin verloren; denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen, und inmitten eines Volkes mit unreinen Lippen wohne ich“ (Jes 6:1-6). Jesaja kommt zu diesem persönlichen Ausruf, nachdem er im vorausgegangenen Kapitel bis zu sechsmal das „wehe denen“ (Jes 5:8-23) über verschiedene Gruppen von Menschen und die verschiedenen Sünden, die sie betrieben, ausgesprochen hat.

Bevor er zu ihnen gesandt werden kann, muss er zuerst erkennen, dass er selbst nicht besser ist. Gott bringt ihn dazu, indem er ihn Auge in Auge Ihm selbst und seiner Herrlichkeit gegenüberstellt. Das lässt ihn dann zum siebten Mal ein „wehe“ ausrufen, doch nun über sich selbst. Dann gibt Gott Jesaja den Beweis der Versöhnung, und er ist bereit, dorthin zu gehen, wohin Gott ihn senden wird und das zu tun, was Er von ihm verlangt: „Hier bin ich, sende mich“ (Ri 6:6-8).

Dies ist die beste und gründlichste Weise der Vorbereitung zum Dienst. Sie deutet einerseits auf einen tiefen Eindruck über das Wesen des Menschen hin und zeigt die eigene Unwürdigkeit und Unfähigkeit. Andererseits wird dieser Eindruck in der Gegenwart Gottes, des Allmächtigen, gewonnen, und das ist eine enorme Ermutigung dafür, das zu tun, was Er von uns verlangt. Er sendet aus und ist mit jedem, der auf der Grundlage des Opfers seines Sohnes steht (Ri 6:14; 16; 21).

Friede

Dann hört Gideon das „Friede dir“ aus dem Mund des HERRN. Er brauchte sich nicht zu fürchten, weil er dem HERRN Auge in Auge gegenübergestanden hat. Er ist durch das Opfer doch von Gott angenommen worden. Er kann jetzt in Frieden gehen. Viele haben diesen Frieden ihres Gewissens bekommen, nachdem sie im Glauben das Werk des Herrn Jesus angenommen haben: „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott“ (Röm 5:1). Das ist der Frieden, über den der Herr Jesus spricht, als Er sagt: „Frieden lasse ich euch“ (Joh 14:27a).

Durch den Frieden mit Gott, der durch den Herrn Jesus auf dem Kreuz bewirkt worden ist, ist kein Platz mehr für Angst vor Gott. Wenn man vor Gott Angst hat, wird man dem Werk des Herrn Jesus nicht gerecht. Gott hat das Werk seines Sohnes angenommen und den Beweis dafür gegeben, indem er Ihn aus den Toten auferweckte und Ihm einen Platz an seiner Rechten im Himmel gab.

Die Furcht bei Gideon ist weg, und er baut einen Altar mit dem schönen Namen: „Der HERR ist Frieden.“ Dies lässt erkennen, dass Gideon kein Problem mit der Angst mehr hat. Er nimmt nicht länger seine Gefühle zum Ausgangspunkt, sondern den HERRN selbst. Der Friede, den er jetzt besitzt, ist nicht die Folge eines guten Gefühls, sondern erwächst aus der Erkenntnis der Person des HERRN. Er hat diesen Frieden gemacht. Das macht Gideon zu einem Anbeter, wovon der Altar, den er baut, spricht. Hier sehen wir die erste Auswirkung, die der empfangene Friede hat: Gott wird dafür angebetet.

Dieser Friede wirkt sich im Leben Gideons auch praktisch aus; das sollte auch in unserem Leben so sein. Den inneren Frieden, den er jetzt besitzt, hat er in der Erfüllung der Aufgabe gezeigt, die ihm aufgetragen worden war. Dieser Friede ist ein Zeugnis in der Umgebung geblieben, in der er wohnt. Es ist kein vergänglicher Friede. Er hat in diesem Frieden gelebt und so die Feinde bekämpft.

Das ist der Friede, über den der Herr Jesus spricht, als Er sagt: „Meinen Frieden gebe ich euch“ (Joh 14:27b). Dieser Frieden ist sein eigener Frieden, den Er auf dem Weg hatte, weil der Vater Ihn beauftragt hat, diesen Weg zu gehen. Dieser Friede darf das Teil jedes Menschen sein, der im Auftrag Gottes einen Dienst zu verrichten hat. Es ist dieser Friede, der am Anfang vieler Briefe des Neuen Testaments den Lesern gewünscht wird.

Copyright information for GerKingComments