‏ Genesis 1

Kapitel 1

1
[Status: Ungeprüft]
Im (nach/vor dem) Anfang von Gottes Schöpfung (Teilung?
Zu Teilung s. Anmerkung b.
) von Himmel und Erde (der Welt)
Der Merismus „Himmel und Erde“ ist im Hebräischen der Standard-Ausdruck für den Kosmos/das Universum; vgl. z.B. Sasson 1992, S. 184; Westermann 1983, S. 140f.
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V. 1 wird hier verstanden als temporaler Nebensatz von V. 2; so z.B. auch Di Lella 1985, S. 129; Good 2009, S. 8; Gross 1980, S. 145; Nic §18. Die Syntax von Gen 1,1-3 wird in der Exegese allerdings sehr heftig diskutiert und viele weitere Vorschläge zur Deutung sind gemacht worden; s. genauer den Exkurs zur Syntax von Gen 1,1-3.
2war die Erde (- die Erde war)
war die Erde (- die Erde war) - Deutet man die Syntax von Gen 1,1 wie hier als temporalen Nebensatz, lassen sich Vv. 1-2 entweder auflösen als Nebensatz - Hauptsatz („Als Gott begann, Himmel und Erde zu schaffen, war die Erde...“) oder V. 2 könnte als Parenthese gedeutet werden („Als Gott begann, Himmel und Erde zu schaffen - die Erde war... - sprach Gott:“). Beide Auflösungen sind gleichermaßen möglich; s. Anmerkung c.
nicht und nichts (leer, sinnlos, zerstört?, chaotisch?)
nicht und nichts (leer, sinnlos, zerstört?, chaotisch?) - Die Bedeutung des hebräischen tohu wabohu (hier: „nicht und nichts“; meist: „wüst und leer“) ist umstritten; s. Anmerkung d. Nach unserer Auffassung ist die Wendung hier so zu verstehen, dass am Anfang von Gottes Schöpfungstat die Erde noch nicht existierte, sondern Gott zunächst das Meer verlagern muss, um den so entstehenden trockenen Boden dann zur „Erde“ machen zu können.
: (stattdessen) Dunkelheit [war] über der Oberfläche (dem Gesicht) der Tiefe (Urtiefe,
Tiefe (Urtiefe, Wasser) - Im hebräischen Wort tehom („Tiefe“) wollen einige Exegeten Überreste mythischer Vorstellungen entdecken und es entsprechend der Chaos-/Meeresgöttin Tiamat interpretieren. Und tatsächlich wird es häufiger in Kontexten verwendet, die zumindest mythisierende Sprache verwenden; es kann aber auch einfach für große Wassermassen stehen (beides gilt genau so für das folgende majim („Wasser“). Da meist angenommen wird, der Verfasser von Gen 1 würde das ganze Kapitel hindurch Entmythisierungsstrategien anwenden (s. FN aa), ist wahrscheinlich auch hier eher Letzteres der Fall.
Wasser) und ein Wind Gottes stürmte (der Atem Gottes wehte, ein starker Wind stürmte, der Geist Gottes schwebte)
ein Wind Gottes stürmte (der Atem Gottes wehte, ein starker Wind stürmte, der Geist Gottes schwebte) - Heb. ruach haelohim. Das hebräische ruach ließe sich sowohl lesen als „Geist“, „Hauch“ oder „Wind“; elohim kann entweder „Gottes“ heißen oder aber superlativische Bedeutung haben. Diese Vieldeutigkeit hat dazu geführt, dass jede der oben angeführten Übersetzungsmöglichkeiten mehrfach vertreten wurden. Das stärkste Indiz für die richtige Deutung ist das Verb rachaf: Früher wurde es häufig mit „brütete“ oder „schwebte“ übersetzt, aber ebenso wie verwandte syrische (racheph) und ugaritische (rchp) Wörter (-> Etymologie) bezeichnet es wohl eigentlich eine schnelle Bewegung (vgl. z.B. Cassuto 2005, S. 25; Galling 1950, S. 153; Speiser 1964, S. 5) - in Dtn 32,11 beschreibt es das „Flattern“ eines Adlers (vgl. dazu z.B. Rechenmacher 2002, S. 13); in Jer 23,9 vermutlich das „Zittern“ der Knochen im Leib. Die Bedeutung „stürmen“ lässt sich mit diesem Wort vereinbaren ; „wehen“ oder „schweben“ jedoch nicht - und das weist stark in Richtung „Wind, Sturm“. Da weiterhin eine andere Bedeutung als „Gottes“ für elohim hier nicht sehr wahrscheinlich ist – bedenkt man, wie oft es sonst noch in Gen 1 in dieser Bedeutung steht – sollte man sich am ehesten für „Wind/Sturm Gottes“ entscheiden; so z.B. auch Bandstra 2008; Drouot et al. 2000; Good 2009; Merlo 2008; Wenham 1987; Westermann 1983.
über der Oberfläche (dem Gesicht) des Wassers (der Wasser).
3Da
Mit der hebräischen Verbform Wayyiqtol setzt in Vers 3 zum ersten Mal die Handlung ein; Vv. 1-2 geben Hintergrundinformationen. In der LF sollte man das besser ausdrücklich machen, z.B. durch die Einfügung eines solchen „Da“.
sprach Gott: Helligkeit (Licht)
Gen 1 wird u.a. beherrscht von folgendem Strukturprinzip: Gott ruft ein nur abstrakt bezeichnetes Etwas ins Sein, anschließend gibt er ihm einen Namen, unter dem es auch heute bekannt ist (etwa: „Helligkeit“ für „Tag“ und „Finsternis“ für „Nacht“; „etwas Schalenförmiges“ für „Himmel“, „etwas Trockenes“ für „Erde“ usw.; vgl. Good 2009, S. 12). In der Studienfassung haben wir versucht, dieses Muster stets ausdrücklich zu machen.
soll (wird) entstehen (sein, werden)! Da entstand (war, wurde) Helligkeit (Licht).
4Gott sah, dass die Helligkeit (das Licht) gut war.
W. „Gott sah die Helligkeit, dass gut“; zur Syntax s. Anmerkung e.
Dann trennte (teilte, unterschied) Gott {zwischen}
{zwischen} - Das Heb. ben („zwischen“) wird im Hebräischen doppelt gesetzt („zwischen X und Y“); im Dt. kann dies ohne Bedeutungsverlust natürlicher ausgedrückt werden.
die Helligkeit (das Licht) {und} von (zwischen) der Finsternis (Dunkelheit).
5Gott nannte (rief) die Helligkeit (das Licht) „Tag“, die Finsternis (Dunkelheit) aber nannte (rief) er „Nacht“. Es wurde (war) Abend und es wurde Morgen: Ein „Tag“ (der erste Tag)
Ein „Tag - „Tag“ wird hier näher bestimmt durch die Zahl  אֶחָד „eins“, da im Heb. eine Aufzählungsreihe auch lauten kann: „Eins, zweitens, drittens...“ (vgl. z.B. Speiser 1964, S. 6). Es ist aber gut möglich, dass diese Regel hier keine Anwendung findet und der Autor aus einem anderen Grund nicht das Ordnungszahlwort, sondern das Grundzahlwort verwendet: König 1919, S. 143f.; Sasson 1992, S. 191 und Steinmann 2002, S. 583f. gehen davon aus, dass der Sinn dieser beiden Worte der ist, dass Gott nach der Definition des Unterschieds von „Tag“ und „Nacht“ gleich noch ineins damit eine „zeitliche Ordnung“ ins Sein setzt und deshalb als Grundeinheit der Zeit nun auch die zeitliche Größe „Tag“ definiert: Es muss einmal Abend werden und einmal Morgen werden, dann ist die Zeitspanne von „einem Tag“ vergangen (vgl. ähnlich Westermann 1983, S. 155).
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6Dann sprach Gott: Ein Schalenförmiges (Gewölbe, Firmament)
Schalenförmiges (Gewölbe, Firmament) - Im alten Israel stellte man sich den Himmel vor wie eine Art metallene Käseglocke, die die überirdischen Wasserfluten zurückhält (vgl. z.B. Soggin 1997, S. 33). Die Vulgata übersetzte es mit firmamentum („etwas fest Gefügtes“) - dem Etymon für unser „Firmament“, womit dieses Wort denn meist auch ins Dt. übersetzt wrd, was aber das in FN j beschriebene Textmuster verschleiert. Der hebräische Ausdruck ist in unserem Kontext gerade deshalb ungewöhnlich, weil ein Begriff „aus dem Bereich der Metallurgie“ (van Wolde 2009, S. 9) auf den Himmel angewandt wird. Man sollte daher besser nicht mit einem geläufigen Begriff übersetzen. Die Übersetzung „schalenförmig“ stammt von Good 2009, S. 12.
soll (wird) inmitten des Wassers entstehen (sein, werden) und es soll ein Trenner zwischen Wasser und Wasser sein (es soll Wasser von Wasser trennen). [So geschah (war) es]
Textkritik: Die meisten Exegeten folgen LXX und verschieben das „so geschah es“ vom Ende von V. 7 ans Ende von V. 6, da es auch sonst unmittelbar auf den Schöpfungsbefehl folgt; vgl. z.B. Westermann 1983, S. 109.
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7Gott machte das Schalenförmige (Gewölbe, Firmament) und trennte (teilte, schied) [so] {zwischen} das Wasser {welches} unterhalb des Schalenförmigen (Gewölbes, Firmaments) {und zwischen} [vom] Wasser {welches} über dem Schalenförmigen (Gewölbe, Firmament).
V. 7: W.: „das Wasser, das unterhalb des Schalenförmigen [war/ist/sein würde] und das Wasser, das oberhalb des Schalenförmigen [war/ist/sein würde].“
{So geschah (war) es.}
8Gott nannte das Schalenförmige (Gewölbe, Firmament) „Himmel“. Es wurde (war) Abend und es wurde Morgen: Ein zweiter Tag. 9Dann sprach Gott: Das Wasser (die Wasser) soll sich von unter dem Himmel [weg] an (zu … hin) einen Ort sammeln (gesammelt werden) und Trockenes (das Festland) soll zum Vorschein kommen (erscheinen, sich zeigen). So geschah (war) es. 10Gott nannte (rief) das Trockene (das Festland) „Erde“ und den Ort des Wassers nannte (rief) er „Meer“. Gott sah, dass [es] gut [war]. 11Weiterhin sprach Gott: Die Erde soll auf Erden Grünes grünen lassen:
Grünes grünen lassen: - Theoretisch ließe sich im MT auch ein Dreischritt lesen: „Die Erde soll grünen lassen: (1) Grünes, (2) Getreide und (3) Fruchtbäume“. Vermutlich ist aber  דֶּשֶׁא Grünes als Oberbegriff von „Getreide“ und „Fruchtbäumen“ zu verstehen; vgl. z.B. Bandstra 2008, S. 65; Cassuto 2005, S. 40; Wenham 1987.
Samen tragendes Getreide (Pflanzen)
Getreide (Pflanzen) - Meist allgemein übersetzt als „Pflanzen“ oder „Kraut“. Hier ist es aber näher bestimmt dadurch, dass es zera` tragen soll. Dies steht in der Bibel sehr eindeutig für Samen und Saatgut. Entsprechend wird es sich wohl auch hier sehr sicher um eine Nutzpflanzen handeln: `eßeb mazrij`a zera` ist das „Frucht bringende Getreide“; `ets peri sind (unbestritten) die Fruchtbäume - Gott lässt zu Schöpfungsbeginn ausschließlich „sinnvolle“ Pflanzen sprießen.
und
Textkritik: Ergänze mit Soggin 1997, S. 36; Westermann 1983, S. 110 vor `ets („Bäume“) die Konjunktion we („und“) (so auch viele Manuskripte), da sonst „Bäume“ in Apposition zu „Getreide“ stünde.
verschiedenste Arten von
verschiedenste Arten von - das i.d.R. mechanisch übersetzte „nach ihrer Art“ ist sehr wahrscheinlich adjektivisch als Ausdruck für „jeglicher Art“ bzw. „verschiedenste Arten von...“ zu verstehen; so zuletzt wieder Neville 2011, S. 216; ähnlich auch schon Driver 1905, S. 9. Sehr gut übersetzt es Speiser 1964 („various kinds“).
Frucht tragenden Fruchtbäumen, {die} [deren Früchte] ihren Samen in sich haben. So geschah es.
12Die Erde lies Grünes grünen: verschiedenste Arten von Samen tragendem Getreide und verschiedenste Arten von Frucht tragenden Fruchtbäumen, {die} [deren Früchte] ihren Samen in sich haben. Gott sah, dass es gut war (ist). 13Es wurde (war) Abend und es wurde Morgen: Ein dritter Tag. 14Dann
Vv. 14-18: Für gewöhnlich geht man davon aus, dass die Funktion von Vv. 14-18 eine polemische ist: Der Autor von Gen 1 schreibt gegen die verbreitete Vorstellung an, die Himmelskörper seien göttliche oder göttergleiche Wesen und macht aus ihnen stattdessen „Lichter“, die er am Himmel „befestigt“. Von hier aus entdeckt man dann auch in V. 21 eine „Entmythologisierungsstrategie“: Die „Seeungeheuer“ sind keine mythischen Wesen mehr, sondern werden in einem Atemzug mit den anderen Geschöpfen Gottes genannt. Notwendig ist das nicht: Cooley 2013 z.B. geht davon aus, dass es „zu keinem Zeitpunkt von der Bronzezeit bis zur Zeit des Zweiten Tempels der Fall gewesen sei, dass die Einwöhner der südlichen Levante die himmlichen Heerscharen nicht als beseelt und belebt verstanden.“ (Cooley 2014, S. 183) - auch nicht in Gen 1. Dass die Himmelskörper in V. 14 zunächst als „Lichter/Lampen“ bezeichnet werden, ließe sich auch einfach mit dem in FN j beschriebenen Strukturprinzip, und es ist ja doch auffällig, dass der Autor von Gen 1 die mythischen Vorstellungen der „Urtiefe“ (V. 2), der den Himmel „beherrschenden“ Himmelskörper (Vv. 15f) und der „Seeungeheuer“ (V. 21) nicht ausschweigt, sondern gerade explizit in die Schöpfungserzählung aufnimmt. Dem folgend ließe sich das Anliegen von Vv. 14-18 auch so verstehen, dass der Abschnitt zwar durchaus noch von mythischen Vorstellungen geprägt ist und besagte „Wesen“ - Sonne, Mond, Sterne und Seeungeheuer - durchaus noch mythisch verstanden werden, aber eben bewusst als Gott untergebene Geschöpfe dargestellt werden sollen. Doch ist das eine Minderheitenmeinung; man sollte besser mit dem größten Teil der Exegeten von einem „Entmythologisierungsanliegen“ des Autors ausgehen.
sprach Gott: Lichter sollen am Schalenförmigen (Gewölbe, Firmament) des Himmels (, das der Himmel ist)
wohl zu lesen als epexegetische Constructus-Verbindung (also „am Schalenförmigen, d.h. am Himmel“); übersetze in der LF besser schlicht „Himmel“.
entstehen (sein), um (so dass) {zwischen} den Tag {und} von (zwischen) der Nacht zu trennen (teilen, scheiden). Sie sollen als Zeichen für (und als)
wohl explikatives Waw; siehe nächste Fußnote. vgl. auch Cassuto 2005, S. 44; Cole 2007; König 1919, S. 149; Speiser 1964, S. 6.
Festzeiten (Jahreszeiten)
 מוֹעֲדִים ließe sich sowohl als Ausdruck für „Jahreszeiten“ als auch für „Festzeiten“ lesen. Die erste Lesart vertritt z.B. Soggin 1997. Die Reihung „Jahreszeiten, Tage und Jahre“ ist aber merkwürdig „chaotisch“; aus diesem Grunde sollte man wohl eher die zweite Lesart wählen (vgl. dazu auch Rudolph 2003, dessen Untersuchung ergibt, dass „the plural form of mô`êd means 'festivals' one hundred percent of the time in the Torah.“ (S. 40)) - die Planeten sind Zeichen sowohl für die kultische als auch die weltliche Zeitordnung („Tage und Jahre“ ist wohl ein stehender Ausdruck für eine unbestimmte Zeitspanne; vgl. noch 1Sam 29,3 und 4Q385, Frg. 3 („Ich messe die Zeit / und verkürze Tage und Jahre.“). Möglich wäre außerdem, nicht zu lesen als „Zeichen für Festzeiten...“, sondern als „Sie sollen dienen als Zeichen, als Festzeiten, als...“; so z.B. Tigchelaar 2005. Während aber einleuchtend ist, wie Planeten als „Zeichen“ dienen sollen (etwa als „Omen“), ist nicht ersichtlich, wie Planeten „als Jahreszeiten, Tage und Jahre“ dienen wollen; vorzuziehen ist daher wohl doch die traditionelle Übersetzungsweise
und für (als) Tage und Jahre dienen (sein)
15und sie sollen als Lichter
Textkritik: Ehrlich 1908 schlägt die Textkorrektur von  למערת zu  המערת vor;  המערת müsste dann als Subjekt des Satzes gelesen werden („Die Lichter am Himmel sollen dazu dienen, über der Erde zu leuchten.“), da sonst „das, wozu das Subjekt werden soll [=Lichter] sich [...] von dessen vorläufiger Beschaffenheit [=Lichter] durch nichts unterscheide[n würde]; vgl. Saadja.“ Das ist ein sehr sinnvoller Vorschlag; allerdings weist Wenham 1987 auf eine ähnliche Tautologie in Num 15,39 hin, so dass er wohl nicht nötig ist.
am Schalenförmigen (Gewölbe, Firmament) des Himmels (, das der Himmel ist) dienen (sein), um (so dass) über der Erde zu scheinen (leuchten). So geschah (war) es.
16Gott machte die beiden großen Lichter: das größere (große)
W. „das große Licht“, aber Adjektive mit Artikel dient im Hebräischen u.a. auch zur Wiedergabe des Komparativs; vgl. ad loc. z.B. HKL III §308a.
Licht zur Herrschaft (Beherrschung) über den Tag (am Tag)
über den Tag (am Tag) + über die Nacht (zur Nacht) - Bandstra bezweifelt, dass „Tag“ und „Nacht“ Entitäten seien, die „beherrscht“ werden könnten und liest daher die Präpositionalphrase  בַּיּוֹם nicht als „zur Herrschaft über den Tag...“, sondern so, dass sie „the range or domain over which rule is exercised“ (S. 79) angeben würden (also „zur Herrschaft bei Tag und bei Nacht“). Grammatisch ist das möglich; dann wäre aber zu fragen, wen Sonne und Mond denn dann beherrschen sollen, wenn nicht Tag und Nacht? Zum Anliegen der Aussage vgl. FN aa
und das kleinere Licht zur Herrschaft (Beherrschung) über die Nacht (zur Nacht); auch die Sterne
Oder: „das kleinere Licht und die Sterne zur Herrschaft über die Nacht“ (nach Driver 1885, S. 33: „Wenn hebräische Autoren einen Satz mit doppeltem Subjekt (oder Objekt) konstruieren, tun sie dies gewöhnlich - und sogar recht häufig -, indem sie den Satzteil, der eines der beiden Subjekte (oder Objekte) enthält, zu Ende führen und dann das zweite an diesen Satzteil anhängen.“ (meine Üs.); ebenso z.B. Michel 1997b, S. 171) Diese Beobachtung Drivers ist recht sicher richtig (ein deutliches Beispiel ist Num 16,18: „Jedermann nahm seine Räucherpfanne ...; ebenso Moses und Aaron“ = „Jeder - unter anderem auch Moses und Aaron - nahm seine Räucherpfanne...“). Es ist uns aber keine Übersetzung bekannt, die so übersetzt; für Gen 1,16 wäre das also eine Minderheitenmeinung.
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17Gott setzte (gab) sie an (in) das Schalenförmige (Gewölbe, Firmament) des Himmels (, das der Himmel ist), damit (so dass) sie über der Erde schienen (leuchteten) 18und damit (so dass) sie über den Tag und die Nacht herrschten und damit (so dass) sie {zwischen} die Helligkeit (das Licht) {und} von (zwischen) der Finsternis (Dunkelheit) trennten (teilten, schieden). Gott sah, dass [es] gut [war]. 19Es wurde (war) Abend und es wurde Morgen: Ein vierter Tag. 20Dann sprach Gott: Das Wasser (die Wasser) soll schwärmen mit Schwärmen lebendiger Wesen (Seelen, Leben) und Vögel (fliegende Tiere)
Schließt auch Insekten mit ein (DBL Hebrew 6416); Satzstruktur: Nomen - Verb; wohl wieder eine Topikalisierungsstrategie - Versteil 1 handelt von den „Schwärmen lebendiger Wesen“; von den „Vögeln“ dagegen handelt Versteil 2.
sollen über der Erde unter (an)
Ein etwas eigentümlicher Ausdruck, w.: „Auf/Über/An der Erde, auf/über/an dem Schalenförmigen des Himmels“. Da der Himmel als feste Barriere gedacht ist, kann hier nur „zwischen dem Gewölbe und der Erde“ gemeint sein; übersetze daher „unter dem Himmel“.
dem Schalenförmigen (Gewölbe, Firmament) des Himmels (, das der Himmel ist) fliegen.
Textkritik: LXX ergänzt: „So geschah es“; ihr folgt z.B. Scharbert 1990, S. 40. Vergleiche aber dazu Fußnote t.
21Gott erschuf die großen Meereslebewesen (Seeungeheuer, Seeschlangen, das Seeungeheuer)
Mit den  תַּנִּינִם werden sehr häufig mythische Meereswesen bezeichnet. BerR deutet sie auch hier als Behemoth und Leviathan, und es scheint tatsächlich so, dass v.a.  תַּנִּינִם und Leviathan häufig synonym verwendet werden (der Plural wäre z.B. erklärbar als pluralis intensivus; „die Tanninim“ könnten dann übertragen werden etwa mit „das große Monster“ o.Ä. (vgl. z.B. Ember 1905, S. 202)). Hier aber werden die  תַּנִּינִם wohl entmythisiert (allerdings vgl. FN aa): ebenso wie Sonne und Mond gehören auch sie zu Gottes Geschöpfen (vgl. Vogels 2011). Man sollte  תַּנִּינִם daher am Besten so unbestimmt übersetzen, wie das oben vorgeschlagen wurde.
und all die verschiedenen Lebewesen, die im Wasser schwärmen (wimmeln) und all die verschiedenen geflügelten Tiere
so KBL3, S. 463 ad loc.; wörtlich „Vögel des Flügels“; wohl attributive Constructus-Verbindung.
. Gott sah, dass [es] gut [war].
22Und Gott segnete sie folgendermaßen (indem er sprach)
das Hebräische leitet des Öfteren Zitate mit mehreren Verba dicendi ein; in einer Übersetzung ins Deutsche kann das zweite Verb dann ohne Bedeutungsverlust gestrichen werden.
: „Seid fruchtbar und vermehrt euch (werdet zahlreich)
Wortspiel im Hebräischen: perû ûre. Möglicherweise als Hendiadyoin aufzufassen: »Seid höchst fruchtbar« (so Wenham 1987). Das ließe sich sogar historisch erklären; im Alten Israel war offenbar die Ansicht verbreitet, dass »das Fischgeschlecht sehr geil ist« (so Lewysohn 1858, S. 355, zum Talmud).
und füllt das Wasser im Meer (in den Meeren), und die Vögel sollen sich über (auf, in) der Erde vermehren (zahlreich werden)!“
23Es wurde (war) Abend und es wurde Morgen: Ein fünfter Tag. 24Dann sprach Gott: Die Erde soll verschiedenste Arten von Lebewesen hervorbringen: Verschiedenste Arten von Vieh, Reptilien (kriechende Tiere)
Zur Übersetzung mit „Reptilien“ vgl. die übernächste Fußnote.Im MT werden diese Reptilien in fünf verschiedenen Versen jeweils anders bezeichnet: {| class="wikitable" |-class="hintergrundfarbe5 ! Vers || Hebräisch || Deutsch |- | V. 24 ||  רֶמֶשׂ || Reptilien |- | V. 25 ||  כָּל-רֶמֶשׂ הָאֲדָמָה || Alle Boden-Reptilien |- | V. 26 ||  כָל-הָרֶמֶשׂ הָרֹמֵשׂ עַל-הָאָרֶץ || Alle Reptilien, die auf der Erde kriechen |- | V. 28 ||  כָל-חַיָּה הָרֹמֶשֶׂת עַל-הָאָרֶץ || Alle Lebewesen, die auf der Erde kriechen |- | V. 30 ||  כֹל רוֹמֵשׂ עַל-הָאָרֶץ || Alles auf der Erde kriechende |- |} Sinndifferenzierend scheint das nicht zu sein, und es ist uns auch noch keine Auslegung untergekommen, die auf diese Merkwürdigkeit überhaupt eingegangen wäre. Westermann weist zumindest darauf hin, dass die Tierarten in V. 24 und V. 25 unterschiedlich und in unterschiedlicher Reihenfolge bezeichnet werden; er führt das aber darauf zurück, dass „der klassifizierende Zug, der sich durch Gn 1 hindurchzieht, den Schöpfungserzählungen ursprünglich fremd ist [... und] die hier genannten drei Arten der Landtiere nicht eine alte, fest geprägte und vorgegebene Gruppierung darstellen, sondern eher einen tastenden Versuch, die Fülle der Landtiere in Hauptarten zu gliedern.“ (S. 197). Aber mindestens das obige Phänomen scheint viel zu bewusst gestaltet, als dass diese Erklärung wirklich einleuchtend wäre; wahrscheinlich handelt es sich eher um eine stilistische Variation. Das selbe gilt wohl auch für die von Westermann genannte Reihenfolge der Nennung der Landtiere: (1) V. 24: Vieh - Reptilien - wilde Tiere; (2) V. 25: Wilde Tiere - Vieh - Reptilien; (3) V. 26: Vieh - wilde Tiere - Reptilien. Das einfachste wird wohl sein, es in der Lesefassung jedes Mal schlicht mit „Reptilien“ zu übersetzen.
und wilden Tieren
Im MT ist an „Tiere“ ein „überflüssiges“ Waw angehängt, das wohl als (bedeutungsloses) paragogisches Waw aufzufassen ist; so z.B. Wenham 1987.
(Tieren des Feldes).
Sg., da Kollektivnomen. So auch in den folgenden Versen. Zur „Gattung“ der bezeichneten Tiere vgl. Scharbert 1990, S. 44: „Von den verschiedenen Tiergattungen werden nur die für den Menschen wichtigsten und auffälligsten aufgezählt. Das mit »Vieh« in der EÜ wiedergegeben Wort bezeichnet in H nicht nur die Haustiere, sondern alle größeren Säugetiere; die »Tiere des Feldes« sind im AT in der Regel das jagdbare Wild; die »Kriechtiere« sind die Landreptilien.“
So geschah (war) es.
25Gott machte verschiedenste Arten von wilden Tieren (Tieren des Feldes), verschiedenste Arten von Vieh und all die verschiedenen Arten von Reptilien (kriechenden Tiere). Gott sah, dass [es] gut [war]. 26Weiterhin sprach Gott: Ich will (Wir wollen/werden, Lasst uns)
Es gibt verschiedene Theorien, warum Gott hier im Plural spricht; die meisten werden gut von Clines 1968 wiederlegt. Eine gute Übersicht über die Positionen gibt Westermann 1983, S. 200f. Am meisten Anhänger hat heute wohl die Position, die im Plural einen plural deliberationis sieht (vergleichbar dem deutschen „Dann wollen wir mal X tun“ der Selbstermunterung; im Deutschen aber wahrscheinlich mehr der Umgangssprache zuzuordnen als im Hebräischen, daher keine gute Übersetzung. Übersetze: „Ich will“); vgl. Cassuto 2005, S. 55; Clines 1968, S. 68 (mit Einschränkung); JM §114; Junker 1953, S. 13; Koehler 1969, S. 9; König 1919, S. 154f.; Scharbert 1990, S. 44; Westermann 1983, S. 201. Ähnlich schon BerR: „Nach R. Ami berieth sich Gott mit seinem Herzen.“ (Üs. nach Wünsche 1881, S. 31)
Menschen (die Menschheit, Adam)
Das im Hebräischen häufige Wort für Mensch ist zugleich der Name des ersten Menschen Adam ( אָדָם ), hier wird es aber vermutlich nicht als Personenname, sondern als Gattungsbezeichnung verwendet, da im Folgevers mit Artikel auf das Wort Bezug genommen wird.  אָדָם ist von dem Wort  אֲדָמָה („Erdboden“) abgeleitet, das etwa in V. 25 verwendet wurde („Boden“). S.a. NET.
als mir (uns) ähnliches
W. auf den ersten Blick: „als unsere Statue als unsere Ähnlichkeit“ (zu den Präpositionen vergleiche gut Clines 1968, S. 75f.; dass beide Präpositionen die selbe Bedeutung haben ist heute die Mehrheitsmeinung); meist wird das zweite Glied  כִּדְמוּתֵנוּ „als unsere Ähnlichkeit“ so aufgefasst, dass es das erste Glied  בְּצַלְמֵנוּ „als unsere Statue“ näher bestimmt; daher „uns ähnliches“ - vgl. Clines 1968, S. 70; Koehler 1969, S. 7f.; König 1919, S. 156; Schellenberg 2011, S. 82f.; Wenham 1987.
Bildnis (Stellvertreter, Widerpart)
 צֶּלֶם Bildnis wird in der Bibel v.a. dann verwendet, wenn von einer Statue nicht als bloßer Statue, sondern als wirkmächtiger Entität die Rede ist - v.a. im Zhg. mit Götzenbildern, die ein Götze sich als „Körper“ auserkoren hat. Entsprechend muss es dann wohl auch hier gedeutet werden; das Wort stellt den Menschen in eine Relation zu Gott: Der Mensch ist insofern  צֶּלֶם Gottes, als Gott in ihm und durch ihn auf Erden wirkt (so z.B. auch Clines 1968, S. 88: „According to Genesis 1:26f. man is set on earth in order to be the representative there of the absent God who is nevertheless present by His image.“). So wird das Motiv dann ja auch im Neuen Testament aufgegriffen: Jesus ist „als Ebenbild des unsichtbaren Gottes die Erscheinung, die Sichtbarwerdung Gottes selbst.“ (Schlink 1969, S. 97). Gen 1 greift damit auf ein Motiv zurück, das man v.a. im Zhg. mit dem ägyptischen und babylonischen Königtum kennt: Dort ist es der König, der als „Bild Gottes“ auf Erden regieren soll. Die übliche Übersetzung mit „Bildnis“ macht das nicht klar; die am leichtesten verständliche Entsprechung dazu wäre wohl das alte „Stellvertreter Gottes“. Wenn darauf folgend auch noch betont wird, dass der Mensch nicht nur Stellvertreter Gottes, sondern sogar ein Gott ähnlicher Stellvertreter Gottes ist, stellt dies nur noch eine Steigerung der mit  צֶּלֶם ausgedrückten, ohnehin schon engen Mensch-Gott-Relation dar.Für andere Übersetzungs- und Deutungsweisen vgl. Westermann 1983, der dazu einen elfseitigen Überblick über die Forschungsgeschichte bringt.
machen! (Damit)
Ob das Herrschen Sinn und Inhalt der Gottesebenbildlichkeit ist oder ob es sich nur sozusagen nebenbei daraus ergibt ist in der Forschung umstritten; „... machen, damit sie herrschen“ oder „... machen. Sie sollen herrschen“ ist beides gleich wahrscheinlich.
Sie sollen über die Fische {des Meers} und über die Vögel {des Himmels}
Die Kollokationen „Fische des Meeres“ und „Vögel des Himmels“ bezeichnen einfach nur „Fische“ und „Vögel“; „des Meeres/Himmels“ kann in der Übersetzung ausgespart werden
und über das Vieh und über die ganze Erde (alle wilden Tiere)
Textkritik: „über die ganze Erde“ fügt sich hier recht schlecht in den Textzusammenhang; viele (z.B. Drouot et al. 2000, S. 369; Speiser 1964, S. 7 und Westermann 1983, S. 110) ergänzen daher  הית, so dass der Text „Tiere des Feldes“ lauten würde. Alternativ könnte man deuten als Anakoluth und das Waw als Waw emphaticum lesen: „über die Fische, über die Vögel, über das Vieh - ja!, über die ganze Erde! - und über alle Reptilien, die auf der Erde kriechen.“ Von diesen beiden Möglichkeiten ist aber entschieden Variante 1 vorzuziehen.
und über alle auf der Erde kriechenden Reptilien (kriechenden Tiere) herrschen (knechten).
Die genaue Bedeutung von  רדה herrschen ist umstritten. Es scheint einige Kognate (->Etymologie) mit der Bedeutung „gehen, treten“ zu haben; daraus wird häufig die Grundbedeutung „niedertreten“ => „gewaltsam beherrschen“ abgeleitet. Ingressiv hat es wohl die Bedeutung „unterjochen“ (s. z.B. Zorell 758); durativ listen die meisten Lexika schlicht „herrschen“ fügen dann aber hinzu, dass es auch dann den „Nebensinn des Unterdrückens“ (so z.B. KBL3, S. 1110) habe (vgl. ähnlich z.B. Alter 1996, S. 5; Westermann 1983, S. 222). Einige Exegeten wollen demgegenüber  רדה sogar eine besonders sanfte Art des Leitens bedeuten lassen, so z.B. Zenger 1983, S. 91: „Das Wort bezeichnet eigentlich das Umherziehen des Hirten mit seiner Herde, der seine Herde auf gute Weide führt, der die Tiere gegen alle Gefahren schützt, sie vor Raubtieren verteidigt und die schwachen Tiere seiner Herde gegen die starken schützt und dafür sorgt, daß auch sie genügend Wasser und Nahrung finden.“ Gegen eine solche „sanfte“ Interpretation wendet aber neuerdings wieder überzeugend Schellenberg 2011 ein:
„Gegen eine zu friedliche Interpretation spricht vorab das im gleichen Kontext gebrauchte Verb  כבש, das - trotz gegenteiliger Beteuerungen v.a. von Lohfink und Koch - klar gewalttätig konnotiert ist [...]. Im Deutschen trifft man die Konnotation all der verschiedenen Verwendungszusammenhänge von  כבש wohl am besten mit der Übersetzung »unterwerfen.« Dass hinter den Herrschaftsaussagen von 1,26.28 nicht ein besonders friedliches Bild des Mensch-Tier-Verhältnisses stehen kann, zeigt auch die Reihe der dabei genannten Tiere: Sie umschliesst neben dem Vieh auch die Fische, die Vögel, das Kriechgetier und die wilden Tiere, die der Mensch weder »hüten« noch »domestizieren« kann.“ (S. 54f.)
Vor diesem Hintergrund scheint uns die Bedeutung „knechten“ eigentlich wahrscheinlicher als das allgemeine „herrschens“. Dies noch mehr, da die Priesterschrift (zu der auch Gen 1 gehört) Gott darstellt als transzendenten und „absoluten Herrscher“ - sogar so sehr, dass er zwei Kapitel später sozusagen einfach mal die ganze Erde vernichten kann, weil ihm nicht passt, wie sie sich entwickelt hat. Wenn richtig ist, was wir eben zur Gottesebenbildlichkeit des Menschen geschrieben haben, legt sich  רדה als ein Ausdruck einer absoluten (Gewalt-)Herrschaft gleich noch mal so nahe. Wir haben dennoch „herrschen“ als primäre Alternative angegeben, da diese Übersetzung am ehesten beiden Lagern gerecht werden kann.
27Gott schuf den Menschen als
wie V. 26 recht sicher Beth essentiae
sein Bildnis (Widerpart, Stellvertreter), als Gottes (göttliches) Bildnis (Widerpart, Stellvertreter) schuf er ihn, männlich und weiblich
Die beiden Termini zur Geschlechterdifferenzierung lassen sich auch auf Tiere anwenden; Scharbert 1990, S. 45 kommentiert daher, dass sie richtiger eigentlich mit „Männchen und Weibchen“ zu übersetzen wären. König 1919, S. 159 wählt diese Übersetzung dann auch tatsächlich. Da dies aber sehr unnatürlich klänge, sollte man die beiden Substantive in der LF doch besser als Adjektive übertragen.
schuf er sie.
zur Struktur des Minigedichts vgl. Andersen 1995, S. 60; Cassuto 2005, S. 57; Polak 2002, S. 15; Kselman 1978, S. 165f. Kselman identifiziert noch weitere Minigedichte in Gen 1; Polak 2002 geht sogar davon aus, dass es sich beim gesamten ersten Kapitel der Genesis um Poesie handle. Bis auf V. 27 ist das eine starke Minderheitenmeinung; auch wir fassen daher nur diesen Vers als Poesie auf.

28Dann segnete Gott sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch (werdet zahlreich)
Wortspiel im Hebräischen: perû ûre. Möglicherweise als Hendiadyoin aufzufassen: „Seid höchst fruchtbar“ (so Wenham 1987)
; füllt die Erde, unterwerft sie und herrscht über (unterjocht, macht euch Untertan)
Die Vokabel dient wohl ebenfalls (vgl. vgl. Fußnote ba) zum Ausdruck der Gewaltherrschaft. Hier ist das sogar noch wahrscheinlicher:  רְדוּ „herrscht/unterjocht“ folgt direkt auf  כִבְשֻׁהָ „unterwerft sie euch“. Zudem folgt direkt auf V. 28 V. 29: Die beiden Verse klären das Verhältnis des Menschen zu seiner Um- und Mitwelt. Die Pflanzen gibt Gott dem Menschen schon selbst (mit einem performativen Qatal: „Hiermit gebe ich euch“; s. dort) zu Eigen; Subjekt des Verbs ist Gott. Das Verhältnis von Mensch zu Welt und Tieren dagegen ist formuliert in Form eines Auftrags und Subjekt der Imperative ist der Mensch. Zudem - s. das obige Zitat Schellenbergs - ist Objekt der Imperative gerade nicht das „Vieh“, sondern die nicht domestizierbaren „Vögel, Fische und Reptilien“. Daher ist es sinnvoll, den Vers so zu verstehen, dass  רְדוּ „herrscht/unterjocht“ ebenso wie  כִבְשֻׁהָ „unterwerft“ und im Gegensatz zu  נָתַתִּי „Ich gebe euch“ nicht durative, sondern terminative Bedeutung hat und man richtiger übersetzen muss mit „unterwerft euch die Erde und macht euch Fische, Vögel und alle Reptilien Untertan!“ - so auch gut BigS: „Füllt die Erde und bemächtigt euch ihrer. Zwingt nieder die Fische des Meeres“; Kirchentags-Übersetzung: „Füllt die Erde und bemächtigt euch ihrer. Bezwingt die Fische des Meeres...“; ähnlich auch Alter 1996 („hold sway“), Delitzsch 1887 („bezwingt die Erde und unterwerft euch...“); Good 2009 („subdue“); Speiser 1964 („subject“).
die Fische {des Meeres}, über die Vögel {des Himmels} und über alle Reptilien (alle Lebewesen, die auf der Erde kriechen)!
29Weiterhin sprach Gott: Hiermit (siehe) gebe ich euch
Durch  הִנֵּה siehe markiertes performatives Qatal (vgl. z.B. JM §112f; Nic §67) zum Ausdruck eines Sprechakts; es wird damit ausgedrückt, dass mit dem Moment der Äußerung das Geäußerte bereits Realität wird (vergleichbar z.B. mit: „Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau.“). Vgl. ad loc. auch Zenger 1983, S. 97.
euch alles Samen tragende Getreide
Zur Übersetzung „Getreide“ s. FN x
, das auf der Oberfläche (dem Gesicht) der ganzen Erde [ist], und alle Bäume, die in ihren Baumfrüchten (Früchten des Baums) Samen tragen (samen). Sie sollen (werden) euch als (zur) Nahrung dienen (gehören, sein).
Viele Exegeten halten für wahrscheinlich, dass in diesem Vers der Mensch als Vegetarier vorgestellt wird. Er wirkt auch tatsächlich so, allerdings hat Wenham 1987 ihn auf bedenkenswerte Weise kommentiert:
„Genesis 1 verbietet nicht den Verzehr von Fleisch, und es ist gut möglich, dass der Verzehr von Fleisch schon seit der Zeit der Ursünde ins Auge gefasst ist. Der Herr stattete Adam mit Kleidung aus Fell aus (3,21). Abel hütete und opferte Schafe (4,2-4) und Noah unterschied zwischen reinen und unreinen Tieren (7,2). Gispen könnte daher recht damit haben, wenn er vorschlägt, dass 9,3 nicht die nach-ursündliche Praxis des Fleischverzehrs einführt, sondern bloß billigt.“ (unsere Übersetzung)
30Auch allen wilden Tieren (Tieren des Feldes), allen Vögeln {des Himmels} und allen Reptilien (allen Tieren, die auf der Erde kriechen) [, allem]
Der Nebensatz „... das Lebensatem in sich hat (=das lebt)“ könnte sich sowohl nur auf die letzte Tiergruppe als auch auf alle drei Tiergruppen beziehen. Uns scheint letzteres wahrscheinlicher; in diesem Falle müsste man im Deutschen aber mit einem weiteren „allem“ neu einsetzen.
das in sich Lebensatem (lebenden Atem) hat (das lebt), [gebe ich (sollen sein)]
Dieser Satz hat kein Verb; man muss daher aus dem vorangehenden Satz ein Verb als double duty-Prädikat ergänzen (->Brachylogie). Die absolute Mehrheit ergänzt „ich gebe euch“; Bandstra 2008 schlägt aber vor: „sie sollen sein“ (=dienen). Das ist wahrscheinlich richtig: Vers 29 besteht aus zwei Sätzen: Im ersten gibt Gott dem Menschen die Pflanzen, im zweiten erklärt er, dass sie des Menschen Speise sein sollen. V. 30 steht parallel zum zweiten Satz und das letzte finite Verb ist nicht „ich gebe“, sondern „sie sollen sein“; zudem ist das folgende „So geschah es“ semantisch schwerlich kompatibel mit „Ich gebe ihnen die Pflanzen“ (Ehrlich 1908, S. 6 kommentiert es daher sogar mit „ ויהי כן [»so geschah es«] kann an dieser Stelle nur so verstanden werden, dass sich der Mensch und alle lebenden Wesen nach erhaltener Erlaubnis gleich über ihre Mahlzeit hermachen.“). Man sollte daher besser mit Bandstra „sie sollen sein“ ergänzen. Dem steht auch der folgende Objekt-Marker  אֶת nicht im Wege, da  אֶת nicht nur Objekte, sondern bisweilen auch Subjekte markieren kann (vgl. z.B. Rogland 2007, S. 411; ähnlich z.B. auch schon HKL III §270a; Wilson 1890, S. 221). Grammatisch möglich ist Bandstras Vorschlag allemal.
alle Pflanzen (Getreide?)
Anders als in Vv. 11.29 ist  עֵשֶׂב hier nicht durch   מַזְרִיעַ זֶרַע näher bestimmt; man dürfte es daher hier anders als in den beiden obigen Versen als Oberbegriff für „Pflanzen“ und nicht als „Getreide“ verstehen müssen.
als Nahrung [sein (dienen)]. So geschah (war) es.
31Gott betrachtete (sah), dass
Nach Verben des Wahrnehmens kann  הִנֵּה wohl auch als emphatische Relativpartikel dienen; vgl. KBL3, S. 242; ad loc. auch JM §177i. S. auch Gen 19,28: „Er sah, dass Rauch aufstieg.“; 22,13: „Er sah, dass ein Widder sich mit seinen Hörnern im Gestrüpp verfangen hatte.“; Ex 3,2: „Er sah, dass der Busch im Feuer brannte“ (LUT) u.ö. Das Waw ist entweder als emphatisches Waw, als pleonastisches Waw oder als Satztrennungs-Waw zu interpretieren; s. Lexikon / Lemma וְ. Der Teilsatz ist damit Gen 1,4 parallel strukturiert: {| class="wikitable" |-class="hintergrundfarbe5 ! Gen 1,4 || Gen 1,31 |- |  וַיַּרְא אֱלֹהִים אֶת-הָאוֹר כִּי-טוֹב ||   וַיַּרְא אֱלֹהִים אֶת-כָּל-אֲשֶׁר עָשָׂה וְהִנֵּה-טוֹב |- | Gott sah das Licht, dass es gut war. || Gott sah alles, was er gemacht hatte, dass es gut war. |- |}
alles, was er gemacht hatte (machte), sehr gut war. Es wurde (war) Abend und es wurde (war) Morgen: Der sechste
Für die Tage 2-5 werden zwar Ordnungszahlwörter verwendet; allerdings ohne Artikel. Ab Tag 6 dagegen wird auch noch der Artikel verwendet; vermutlich soll dies die Tage 6-7 besonders hervorheben.
Tag.
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