Mark 12
Kapitel 12
Kapitel 12 sammelt die Sicht von Markus auf Jesu Theologie und Selbstverständnis in unterschiedlichen Textformen. Es beginnt mit dem Gleichnis der treulosen Pächter (12,1-11/12), das darstellt, wie Jesus durch die religiösen Führer der Juden abgelehnt wird. Hierauf folgt ein Streitgepräch zum Steuerzahlen (12,13-17), in dem Jesus das Verhältnis zwischen Theologie und Politik nicht etwa entscheidet, sondern den Glauben an Gott und politisches Handeln der Menschen in die Verantwortung der Glaubenden selbst legt. ▼▼Bayer 2008, S. 423
In einem weiteren Streitgespräch (12, 18-27) geht es um die Frage der Auferstehung. Jesus stellt klar, dass Gottes Schöpfung und seine Liebe zu den Menschen nicht mit dem Tod endet. ▼▼Gnilka 1979, S. 160
Mit der Frage nach dem höchsten Gebot endet diese Reihe von Auseinandersetzungen. Jesus beginnt seinen eigenen Weg. Er erklärt, das Reich Gottes sei nicht weit. Die Einhaltung des Doppelgebots der Liebe ist für Jesus Zentrum der biblischen Ethik: Gutes Handeln muss sich an der Liebe zu Gott und den Mitmenschen messen lassen. ▼▼Bayer 2008, S. 432f
Jesus beginnt seine eigene Lehre programmatisch im Tempel und stellt dar, dass der Messias viel mehr als nur ein irdischer Herrscher ist und setzt sich damit zugleich von der Lehre der Schriftgelehrten ab. Dies verdeutlicht er abschließend am Beispiel der armen Witwe. ▼▼Bayer 2008, S. 436 - 440, Gnilka 1979, S. 175 und 178
1 ▼▼[Status: Zuverlässig]
▼▼In dem folgenden allegorischen Gleichnis (Verse 1-11) sind starke Parallelen zu einem ähnlichen Gleichnis in Jes 5,1-7 zu finden, die Jesus mit seiner Einleitung, die die Anlage des Weinbergs beschreibt (vgl. Jes 5,1-2), bewusst hervorruft. In dem alttestamentlichen Gleichnis erklärt Gott durch den Propheten, wie er mit einem sorgfältig angelegten und gepflegten, doch fruchtlosen Weinstock verfahren wird. Jes 5,7 identifiziert den Weinberg mit dem Haus Israel und die Pflanzen mit den Männern Judas. Er will den Weinberg komplett verwüsten, von Dornen überwachsen und keinen Regen mehr darauf fallen lassen. Auch in Jesu Gleichnis steht der Weinberg für Israel (wie Kennern von Jes 5,7 bekannt wäre), der Erbauer und Besitzer ist Gott (ebenfalls aus Jes 5 und dem Kontext (vgl. V. 9) abzuleiten). Die Winzer repräsentieren die religiösen Führer des Volkes (vgl. V. 12). Der geliebte Sohn muss Jesus sein, der mit dem Gleichnis die in 11,27 gestellte Frage nach seiner Autorität oder Bevollmächtigung beantwortet (Evans 2001, 230). Zudem wurde Jesus schon zweimal in Mk als „geliebter Sohn“ bezeichnet (1,11; 9,7)(France 2002, 458; vgl. die Fn in V. 6). Die abgewiesenen und getöteten Sklaven sind die von Israel verschmähten Propheten, die das Volk immer wieder erfolglos zur Umkehr aufriefen.
Und er begann, mithilfe von (in) Gleichnissen (bildhaften Vergleichen) mit ihnen ▼▼mit ihnen D.h. die Vertreter der jüdischen Führung aus dem vorigen Kapitel, die wegen der Tempelreinigung Streit mit Jesus gesucht hatten (vgl. V. 12) (vgl. France 2002, 458; Collins 2007, 544).
zu reden: „Ein Mann legte (pflanzte) einen Weinberg an, {und} er errichtete eine Mauer ▼▼Mauer Alle Übersetzungen: »Zaun«. Doch bestand ein solcher Grenz- und Schutzwall eines Weinbergs aus Feldsteinen, die beim Anlegen des Weinbergs entfernt und zu einem Wall aufgeschüttet wurden. Im holzarmen Palästina wäre ein Zaun nach europäischem Verständnis undenkbar, und er hätte auch tierische oder menschliche Eindringlingen nicht so gut vom Weinberg fernhalten können wie ein Steinwall. Diese Mauern können bis zu 2m hoch und mit vertrockneten Dornen bewehrt sein, um Schakale und andere Tiere von den leckeren Trauben abzuschirmen (Dalman 1935, 316, 309, 334f.).
um ihn herum, {und} hob ein Auffangbecken (Keltertrog) [für die Weinpresse] ▼▼Auffangbecken (Keltertrog) [für die Weinpresse] In diese Grube floss der in der Kelter aus den Trauben getretene Traubensaft ab. Ihre Größe hing von den Dimensionen der Kelter ab. ELB und NGÜ sachlich korrekt »Keltertrog« bzw. »Grube zum Keltern des Weins« (Dalman nennt diesen Behälter »Kufe«, BA »Keltertrog«). Viele Übersetzungen schreiben vereinfachend, aber etwas ungenau »Kelter« (bezeichnet die gesamte Weingewinnungsanlage) oder wie GNB »Weinpresse«. Diese Auffanggrube galt als Hauptbestandteil der Kelter. Zu der Anlage gehörten aber auch ein abgeflachter, oft ebenfalls ausgegrabener Tretplatz und je nach Beschaffenheit verschiedene andere durch Graben angelegte Bereiche. Sie alle waren i.d.R. mit Holz, Ton oder Steinen eingefasst und häufig mit Pech abgedichtet. Vom Tretplatz liefen oft Rinnen zu mehreren Keltertrögen (Dalman 1935, 356f., 359-63).
aus und baute einen Wachtturm ▼▼Wachtturm und Schutzmauer waren nötig, um die reifenden Trauben vor Eindringlingen zu schützen. Der Turm konnte eine erhöhte Aussichtsplattform, ein einfaches Häuschen oder, recht häufig, ein gemauerter Steinturm sein, der dazu diente, den gesamten Weinberg zu überblicken (Dalman 1935, 333, 316-19). Es musste ständig ein Wächter da sein, der in Hsl 8,11 ein Fünftel des Ertrags bekommt. Der Wächter sollte natürlich Diebstähle verhindern, aber in erster Linie Vögel und andere Tiere von den Trauben fernhalten. Zu den Schädlingen gehörten vor allem Schakale, Füchse, Vögel und Insekten (ebd. 297). Als Waffen dienten ihm dabei Stab, Bogen, Schleuder und wohl auch Falle und Netz (ebd. 332).
. Dann (und) verpachtete er ihn an Weingärtner (Bauern) und verreiste. k 2Und zur [vereinbarten] Zeit ▼▼zur [vereinbarten] Zeit Temporaler Dativ. Gemeint ist die in der Pachtvereinbarung abgesprochene Zeit (Evans 2001, 233). Bei einem neuen Weinberg wären bis zur ersten Ernte wenigstens 4 Jahre vergangen (France 2002, 459).
sandte er einen Sklaven (Knecht) zu den Weingärtnern (Bauern), um von den Weingärtnern (Bauern) [seinen Anteil] an den Erträgen (Früchten) ▼▼[seinen Anteil] an den Erträgen (Früchten) Der partitive Genitiv macht im Deutschen die Ergänzung von [seinen Anteil] nötig. Der Ertrag bezeichnet wohl eher einen Geldwert aus dem Erlös der Ernte als einen tatsächlichen Anteil der Ernte (Evans 2001, 233).
des Weinbergs zu erhalten (abzuholen), 3doch sie packten und schlugen (misshandelten, drangsalierten) ihn und schickten ihn mit leeren Händen [fort]. 4Da (Und) sandte er noch einen Sklaven (Knecht) zu ihnen. Auch den schlugen sie auf den Kopf (schändeten/verwundeten sie am Kopf) ▼▼schlugen sie auf den Kopf (schändeten sie am Kopf) Die genaue Bedeutung dieses Verbs, das sich direkt von dem Wort für »Kopf« ableitet (wie dt. »köpfen«), ist unbekannt. Es wird häufig als eine Anspielung auf Johannes dem Täufer gesehen, der zu den Propheten zählte und enthauptet worden war. Da der Sklave jedoch offensichtlich überlebt, heißt das Wort vermutlich entweder »auf den Kopf schlagen« (BA) bzw. »am Kopf verletzen« oder »am Kopf entehren«, wie es zwei von David gesandten Sklaven in 2Sam 10,2b-5 erging. Den beiden wurden die Bärte abrasiert. Vielleicht entblößen die Weingärtner auch das Haupt des Boten, indem sie seinen Turban wegnehmen (Evans 2001, 233f.). Jede Art von Schändung oder Gewalt gegen den Kopf wäre wohl höchst entehrend gewesen, wie auch aus dem zweiten Verb hervorgeht.
und entehrten ihn (behandelten ihn verächtlich). ▼▼entehrten ihn (behandelten ihn verächtlich) - Vermutlich in Form von Beschimpfungen; viele Üss. daher sinnvoll: »beschimpften ihn« (z.B. BB, EÜ, GN, HER05, HfA).
5Da (Und) sandte er einen weiteren, und den brachten sie um, und viele andere ▼▼und viele andere D.h. wohl »und er schickte noch viele andere«. NGÜ (vgl. EÜ, GNB) formuliert etwas freier, aber elegant und treffend »So ging es noch vielen anderen«. Auf der übertragenen Ebene sind damit die von Israel missachteten Propheten des Alten Testaments gemeint (vgl. die Fn zu V. 1).
– manche verprügelten sie, andere brachten sie um ▼▼verprügelten sie ... brachten sie um Modales Ptz. conj. (2x), hier als Indikative aufgelöst.
. 6Er hatte noch einen: [seinen] (noch [seinen] einzigen) geliebten Sohn ▼▼noch einen: [seinen] geliebten Sohn bzw. noch [seinen] einzigen geliebten Sohn Der geliebte Sohn ist Jesus, der in Mk schon zweimal als »geliebter Sohn« bezeichnet worden ist (1,11; 9,7)(France 2002, 458). Das Wort geliebt lässt sprachlich auch Abrahams Bereitschaft aus Gen 22,2 LXX anklingen, seinen geliebten Sohn Isaak Gottes Willen zu opfern. In der einflussreichen griechischen Übersetzung des AT übersetzt das gr. Wort »geliebt« interessanterweise häufig das hebr. Wort für »einzig«, sodass man hier durchaus die Konnotation eines »einzigen geliebten Sohnes« sehen kann, die durch das schon vorhandene einen/einzigen noch verstärkt wird (vgl. Evans 2001, 234f.). Daher übersetzt NET treffend: »He had one left, his one dear son.«
. Er sandte ihn als letzten zu ihnen, weil er glaubte (dachte, sich sagte): ▼▼weil er glaubte (dachte, sich sagte) Kausales (oder modales) Ptz. conj., als Nebensatz aufgelöst.
»Meinen Sohn werden sie respektieren (achten).« 7Aber jene Weingärtner (Bauern) sagten zueinander: »Das ist der Erbe! Kommt, wir bringen ihn um, t dann wird das Erbe uns gehören ▼▼uns gehören W. »unser sein«.
!« v 8Und sie packten ihn und ▼▼sie packten ihn und Modales Ptz. conj., beigeordnet aufgelöst.
brachten ihn um, danach (und) warfen sie ihn hinaus vor den Weinberg. x 9Was wird nun der Besitzer (Herr) des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner (Bauern) ausmerzen (töten, vernichten), und den Weinberg wird er anderen geben. y 10Habt ihr nicht auch (nicht einmal) diese Schriftstelle ▼▼diese Schriftstelle W. »diese Schrift«, d.h. »den folgenden Abschnitt der Schrift«. Viele Übersetzungen geben das Wort nach LUT mit »Schriftwort« wieder, GNB: »die Stelle in den Heiligen Schriften, wo es heißt«
gelesen? »[Der] Stein ▼▼[Der] Stein Obwohl im Griechischen kein Artikel steht, ist das Substantiv bestimmt. Das ist auf eine Eigenart der (hier auf Griechisch zitierten) hebräischen Poesie zurückzuführen (NSS). Das Zitat in Vv. 10-11 stammt aus der griechischen Übersetzung von Ps 118,22f.
, den die Bauleute abgelehnt (verworfen, zurückgewiesen) haben,''der'' ▼
▼[Der] Stein, … , der ist zum Eckstein geworden Die Konstruktion legt Gewicht auf den angesprochenen Gegensatz. Man könnte auch formulieren: »Gerade [der] Stein … ist geworden«. W. »[der] Stein … dieser ist geworden.«
ist zum Schlussstein (Kopfstein, Eckstein) ▼▼Schlussstein, Kopfstein oder Eckstein, Gr. κεφαλὴ γωνίας, w. »Haupt [der] Ecke«. Traditionell hat man das Wort als Eckstein übersetzt, auch aufgrund von 1Petr 2,6-8, wo dieser »Kopfstein« Menschen in übertragener Hinsicht zu Fall bringt. Dieser Deutung, genauer, als »Grundstein«, folgt heute noch Collins 2007, 548. Allerdings wäre das eine ungewöhnliche Verwendung des hebräischen und griechischen Wortes »Haupt/Kopf« – man sollte meinen, ein Kopf wäre (auch im übertragenen Sinn) tendenziell oben am fraglichen Objekt zu finden. Die Bezeichnung »Haupt [der] Ecke« ließe eher auf einen Schlussstein schließen, der eine Ecke, aber auch einen Bogen, Dachgiebel oder eine Säule abschließt (Evans 2001, 238). Ein solcher Schlussstein könnte den Bau eines Gebäudes vollenden und durch Form und Verzierungen besonders ins Auge fallen (France 2002, 463). Das Argument aus 1Petr 2,6-8 für die Deutung als Eckstein lässt sich mit der Beobachtung entkräften, dass der Verfasser vermutlich mehrere Metaphern vermischt, wie er das schon in V. 5 tut (France 2002, 463 Fn 24). Die Übersetzung Kopfstein gibt zwar die zugrunde liegende Metapher wieder, könnte im Deutschen wegen der Assoziation mit »Kopfsteinpflaster« zu Missverständnissen führen. Daher ist Schlussstein besser geeignet. Mit dem abgelehnten Stein, der zum Schlussstein wird, bezieht Jesus sich auf sich selbst – gerade vor dem Hintergrund des gewissermaßen unvollendet, ja unbeachtet gebliebenen Einritts in Jerusalem (Mk 11,1-11) und der fehlenden Anerkennung durch die religiösen Führer der Juden. Diese sind mit den Bauleuten gemeint. In der zeitgenössischen jüdischen Auslegung hatte man Ps 118,22f. noch auf den – zunächst als Königskandidaten ja »übersehenen« – König David bezogen (Evans 2001, 238). Mit dem Zitat gibt Jesus gleichzeitig auch zu verstehen, dass er diese Ereignisse als Erfüllung seiner Vorhersage aus Mk 8,31 versteht. Dort hatte Jesus zum ersten Mal vorausgesagt, von den religiösen Führern abgelehnt zu werden.
geworden;11Das kommt vom Herrn, ▼
▼Das kommt vom Herrn Oder etwas freier, aber schöner: »Das geht auf das Wirken des Herrn zurück«. W. etwa »Dies ist vom/durch den Herrn entstanden/gekommen«. GNB: »Der Herr hat dieses Wunder vollbracht«, NGÜ schlicht »Das hat der Herr getan«. Das (Nom. Sg. fem.) könnte sich innerhalb des griechischen Satzes auch auf »Haupt/Kopf« (V. 10) beziehen. Mehrere Übersetzungen weichen deshalb etwas von unserer Wiedergabe ab: »vom Herrn her ist er dies geworden, und er ist wunderbar in unseren Augen« (ELB, vgl. ZÜR, MEN). Wahrscheinlicher ist, dass das ungewöhnliche feminine Demonstrativpronomen einfach eine wörtliche Übersetzung des hebr. זֹּאת »dies« darstellt (France 2002, 462 Fn 18). Das Zitat in Vv. 10-11 stammt aus der griechischen Übersetzung von Ps 118,22f.
und es ist wunderbar (erstaunlich, verwunderlich) in unseren Augen.«“ ae
12Da (Und) wollten sie ihn gerne (suchten sie [nach einer Möglichkeit], ▼
▼Da wollten sie ihn gerne bzw. suchten sie [nach einer Möglichkeit], auch als inchoatives Imperfekt vorstellbar: „begannen [nach einer Möglichkeit zu suchen], ihn zu ergreifen“ (vgl. Collins 2007, 549). Vgl. dazu die parallele Formulierung Mk 11,18 und Fußnote, sowie 14,1 und 11. Anstatt mit „[nach einer Möglichkeit] suchen“ haben wir Gr. ζητέω etwas passender i.S.v. „(gerne) wollen, wünschen“ übersetzt. EÜ (vgl. GNB, NGÜ, MEN, ZÜR) formuliert elegant: „Daraufhin hätten sie Jesus gern verhaften lassen“.
ihn...) festnehmen (verhaften), aber sie fürchteten die Menschenmenge, denn sie wussten (merkten) ▼▼sie wussten Diese Begründung fällt wegen der prägnanten Ausdrucksweise sehr schwammig aus. Wir erfahren nicht, ob mit sie die religiösen Führer oder das Publikum gemeint sind, oder warum die Führer gerade deshalb Angst vor dem Volk hatten, weil sie (oder das Volk) die wahre Bedeutung von Jesu Geschichte verstanden hatten. Das wahrscheinlichere Subjekt sind die Priester und Schriftgelehrten, von denen ja unmittelbar zuvor die Rede war, doch werden die meisten Zuschauer verstanden haben, was gemeint war (France 2002, 464). Nach France wäre die folgende sinngemäße Formulierung möglich: „Da suchten sie [nach einer Möglichkeit] ihn zu ergreifen, (konnten es aber noch nicht, weil) sie die Menschenmenge fürchteten, denn sie wussten (und waren sich bewusst, dass auch das Volk wusste), dass er das Gleichnis zu ihnen gesagt hatte (sodass die Menge sich womöglich auf seine Seite geschlagen hätte).“
, dass er das Gleichnis gegen sie gesprochen hatte ▼▼gegen sie gesprochen hatte Etwas freier formuliert, würde man in heutigem Deutsch sagen: „dass sie mit dem Gleichnis gemeint waren“ (vgl. NGÜ, EÜ). MEN: „gegen sie gerichtet hatte“, GNB: „dass das Gleichnis auf sie gemünzt war “.
. Daher (und) sie ließen ihn zurück (ihn unbehelligt; von ihm ab) und gingen davon. 13Und (danach) sie schickten einige Pharisäer und Herodianer (Anhänger von Herodes) zu ihm, um {sie} ihn [in] einer Äußerung ([mit] einer Frage) ▼▼Die Anhänger des Herodes Antipas waren zwar politisch an sich nicht mit den Pharisäern gleicher Meinung, taten sich hier aber gegen den äußeren Feind zusammen. (Hans F. Bayer, Das Evangelium des Markus, S. 421) [in] einer Äußerung oder [mit] einer Frage W. etwa „[durch/anhand] eine Aussage/Wort“, wobei Markus nicht auflöst, ob λόγος „Wort/Aussage“ sich auf die Fangfrage oder auf die erhoffte unbedachte Äußerung bezieht. Die Präposition (hier in eckigen Klammern) ist im Deutschen zu ergänzen, im Griechischen übernimmt der instrumentale Dativ deren Funktion (vgl. NSS).
zu fangen (ertappen). 14Und als sie ankamen, ▼▼als sie ankamen Temporal-modales Ptz. conj., mit temporalem Nebensatz übersetzt.
sagten sie zu ihm: „Lehrer, wir wissen, dass du objektiv (aufrichtig) bist und auf niemanden besondere Rücksicht nimmst ▼▼auf niemanden besondere Rücksicht nimmst Gemeint ist, dass sich Jesus weder von den Meinungen anderer beeinflussen lässt noch auf menschliche Zustimmung aus ist. Übersetzungen wie »Du kümmerst dich um niemanden« (ELB) oder, ähnlich OfBi, »Du nimmst auf niemanden Rücksicht« (EÜ, MEN) sind insofern irreführend. Die doppelte Verneinung (W. »nimmst nicht auf niemanden...«) gibt der Verneinung besondere Ausdruckskraft (NSS), lässt sich aber nicht direkt übersetzen.
: Du schaust {eben} nicht auf [das] Äußere ▼▼das Äußere W. »das Gesicht« (Hebraismus). Bezeichnet hier als Metonymie (Konkretes für Abstraktes) die Person, insbesondere Ansehen und Stellung, so ähnlich wie in der deutschen Wendung »das Gesicht wahren«. Die Tugend der Unparteilichkeit war schon im Gesetz angemahnt (Lev 19,15). Ähnliche Wendungen in Gal 2,6; Jud 16 (vgl. France 2002, 467f.).
[der] Menschen, sondern lehrst wirklich ▼▼wirklich W. »in Wahrheit«. Die wörtliche Übersetzung hätte auf Deutsch jedoch nicht die gleiche Bedeutung. Es ist als Beteuerung zu verstehen wie »wahrlich, amen«, das Jesus häufig benutzt (TLNT I, 2; LN 70.4). Am besten daher wirklich (EÜ, NEÜ). NLB: »was du sagst, ist wahr«, LUT: »recht«, NGÜ: »lässt du dich allein von der Wahrheit leiten«.
den Weg Gottes ▼▼Weg Gottes bezeichnet Gottes Willen für das menschliche Leben (vgl. France 2002, 468; NSS). Die gleiche Wendung findet sich in Apg 18,26 sowie Bar 3,13. Vgl. Apg 16,17; 18,25, aber auch Joh 14,6.
. Darf man ▼▼Darf man Oder »Ist es richtig« (NGÜ, NLB, NEÜ). Dem Kontext gemäß könnte man auch übersetzen: »Ist es nach Gottes Gesetz erlaubt« (GNB, viele engl. Übers.; Bratcher 1993, 372) oder »ist es Gottes Wille« (NSS, HfA). Diese Wendung hat im Markusevangelium jedes Mal wenigstens implizit mit dem Gesetz oder jüdischen Vorschriften zu tun (Mk 2,24.26; 3,4; 6,18; 10,2).
[dem] Kaiser (Cäsar) Steuern ▼▼Steuer Eine Pauschalabgabe, die jede Person im römischen Herrschaftsgebiet als Kopf- und Eigentumssteuer entrichten musste. Als Galiläer war Jesus nicht betroffen. Anders als Judäa stand Galiläa nicht unter direkter römischer Verwaltung (France 2002, 465).
zahlen oder nicht? Sollen wir [sie] zahlen oder nicht zahlen?“ 15Doch er erkannte ihre Heuchelei und ▼▼er erkannte … und Temporal-modales Ptz. conj., mit „und“-Kombination aufgelöst. Auch die kausale Sinnrichtung wäre denkbar.
sagte zu ihnen: „Warum stellt ihr mir eine Falle (versucht ihr mich)? ▼▼Warum stellt ihr mir eine Falle? Die Pharisäer haben sich schon zweimal vorher an Fangfragen versucht (Mk 8,11; 10,2; vgl. Joh 8,6). Jetzt spricht Jesus den Vorwurf zum ersten Mal aus. Vorher benutzte nur Markus den Begriff.
Bringt mir einen Denar ▼▼Bringt mir einen Denar Eine römische Silbermünze. Nach Mt 20,2 konnte ein Denar Lohn für die Arbeit eines Tages sein. Auf den Denaren, die hier im Mittelpunkt stehen und in denen die Kopfsteuer zu entrichten war, wurde der Kaiser als »Sohn des göttlichen Augustus« und »Hoher Priester« bezeichnet. Für die Juden wäre das eine Provokation gewesen. Das war zu dieser Zeit Tiberius (France 2002, 466.68). Bringt ist wörtlich übersetzt. Das Verb deutet vielleicht darauf hin, dass keiner der Anwesenden eine so wertvolle Münze einfach aus der Tasche ziehen konnte. Ansonsten hätte man das Verb »geben« erwarten können.
, damit ich [ihn] mir anschauen [kann].“ 16Da brachten sie [ihm einen]. Und er sagte zu ihnen: „Wessen Bild und Aufschrift [ist das hier]?“ Sie {aber} antworteten (sagten) {ihm}: „[Des] Kaisers (Cäsars).“ 17Da sagte Jesus zu ihnen: „Was [dem] Kaiser (Cäsar) gehört, ▼▼Was [dem] Kaiser (Cäsar) gehört... Oder »Des Kaisers [Eigentum] gebt [dem] Kaiser«. W. etwa »was des Kaisers [ist], gebt...«. Ebenso bei was Gott gehört...
gebt [dem] Kaiser (Cäsar) zurück, und was Gott [gehört], [gebt] Gott!“ Da (Und) waren sie sehr erstaunt ▼▼waren sie sehr erstaunt Die Gute Nachricht trifft den Sinn am besten: „Solch eine Antwort hatten sie nicht von ihm erwartet.“
über ihn. 18{Und} es kamen zu ihm Sadduzäer, welche sagen (der Meinung sind), dass es keine Auferstehung gibt, und fragten ihn {sagend}: 19„Lehrer, Mose hat uns geschrieben ▼▼geschrieben gemeint ist in der Torah als Gesetz aufgeschrieben
: »Wenn jemandes Bruder stirbt, und eine Frau zurücklässt ▼▼und eine Frau zurücklässt ist eine Ergänzung des Markus zu diesem Zitat aus dem Dtn.
und kein Kind hinterlässt, dass dann sein Bruder dessen Frau nehmen und er für seinen Bruder Nachkommen (Samen) zeugen (aufrichten) soll« ▼▼Der zweite Teil des Zitats stammt aus Gen
. ay 20Es waren [einmal] sieben Brüder. Und der erste nahm eine Frau, und als er starb, hinterließ er keinen Nachkommen (Samen). 21Und der zweite nahm sie, und er starb und hinterließ keinen Nachkommen (Samen). Und der dritte ebenso. 22{Und} die Sieben hinterließen [also alle] keinen Nachkommen. [Als] Letzte von allen starb auch die Frau. 23Bei der Auferstehung, wenn sie auferstehen: ▼▼Textkritik:»Wenn sie auferstehen« fehlt in vielen Handschriften - Der schwierigren (doppelten) Lesart wird der Vorzug gegeben, weil es wahrscheinicher scheint, dass eine solche von den Schreibern gestrichen wurde, als dass sie ergänzt wurde (siehe TCNT, S.93)
Wessen Frau von diesen wird sie sein? Denn die sieben hatten sie [alle] zur Frau.“ 24Jesus sagte zu ihnen: „Täuscht ihr euch nicht deshalb, weil ihr die Schriften nicht kennt und nicht Gottes Kraft? 25Denn wenn sie von den Toten auferstehen, werden sie weder heiraten noch werden sie verheiratet, sondern sie sind wie Engel im Himmel (in den Himmeln). 26Hinsichtlich der Toten aber, dass sie auferweckt werden – habt ihr nicht im Buch des Mose über den Dornbusch gelesen, wie Gott [da] zu ihm sprach {sagend}: »Ich [bin] der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs«? ▼▼Abrahams, Isaaks und Jakobs - Die Erzväter galten als bei Gott lebend (Dschulnigg 2007, 320) und dienen Jesus so gleichzeitig als Beleg aus der Schrift für die Auferstehung.
bb 27Er ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden. Ihr täuscht euch sehr.“ 28Und es kam einer von den Schriftgelehrten zu ihnen, der gehört hatte, wie sie diskutierten (ihre Diskussion, ihr Streiten). Und als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: „Was ist das höchste (erste) Gebot von allen?“ 29Jesus antwortete: „Das höchste (erste) Gebot ist: »Höre Israel: Der Herr, unser Gott, ist Herr allein, 30und liebe (du sollst lieben) den Herrn, deinen Gott, aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Verstand (Vernunft, Gesinnung) und aus deiner ganzen Kraft (Macht, Stärke).« bc 31Das zweite (andere) ist dieses: »Liebe (und du sollst lieben) deinen Mitmenschen (Nächsten, Nahestehenden, Nachbarn) wie dich selbst!« bd Größer als diese ist kein anderes Gebot.“ 32Und der Schriftgelehrte sagte zu ihm: „Gut, Lehrer, hast du von der Wahrheit geredet: »Er nur einer ist und kein (nicht ein) anderer außer ihm.« 33Und »ihn zu lieben aus ganzem Herzen und aus ganzer Auffassungsgabe ▼▼gr. συνέσεως
und aus ganzer Kraft und den Mitmenschen (Nächsten, Nahestehenden, Nachbarn) zu lieben wie sich selbst«, ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer.“ 34Als Jesus sah, dass er verständig antwortete, sagte er zu ihm: „Du bist nicht weit [entfernt] vom Reich Gottes (von der Gottesherrschaft).“ Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen. 35{Und} Jesus sprach (antwortete) {und redete}, als er im Tempel lehrte: „Wie [können] die Schriftgelehrten sagen, dass der Gesalbte der Sohn Davids ist? 36David selbst sagte im heiligen Geist: »Der Herr sagte zu meinem Herrn. Setze [dich] zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde unter deine Füße setze.« ▼▼Ps 110,1
37David selbst nennt ihn Herrn, und wie soll er [dann] Sohn sein?“ Und die große Menschenmenge hörte ihn gern. 38Und er sagte in seiner Lehre: „Hütet euch vor den Schriftgelehrten, die in Roben umhergehen wollen und Begrüßungen auf den Marktplätzen 39und Vorsitze in den Synagogen und erste Plätze bei den Festmählern [begehren]. 40Diejenigen, die die Häuser der Witwen verschlingen und für den Anschein lange beten, sie werden ein umfangreicheres Urteil erhalten.“ 41Und er setzte sich gegenüber dem Opferkasten und beobachtete, wie die Menschenmenge Geld in den Opferkasten warf; und viele Reiche warfen viel ein. 42Da kam eine einzige arme Witwe und warf zwei Lepta ein, das entspricht einem Quadrans. 43Und nachdem er seine Jünger zu sich gerufen hatte, sagte er zu ihnen: „Amen, ich sage euch: ▼▼Amen, ich sage euch - Durch »Amen, ich sage euch« eingeleitete Sätze finden sich in der Bibel ausschließlich bei Jesus und dienen v.a. dazu, den folgenden Satz zu markieren als ein(e) mit Vollmacht geäußerte(s) Voraussage / Urteil (BB: »Damit verbürgt er sich dafür, dass seine Worte wahr sind und Gültigkeit haben.«). Sehr sinnvoll übersetzt daher Zink: »Was ich sage, ist wahr: ...«
Diese arme Witwe hat mehr als alle [anderen] eingeworfen, die [etwas] in den Opferkasten eingeworfen haben. 44Denn alle haben [etwas] aus ihrem Überfluss eingeworfen, sie aber hat aus ihrem Mangel alles, was sie hatte, eingeworfen – ihr ganzes Leben (ihren ganzen Lebensunterhalt).“ ▼▼ihr ganzes Leben (ihren ganzen Lebensunterhalt) - bios, das gr. Wort für „Leben“, hat oft die Bedeutung „Lebensunterhalt“; eine Üs. mit „Leben“ wäre daher nicht einmal überwörtlich, sondern falsch. Dennoch muss „Leben“ hier mindestens mitgehört werden: Die Witwe gibt ihren ganzen Lebensunterhalt und damit auch ihr ganzes Leben für Gott hin.
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