‏ Mark 14

Kapitel 14

Vv. 1-11: Vergleicht man Mk 14,3 mit Mt 26,6f, fällt auf, (1) dass in Mt die Aussage fehlt, dass Jesus liegend isst, (2) dass Mt die auffällige Genitivreihung zur Beschreibung des Öls stark ausgedünnt hat und (3) dass bei Mt das Gefäß nicht zerbrochen wird – drei Details, die den verschwenderischen Charakter des letzten Abendmahls unterstreichen: (1) zeigt, dass das Abendmahl in einem wohlhabenden Haushalt stattfand, (2) unterstreicht den hohen Wert des Öls und damit ebenso wie (3) die große Verschwendung der namenlosen Frau – Jesus lässt es sich beim letzten Abendmahl noch einmal „richtig gut gehen“. Dies wirkt befremdlich – auch auf „einige“ Anwesende, weshalb diese postwendend die Frau anfahren (Vv. 4f) – doch Jesus verteidigt sie. Und nicht nur das, sondern er wertet ihre Tat sogar so positiv, dass er prophezeit, dass einst auf der ganzen Welt davon berichtet werden wird – zur Erinnerung an sie (nicht an ihn) (Vv. 6-9)!Gerahmt wird diese Erzählung davon, dass die Hohepriester und die Schriftgelehrten nach einem Weg suchen, wie sie Jesus zu einem geeigneten Zeitpunkt töten können, und vom Verrat des Judas. Sowohl im Rahmen als auch im Zentrum ist also erstens von Zeit die Rede und zweitens von Jesu Tod – und dies ist der Schlüssel zum Verständnis dieses schwierigen Abschnitts: Jesus lässt es sich noch einmal „richtig gut gehen“, ja – aber das ist auch in Ordnung so, denn noch ist die Zeit, in der „die Hochzeitsgäste nicht fasten können, da der Bräutigam noch in ihrer Mitte ist“ (Mk 2,19, vgl. Lohfink 2011, S. 341f.). Und die Frau verhält sich äußerst verschwenderisch, ja – aber in diesem Kontext ist auch das in Ordnung so und sogar noch wichtiger als die Armenfürsorge, denn noch ist die Zeit, in der der Bräutigam in ihrer Mitte ist – gerade noch. Und angesichts dieses „gerade noch“ verhält sie sich ganz korrekt: Angesichts Jesu bevorstehendem Tod wird ihre „Verschwendung“ richtig und wichtig und die Frau erweist sich als fähig zur Erkenntnis des kairos, des „richtigen Zeitpunkts“ (Barton 1991, S. 233; ähnlich Story 2009, S. 20).Die Rahmung durch die Vv. 1f.10f. betont dann noch einen weiteren Aspekt: Nicht nur verhält sich die Frau hier ganz korrekt – sie tut dies auch noch im völligen Kontrast zu den religiösen Eliten (Vv. 1f) und zu Judas, „einem der Zwölf“
... Der Verrat des Judas ist letztlich die höchste Steigerungsform des fortwährenden Jüngerunverständnisses, das das ganze Mk-Evangelium durchzieht.
(Vv. 10f.) und wird auf diese Weise dargestellt als „Paradigma wahrer Nachfolge“ (Schüssler Fiorenza 1988, S. 393; vgl. auch Beavis 1988, S. 8; Miller 2002, S. 186). Sie ist eine, die im rechten Moment die Zeichen der Zeit richtig deutet und daher alles auf eine Karte setzt, indem sie eine riesige Summe ihres Geldes auf die Parfumierung Jesu „verschwendet“ (im Gegensatz zu Judas, der für seine falsche Tat sogar Geld kassiert). Die Betonung des Timings in der vorangehenden Perikope erlaubt Markus gleich noch einen Seitenhieb auf Hohepriester, Schriftgelehrte und Judas: Ganz entgegen ihren Absichten werden sie Jesus eben doch an einem Fest gefangennehmen: Am Paschafest, einem der höchsten Feiertage im Judentum. Die Funktion von Vv. 12-16 ist es dabei vermutlich, den Grund für dieses Scheitern aufzuzeigen: Jesus plant zu geschickt und hat sich einen Plan erdacht, wie er sich den Autoritäten entziehen kann, bis er mit seinen Jüngern noch das Letzte Abendmahl gefeiert hat, und Absprachen mit einem Jerusalemer Hausbesitzer getroffen. Erst während dem Schlachten des Lamms im Tempelbezirk gibt er daher zweien seiner Jünger den Ort des Abendmahl bekannt – mehr oder weniger jedenfalls: Sie sollen in die Stadt gehen, wo sie bereits von einem Wasserträger erwartet werden werden (V. 13), dem sie fraglos zu jenem Haus folgen sollen, in „welches auch immer“ er hineingehen wird (V. 14). Dem Herrn dieses Hauses müssen sie dann auch noch zunächst ein Passwort geben („Der Lehrer fragt etc.“, V. 14) – und erst dann können sie das Mahl vorbereiten (so gut ausgelegt von Evans 2001, S. 374). Vv. 17-21 handeln vom Verrat des Judas; hier soll noch einmal die Schwere seines Verrats unterstrichen werden: Erstens durch die sogar doppelte redundante Formulierung in Vv. 18.20 („Einer von euch“ + „der mit mir isst“; „einer der Zwölf“ + „der mit mir in die Schüssel tunkt“) – der Verrat wird von einem aus dem engsten Freundeskreis Jesu begangen -; zweitens durch die auffällige Formulierung von V. 21 („Der Menschensohn geht... Wehe dem Menschen, durch den der Menschensohn ausgeliefert wird! Es wäre besser für ihn, wenn jener Mensch niemals geboren wäre!“) – ein gewöhnlicher Mensch vergeht sich hier am „Menschensohn“. Völlig einleuchtend ist daher das Drohwort in V. 21, dessen Logik zu sein scheint: Es ist zwar der Wille Gottes, dass der Menschensohn stirbt („wie geschrieben steht“, s. FN ai)
S. auch die Formulierung „durch den der Menschensohn ausgeliefert wird“ – das gr. Äquivalent von „durch“ drückt nicht den Handelnden selbst aus, sondern das Medium, durch das eine Handlung vollbracht wird (vgl. gut Marcus 2009, S. 952)
und Judas ist so nicht mehr als sein Werkzeug – aber dennoch: Ob der Schwere seines Vergehens trifft ihn so große Schuld, dass er besser niemals geboren worden wäre.En passant erreicht auch die bei Markus übliche negative Darstellung der Jünger ihren Höhepunkt: Das „doch nicht etwa ich?“ muss sicher so verstanden werden, dass keiner der Jünger sich wirklich sicher ist, ob nicht er es ist, der den Menschensohn ausliefern wird – „jeder der Mahlteilnehmer ist sozusagen potentiell ein Judas“ (Weidemann 2013, S. 79). Vv. 22-25: Wegen der Zentralität dieser Verse im Christentum und auch, weil sich in der Erforschung dieser Stelle in den letzten Jahren einiges getan hat, sind hier etwas längere Anmerkungen angebracht.Neu ist in der Forschung (1) die Erkenntnis, dass es zur Zeit Jesu sehr wahrscheinlich noch überhaupt keine Pascha-„liturgie“ gab, die während des Paschamahl abgehalten wurde (vgl. z.B. Kulp 2005 und die dort gesammelte Literatur; auch Schlund 2005, S. 398f). Neu ist (2) die Erkenntnis, dass man für die Zeit Jesu nicht zwischen jüdischer und griechischer Mahlkultur trennen darf, da die jüdische Kultur insgesamt eine hellenistische Kultur war. Daher: „Die Eucharistie war nicht wie ein Gastmahl – sie war ein Gastmahl.“ (McGowan 2010, S. 186). Schließlich ist (3) die Erkenntnis neu, dass die sogenannten „Einsetzungsworte“ sehr wahrscheinlich nicht als „Einsetzungsworte“ aufgefasst wurden: In den ersten zwei Jahrhunderten wurden sie im Gottesdienst überhaupt nicht zitiert.
Mittlerweile sind eine ganze Reihe Eucharistiegebete ohne Einsetzungsworte bekannt: Did 9,5; 10,1-6; AcJoh 85; 109; AcThom 49f; 133; 158; das sog. „Papyrus Strasbourg“ Gk 254; Didask 7,25; die noch heute gebräuchliche Anaphora von Addai und Mari. Das erste überlieferte Eucharistiegebet mit Zitierung der Einsetzungsworte findet sich in der ca. 200-250 n.Chr. entstandenen Traditio Apostolica (4,9f), aber auch dort werden sie noch „nur“ als letzter Abschnitt eines heilsgeschichtlichen Abrisses des Lebens Jesu zitiert und auch aus der Zeit danach finden sich Eucharistiegebete ohne die Einsetzungsworte; z.B. in Cyrill von Jerusalems „Mystischen Katechesen“ aus dem 4. Jh. (vgl. z.B. Baldovin 2013, S. 193f).
Gelegentlich wurde daher der Alternativbegriff „Gabeworte“ vorgeschlagen, den wir daher auch hier verwenden werden.
Den Ablauf des Letzten Abendmahls, das Mk hier als Paschamahl schildert (s. dazu den Exkurs zur Zeitrechnung), haben wir uns als ein etwas ausgebautes hellenistisches Gastmahl vorzustellen: Es begann mit einer im Sitzen eingenommenen Vorspeise, nach der sich die Tischgesellschaft geschlossen in den Speisesaal begab, wo der „Vorsitzende“ der Gesellschaft wie üblich im Judentum die Mahlzeit eröffnete, indem er ein Gebet (dazu s. FN aj) über dem Brot sprach, dieses brach und an die ganze Gesellschaft weiterreichte. Darauf folgte die im Liegen eingenommene Hauptmahlzeit, die sich von einem Gastmahl wohl hauptsächlich darin unterschied, dass auch das zuvor geschlachtete Lamm, Bitterkräuter und ungesäuerte Brote aufgetischt wurden (vgl. Kulp 2005, S. 112). Im Anschluss folgte ein Gebet über dem Wein, woraufhin normalerweise jeder für sich aus seinem eigenen Becher getrunken hätte, doch s. gleich. Darauf hätte normalerweise noch ein längerer Umtrunk gefolgt, der bei Jesus jedoch weggefallen zu sein scheint. Markus oder seine Quelle haben diese Reihenfolge außerdem abgewandelt, indem er/sie offenbar die Brothandlung an den Schluss der Hauptmahlzeit vor die Becherhandlung verschoben hat – vermutlich, weil dies die Struktur des Abendmahls in seiner Gemeinde war (s. FN ab). Ein paar Worte noch zur Becherhandlung. Wir folgen hier einem Deutungsvorschlag von Klinghardt 2012; Klinghardt 2012b und Heilmann/Wick 2013, der so neu ist, dass er in noch keinem Kommentar berücksichtigt wurde, aber viel zum Verständnis des Abendmahls beitragen kann. Wie die Becherhandlung gewöhnlicherweise abgelaufen wäre, haben wir eben gesehen. Jesus weicht von diesem Usus ab, indem er seinen Becher an die Jünger weitergibt. Weiterhin ist aber auszugehen von Lk 22,20: Das Partizip ausgegossen steht dort im Nominativ und kann sich daher nicht auf das Blut beziehen (das im Dativ steht), sondern muss sich auf den Becher beziehen. Nach Lukas Darstellung reicht Jesus also nicht nur seinen Becher an seine Jünger weiter, sondern leert zuvor auch noch einen Teil des Weines aus. So kann auch und sollte dann besser der Text in Mk und Mt verstanden werden.Beide Handlungen sind (abgesehen von einem möglichen Beleg für das Ausleeren in 4 Makk 3,16) für den jüdischen Kulturraum nicht belegt, sind aber gewöhnliche Bräuche beim hellenistischen Gastmahl: Die „Libation“ und der „geweihte Becher“. Bei der Libation weiht der Vorsitzende des Gastmahls seinen Becher einem Gott, opfert ihm dann einen Teil des Inhalts, indem er ihn auf den Boden oder in den Herd gießt, und trinkt den Rest; die übrigen Gäste folgen seinem Beispiel. Der geweihte Becher dagegen wird nicht geleert, sondern von einem Gast zum nächsten weitergereicht, damit jeder einen Schluck davon nehmen kann.
Beim griechischen Gastmahl gingen mehrere solcher geweihter Becher um, die verschiedenen Göttern geweiht waren, und eines der Probleme Pauli mit der Eucharistie der Korinther scheint gewesen zu sein, dass sie den „Jesus-becher“ einfach zusätzlich zu den anderen Gottheiten geweihten Bechern getrunken haben (s. 1 Kor 10,21).
Manchmal wurden diese beiden Bräuche wohl auch miteinander kombiniert (vgl. z.B. Smith 2002, S. 30; Tolles 1943, S. 86f), und eine solche Kombination haben wir uns auch für das Letzte Abendmahl zu denken. Vielsagend ist hier gerade bei Mk, dass er mit der Rede vom „Bundesblut“ Ex 24,6-8 einspielt, und auch dort wird die eine Hälfte des Blutes vor Gott ausgegossen, die andere Hälfte des Blutes wird über das Volk „ausgesprengt“. Wichtig ist dann die Bedeutung der Handlung am Brot einerseits und der Doppelhandlung am Becher andererseits. Sinn des Teilens und Essens des „be-beteten“ Brotes ist unter anderem die Vermittlung von „Anteil an der fürsorgenden Güte Gottes [... und] die Gemeinschaft miteinander [...] vor Gott und unter seinem Segen“ (Hofius 2000, S. 284). Das selbe gilt für den Doppelbrauch von Libation und geweihtem Becher: Von beiden Bräuchen erhoffte man sich – sozusagen im Gegenzug für das Weinopfer – eine Segnung. Durch die Libation, bei der aus dem selben Kelch das Opfer vorgenommen und getrunken wurde, wurde außerdem im Trinken eine Gemeinschaft zwischen dem einzelnen Trinker und der Gottheit hergestellt; durch das Kreisen des geweihten Bechers die Gemeinschaft untereinander vor der Gottheit, der der Becher geweiht war (vgl. Tolles 1943, S. 108-111). Beide Handlungen haben den selben Sinn: Hinwendung zu Gott und Vermittlung von Gottes Segen einerseits; Herstellung von Gemeinschaft mit Gott und untereinander andererseits.
Man beachte, wie sehr schon in der bloßen Handlng die spätere theologische Ausdeutung der Eucharistie vorgezeichnet ist. Vgl. z.B. folgenden Ausschnitt aus dem Eucharistiegebet der Traditio Apostolica: „Seines Todes und seiner Auferstehung eingedenk bringen wir dir das Brot und den Kelch dar. ... Auch bitten wir dich, deinen Heiligen Geist auf die Gaben deiner Kirche herabzusenden. ... Gib allen Heiligen, die sie empfangen, Erfüllung mit Heiligem Geist...“ – Die eucharistischen Gaben werden Gott als Opfer dargebracht; gleichwohl aber konsumiert. Und im Gegenzug sendet Gott seinen Geist auf die Gaben – und über den Umweg des Gabenkonsums auch auf die Gemeinde – herab und schenkt ihnen so durch die „Geist-Erfüllung“ Gemeinschaft mit sich und untereinander.
Während dieser Handlungen spricht Jesus also seine Gabeworte. „Dies ist mein Leib“, sagt er, und: „Dies ist mein Blut“. Das „dies“ bezieht sich wahrscheinlich auf die Gaben selbst; nicht auf die Handlungen (s. FN al) – aber die Handlungen spielen auf jeden Fall mit hinein: „Dies ist mein Leib“ spricht Jesus über dem gebrochenen, zu verspeißenden und segensvermittelnden Brot; „dies ist mein Blut“ über dem vergossenen, zu trinkenden und segensvermittelnden Wein.soma, „Leib“, ist ein sogenannter „anthropologischer Ganzheitsbegriff“, der nicht wie im Deutschen nur auf den „Körper“ bezogen werden darf. „Dies ist mein Leib“ meint: „Dieses Brot bin ich selbst. Das bin ich mit meiner Geschichte und meinem Leben“ (Lohfink 2011, S. 360). Dieses sein „Selbst, seine Geschichte und sein Leben“ deutet Jesus mithilfe des segensvermittelnden Brotes, das er dann an seine Jünger verteilt, und macht dieses so zum Symbol für seine „Proexistenz“. Ähnlich beim „vergossenen Blut“, das sich klar auf Jesu bevorstehenden Tod bezieht: Jesus deutet seinen Tod mithilfe des segensvermittelnden Weines, den er dann ebenfalls an seine Jünger verteilt, und macht diesen so zum Symbol für Jesu „Pro-exitus“, wie man entsprechend formulieren könnte. Diese „Pro“-Bedeutung wird bei Markus noch zusätzlich unterstrichen durch das „für viele“. „Dies ist mein Leib“ und „dies ist mein Blut“ meint: Ich habe für euch und für viele gelebt und werde für euch und für viele sterben. Mit Vv. 26-31 beginnt nun die eigentliche Passion: Jesus begibt sich an den Ort seiner Gefangennahme. Aus dem Alten Testament weiß er bereits um diese Gefangennahme und den folgenden Leidensweg; aus dem Alten Testament weiß er aber auch, wie es mit seinen Jüngern weitergehen wird. Sie alle werden „zu Fall kommen“. Paradigmatisch für dieses zu-Fall-Kommen der Jünger ist Petrus; mit Vv. 26-31 beginnt eine Abfolge von Perikopen, in denen gleichzeitig vom Leiden Christi und dem Scheitern Petri berichtet wird: Vv. 26-31: Jesus prophezeit seinen Tod, das Scheitern der Jünger (V. 27) und den dreimaligen Verrat Petri (V. 30); Vv. 32-42: Jesus betet, er möge nicht sterben müssen, während es den Jüngern und speziell Petrus (V. 37) dreimal nicht gelingt, wach zu bleiben und zu beten, „um nicht in Versuchung zu geraten“ (V. 38); Vv. 43-65: Jesus wird gefangengenommen und steht vor Gericht, Vv. 54.66-72: Petrus verleugnet dreimal Jesus. Zusätzlich hervorgehoben wird dieses dreimalige Scheitern Petri durch die sehr redundante dreifache Zeitangabe in V. 30. Eingeschaltet in diese Perikopenfolge ist das radikalstmögliche Scheitern der Jünger: Judas verrät Jesus. Vv. 26-31 betonen: Die Passion Im Mk-Ev. ist nicht nur eine Geschichte vom Leiden und Tod Christi, sondern auch eine Geschichte vom Scheitern all seiner Freunde. Vv. 32-42 enthalten recht eigentlich eine Doppelerzählung. Die Vordergründige ist leicht erkennbar; erzählt wird, wie Jesus im Gebet und im Beistand seiner Jünger nach Kraft für seine letzte, größte Aufgabe sucht. Schon die Ortswechsel drücken aber aus, dass Jesus diese Aufgabe alleine stemmen muss: In V. 32 entfernen Jesus und alle Jünger sich von der Stadt, in V. 33 entfernt er sich mit drei Jüngern von den anderen, in V. 35 dann ist er ganz allein. Unterstrichen wird dies aber außerdem von der zweiten Erzählung, nämlich der von den Jüngern und davon, dass sie durchaus nicht in der Lage sind, Jesus Beistand zu leisten – weil sie nicht einmal imstande sind, wach zu bleiben. Schlüssel zum Verständnis ist wohl der im vorigen Kapitel zu lesende Aufruf Jesu zu Wachheit und Wachsamkeit und seiner Erzählung vom Hausherrn, der seine Torhüter schlafend vorfindet (Mk 13,32-37): Diese Wachsamkeit soll einesteils vorbereiten auf und wach machen für die endzeitlichen Bedrängnisse, die in Mk 13,14-31 geschildert werden, andernteils aber auf und für die davor noch anstehenden Verhöre von Christen in Synhedrien, Synagogen, vor Statthaltern und Königen (Mk 13,9-13). Diese Verhöre werden in unserem Kapitel noch einmal wesentlich deutlicher in Vv. 54-72 thematisiert (s.u.); die Stoßrichtung ist dann hier wohl die selbe wie dort: Die Jünger sind nicht wachsam (Vv. 37.40), bleiben nicht standhaft (V. 38), wissen nicht, was sie sagen sollen (V. 40; vgl. dagegen Mk 13,11) – gerade Petrus, Jakobus und Johannes, Jesu angesehenste Nachfolger! –, doch gerade weil sie die sind, die sie sind, wird ihnen niemand diese mangelnde Achtsamkeit und Wachsamkeit zur Last legen können. In Vv. 34-42 wie in Vv. 54-72 werden also andere Teile des Mk entschärft. Vv. 43-53 berichten dann von Jesu Gefangennahme und Abführung. Vv. 43-47 zeigen dabei wohl v.a., welch „feine Gesellschaft“ es ist, die Jesus da gefangennimmt: Zunächst ist da Judas, der Verräter aus dem Zwölferkreis, der Jesu zu allem Überfluss auch noch mit einem Kuss verrät. Sodann die zur Gefangennahme entsandten Truppen, die – das Festtagsverbot von Waffen missachtend – mit Schwertern und Keulen gegen Jesus ausziehen, als handle es sich bei ihm um einen gefährlichen Räuber. Entsandt sind diese u.a. vom Hohepriester, und sollte es nicht schon sein bisheriges (und mehr noch sein direkt bevorstehendes) Handeln deutlich gezeigt haben, macht es der symbolische Angriff auf ihn in V. 47 deutlich: Ebenso, wie Judas nicht wert ist, einer der Zwölf zu sein und die Häscher Jesu durchaus nicht rechtmäßig handeln, sondern gar den Tod verdienen, ist auch der Hohepriester durchaus seines Amtes nicht würdig.Diese sind es also, die Jesus hier gefangennehmen, und Jesus weist auf diese Unrechtmäßigkeit in Vv. 48f. auch deutlich hin, fügt sich aber, gestärkt durch das in der vorhergehenden Perikope Geschilderte, in sein Schicksal: Gottes Wille muss erfüllt werden.In Vv. 50-53 wird berichtet, wie die Personenkonstellation um Jesus sich ändert: Als Reaktion auf dieses sein sich-Fügen fliehen seine Anhänger allesamt. Jesus ist endgültig allein. Dafür aber versammeln sich alle obersten Priester im Haus des Hohepriesters um Jesus: Statt von Freunden und Anhängern ist Jesus nun nur noch von Feinden umgeben. Vv. 51f., über die viel gerätselt wurde, schildern dabei wohl nur einen Spezialfall der fliehenden Anhänger Jesu, um die Schmach dieser allgemeinen Flucht zu veranschaulichen.
miniatur|Himation. Foto von Giovanni Dall'Orto [CC BY-SA 3.0], aus Wikimedia CommonsWeil diese beiden Verse vielen rätselhaft schienen, sind sie häufig symbolisch ausgelegt worden. Sehr rätselhaft sind die Verse aber nicht (vgl. zum Folgenden bes. Jackson 1997): Ein „Leinentuch“ (gr. sindon) war im Alten Israel ein gewöhnliches, wenn auch nicht billiges Kleidungsstück, sehr ähnlich dem ganz rechts abgebildten himation: Ein rechteckiges Tuch, das um den Körper gewunden und nur manchmal mit einem Gürtel o.Ä. befestigt wurde. Ebenso gewöhnlich war es, dieses Kleidungsstück über dem nackten Körper (statt über einem zusätzlichen Untergewandt) zu tragen. Ein solches Leinentuch konnte sich sehr leicht vom Körper lösen, wie z.B. auf der rechts abgebildeten Kampfszene gut zu sehen ist. Vergleichbare Szenen finden sich daher häufiger. Schon in Gen 39,12 flieht Joseph vor Potifars Frau, indem er seine Kleidung „in ihrer Hand lässt“; nach TestJos 8,3 berichtet er darüber: „Sie griff mein Gewand, ich ließ es und rannte nackt davon“. In Lysias, Or 3.12.35 wird ein Junge beim Gewand gepackt, doch dieser „warf seinen Mantel ab und rannte davon“, und selbst der große Redner Demosthenes berichtet in Or 21.215-17, dass er, als er einmal am Gewand gepackt wurde und entkommen wollte, „seinen Mantel herabgleiten ließ und so fast nackt dastand.“ Dass der junge Mann hier beim Versuch, Jesu Häschern zu entkommen, sein Leinentuch verliert und nackt davonläuft, ist also durchaus realistisch (so auch Casey 2010, S. 440), ist aber (natürlich, und gerade im Alten Israel) sehr schmachvoll und färbt so die plötzliche Flucht aller Anhänger Jesu, von der V. 50 spricht.
In Vv. 54-72 sind, wie dies für das Mk typisch ist, zwei Erzählungen ineinander verschachtelt: Vv. 55-65 handeln vom Verhör Jesu durch die obersten Priester Israels, Vv. 54.66-72 vom „Verhör“ Petri durch Bedienstete des Hohepriesters. Wie häufig werden auch hier auf diese Weise die beiden Erzählungen miteinander kontrastiert: Während bei Jesus aufgrund nicht übereinstimmender Falschaussagen seiner Ankläger nicht beizukommen ist und er sich dann geradezu selbst verurteilen muss, indem er in aller Freimut bekennt, Messias, Sohn Gottes, „Menschensohn“ und endzeitlicher Heilsbringer zu sein, scheitert Petrus kläglich. Verknüpft werden die beiden Erzählungen auch durch die traurige Ironie, dass die Erzählung um Jesu endet mit der sarkastischen Aufforderung „Prophezeie!“ (V. 65), worauf direkt sich anschließt, wie eine eben erst (V. 30) ausgesprochene Prophezeiung Jesu sich tatsächlich bewahrheitet: Petrus verleugnet Jesus gleich drei Mal.Das Mk wurde kurze Zeit nach der grausamen Christenverfolgung durch Nero verfasst. Zu dieser Christenverfolgung gehörte auch das Verhör von Christen, in dem sie sich entweder als Märtyrer zu ihrem Christsein bekennen oder Christus „verleugnen“ und so zu Apostaten werden konnten. Plinius berichtet darüber in einem Brief an Kaiser Trajan, er habe Christen stets drei Mal gefragt, ob sie Christen seien, und erst nach ihrem dritten Bejahen habe er sie abführen lassen (Plinius, Epp. X 96,3). Von einige Methoden dieser Befragung lesen wir z.B. in den Märtyrerakten des Polykarp. Dieser soll zum arneisthai gebracht werden, zum „Leugnen“ (das selbe Wort wie in Vv. 70.72), und Ausdruck dieser Verleugnung war z.B., dass mutmaßliche Christen Christus „schmähten“ (MartPol 9.3; auch Epp. X 96.6) und z.B. bei einer Statue des als göttlich angesehenen Kaisers „schworen“, keine Christen zu sein. All diese Züge finden sich in der Szene vom Verhör des Petrus wieder: Gerade der Apostelfürst Petrus wird hier zum Exemplum eines verhörten Christen – und versagt auf ganzer Linie.Ein zeitgenössischer christlicher Leser wusste natürlich um die Vorbildlichkeit des Petrus; war er doch nach Christi Tod einer der drei Leiter der Jerusalemer Urgemeinde. Gerade deshalb eignete er sich besonders gut als Paradigma eines beim Verhör Gescheiterten: Von ihm wusste man, dass ihm sein Scheitern verziehen worden war, dass er danach sogar an die Spitze der Hierarchie der Christen gelangt war. Gerade vor dem Hintergrund von Vv. 55-65 werden so Vv. 66-72 zur Mahnung, wie mit beim Verhör gescheiterten Christen zu verfahren sei (so gut Lampe 1973) – in den Worten von Theophylakt: „Schande über die (...), die jenen die Rückkehr (in die christliche Gemeinde) veweigern wollen, die (...) gesündigt haben! Schaut auf Petrus, der am makellosen Leib und Blut teilhatte, dann den Herrn verleugnete, und dann für seine Reue zurückkehren durfte!“ (Üs. nach Stade 2008, S. 130) 1
[Status: Zuverlässig]
Das Pascha-Fest und [das Fest der] ungesäuerten Brote waren {aber} in zwei Tagen.
Zu den Zeitangaben s. den Exkurs zur Zeitrechnung. Das „Pascha“ war die jährliche jüdische Feier des Auszugs aus Ägypten (vgl. näher Passa (AT) (WiBiLex), zur heutigen Gestalt des Paschafestes gut Böckler 2006: Das Geburtstagsfest des Volkes), das „Fest der ungesäuerten Brote“ ursprünglich ein Frühlingsfest, das direkt an das Paschafest anschloss, eine Woche dauerte und für das charakteristisch war, dass man während dieser Zeit nur Brot ohne Sauerteig (eine Art Hefe) essen durfte (vgl. näher Mazzen / Mazzotfest (WiBiLex).
Da suchten die Hohepriester und die Schriftgelehrten
die Hohepriester und die Schriftgelehrten - „Die Hohepriester“ sind die Priester unter den Mitgliedern des Sanhedrins (=die höchste jüdische Gerichtsinstanz). Die Bezeichnung „die Hohepriester“ fungiert daher im NT oft als Wechselbegriff für den Jerusalemer Sanhedrin selbst; v.a., wenn sie – wie hier – zusammen mit den „Schriftgelehrten“ oder auch den „Ältesten“ oder den „Pharisäern“ genannt werden.
[einen Weg], wie sie ihn mit einer List ergreifen und töten könnten,
2denn sie sagten (sagten sich): „Nicht während des Festes,
oder: vor den Festgängern – so Jeremias 1960, S. 65-67; dagegen aber z.B. gut Marcus 2009, S. 933.
sonst wird es einen Aufruhr der Volksgemeinde geben.“
Da das Pascha-Lamm zu Jesu Zeit nur im Tempel geschlachtet werden und das Pascha-Fest nur in Jerusalem gefeiert werden durfte, war Jerusalem um diese Zeit von gläubigen Juden überfüllt. Es sind einige Tumulte überliefert, die während der Festzeit wegen dieser Pilgermassen ausgebrochen sind; die Sorge der Hohepriester ist also erklärlich.
3Und als er in Bethanien im Haus Simons des Leprakranken
Simons des Leprakranken - Die Identität dieses Simon ist ungeklärt. Das biblische „Lepra“ meint nicht die selbe Krankheit wie unser heutiges Wort „Lepra“. Ob eine bestimmte andere Krankheit damit gemeint war oder ob der Begriff eine Sammelbezeichnung für verschiedene Hautkrankheiten war, ist ebenfalls noch unklar. Entscheidend ist aber ohnehin nicht, welche Krankheit genau gemeint ist, sondern die Tatsache, dass derartige Hautkrankheiten den Kranken „unrein“ machten und der Aufenthalt Jesu in seinem Haus klar den Normen seiner Zeit widerspricht (vgl. z.B. van Iersel 1998, S. 416; Marcus 2009, S. 933). Jesu Feiern im Haus von Leprösen liegt also auf einer Linie mit seinem Feiern mit Zöllnern und Sündern.
war – als er [bei Tisch] lag
[bei Tisch] lag – in besonders wohlhabenden Haushalten pflegte man zur Zeit Jesu zu speisen, indem man sich um einen niedrigen Tisch herum auf Liegen niederlegte, mit einem Arm abstützte und mit dem anderen aß.
– kam eine Frau,
Keiner der drei Synoptiker identifiziert diese Frau. Johannes dagegen berichtet, es sei Maria, die Schwester Marthas, gewesen, verortet aber auch die ganze Szene in das Haus der beiden Schwestern. Ephräm der Syrer war es, der die namenlose Frau im 4. Jh. mit Maria Magdalena und gleichzeitig mit Maria, der Schwester Marthas, gleichgesetzt hat. Papst Gregor I baut das 591 noch weiter aus und identifiziert auch ihre Sünde: Sie ist eine Prostituierte. Für keines von beidem gibt es einen Anhaltspunkt in den biblischen Texten; dennoch ist es diese Vorstellung – die von der Prostituierten Maria Magdalena, die Jesus reuig mit Öl einreibt – die den meisten Christen beim Lesen der Szene so präsent ist, dass die katholische Kirche es 1969 anlässlich einer Kalenderreform für nötig hielt, sie offiziell für falsch zu erklären.
die ein Alabastergefäß voll kostbaren, reinem Nardenparfums
Alabastergefäß voll kostbarem, reinem Nardenparfums - W.: „Ein Alabastergefäß des Parfums der Narde der pistikäs des Werts“; die Reihung von vier Genitiven soll auch stilistisch die exorbitante Kostbarkeit des Parfums zum Ausdruck bringen (France 2002, S. 551).Die Bedeutung von pistikäs ist umstritten. Am verbreitetsten sind die Deutungen, (1) dass „Narde der pistikäs“ der Ausdruck für die Behennuß/Pistazie sei (so schon Lightfoot 1859, S. 446; z.B. auch Black 1967, S. 224; Cranfield 1959, S. 45; Gnilka 1979, S. 221) -> „Pistazienparfum“, und (2), dass das Wort pistikäs von pistis („Treue“) abzuleiten sei (so schon Theophylakt, vgl. Lücking 1993, S. 50; z.B. auch Evans 2001, S. 360; Gundry 2000, S. 812; Spicq 1978b, S. 696) -> „Parfum aus echter Narde / echtes/reines Nardenparfum“. Daneben lassen sich noch viele weitere Deutungen finden; weil eine Lösung der Frage nicht in Aussicht liegt, wählen wir Deutung (2), da sie häufiger in Üss. gewählt wird.
[bei sich] hatte. Nachdem sie das Alabastergefäß zerbrochen hatte,
zerbrochen hatte - Häufig liest man in der Exegese, Alabastergefäße wären so hergestellt worden, dass man sie aufbrechen musste, um an den Inhalt zu kommen. Das ist nicht sehr wahrscheinlich; erstens musste der Inhalt ja auch irgendwie in die Gefäße gelangen (so auch France 2002, S. 552); zweitens war Alabaster nicht billig, so dass eine solche Verfertigungsweise recht merkwürdig gewesen wäre, drittens weisen die archäologischen Funde von Alabastergefäßen nicht in die Richtung, dass sie so verfertigt worden wären (so auch Marcus 2009, S. 934; einige Beispiele lassen sich hier betrachten). Vermutlich soll also auch das Zerbrechen nur noch zusätzlich die Verschwendung der Frau unterstreichen: Nicht nur braucht sie die ganze Menge ihres sehr teuren Parfums auf, sondern auch das ebenfalls teure Gefäß macht sie damit unbrauchbar (vgl. Klostermann 1950, S. 142f: „Wenn das Zerbrechen des Flaschenhalses bei der Vewendung nicht einfach das Übliche ist (Billerbeck II 48 f.), so will die Frau in überschwenglicher Verehrung von dem Salböl nichts zurückbehalten, vielleicht auch eine weiter Verwendung des Fläschchens nach diesem Gebrauch unmöglich machen.“).
goss sie [das Öl] herab auf seinen Kopf.
4Einige aber waren {untereinander} verärgert (voller Empörung) [und sagten] zueinander: „Für was ist diese Verschwendung des Parfums geschehen? 5Man hätte nämlich dieses Parfum für mehr als 300 Denare
300 Denare - Mehr als das Jahreseinkommen eines durchschnittlichen Arbeiters. M. Pea 8,8 nennt 200 Denare als jährliches Existenzminimum (vgl. Dschulnigg 2007, S. 357; s. die Üs. bei Open Mishnah); umgerechnet auf heutige Verhältnisse hätte das Parfum also (laut dt. Steuersystem) einen Wert von fast 13.000 €.
(teurer als für 300 Denare) verkaufen und [den Erlös] den Armen geben können.“
Man hätte dieses Parfum verkaufen können - W. „Dieses Salböl konnte verkauft werden.“
Und sie machten ihr Vorwürfe.
6Jesus aber sprach: „Lasst sie! Was macht ihr ihr Beschwerden?
Was macht ihr ihr Beschwerden? – Gr. Idiom, die Bed. ist etwa »Was lasst ihr sie nicht in Frieden?« (s. noch Lk 11,7; 18,5; Gal 6,17).
Sie hat ein gutes Werk
gutes Werk - kalon ergon, wie im Dt. ein Terminus technicus für Wohltätigkeit. Im Judentum wurden auch gute Taten an Toten zu solchen »guten Werken« gerechnet; schon hier wird also auf V. 8 vorausverwiesen (vgl. z.B. Dschulnigg 2007, S. 357).
an mir getan –
7und
und - W. »denn«; der Satz ist die Rechtfertigung dafür, warum es in Ordnung ist, etwas Gutes an Jesus zu tun, wenn dies gleichzeitig verhindert, etwas Gutes für die Armen zu tun.
die Armen habt ihr immer bei euch und sooft (falls) ihr wollt, könnt ihr ihnen (immer)
Textkritik: (immer) - so viele Handschriften. Ob dies dritte immer aus stilistischen Gründen zum Urtext hinzugefügt wurde (=> Symmetrie) oder aus dem Urtext gestrichen wurde (=> redundante Wortwdh.), lässt sich nicht entscheiden. Die überwältigende Mehrheit übersetzt es nicht. Sinnvoll wäre es im Kontext allemal: Das Entscheidende an dieser Aussage Jesu ist, dass der aktuelle Zeitpunkt eine absolute Ausnahmesituation ist (s. Anmerkungen).
wohltun (Gutes tun); mich aber habt ihr nicht immer.
8Was sie [tun] konnte (was sie hatte),
konnte (hatte) - W. »Was sie hatte«, hier (wie auch sonst manchmal) i.S.v. »vermögen, können«. Mit dieser Wortwahl soll vermutlich angespielt werden auf Jesu Aussage über das letzte Scherflein der Witwe in Mk 12,44: Mk 13 – die Markus-apokalypse – wird gerahmt von zwei Erzählungen von Frauen, die paradigmatisch für den richtigen Gebrauch von Geld (am Ende der Zeit) sind (vgl. z.B. van Iersel 1998, S. 417; Marcus 2009, S. 941).
hat sie getan: Sie hat es vorweggenommen, meinen Leib für das Begräbnis einzubalsamieren
einzubalsamieren - Hier wird das Verb myrizo statt chrio (»salben«) verwendet. Viele denken, die Parfumierung der Frau habe auf einer zweiten Bedeutungsebene den Sinn, dass Jesus hier zum Messias gesalbt werden sollte (wie z.B. David in 1 Sam 16,13; so z.B. Guijarro/Rodriguez 2011; Park 2012). Doch dafür wäre sehr wahrscheinlich eben chrio statt katacheo (»herabgießen«) und murizo (»einbalsamieren«) verwendet worden (Marcus 2009, S. 396; vgl. ähnlich Lücking 1993, S. 110) und außerdem wohl elaion (»Öl«) statt muron (»Parfum«). Aus diesem Grund muss man die Salbung zunächst wohl doch »nur« als »schlichte Wohltat beim Mahl« verstehen (vgl. Ps 23,5; Jos.Ant 19,239: »[...Er] erschien [...] dort mit gesalbtem Haar, als käme er von einem Trinkgelage [...].«) – und was sie auf der tieferen Ebene bedeutet, sagt Jesus in diesem Vers ja selbst.
.
9Amen, ich sage euch,
Amen, ich sage euch - ein sog. »nicht-responsorisches Amen«: Durch »Amen, ich sage euch« eingeleitete Sätze finden sich in der Bibel ausschließlich bei Jesus und dienen v.a. dazu, den folgenden Satz zu markieren als ein(e) mit Vollmacht geäußerte(s) Voraussage / Urteil (BB: »Damit verbürgt er sich dafür, dass seine Worte wahr sind und Gültigkeit haben.«). In V. 25 außerdem verstärkt durch die Konstruktion ou me + Aorist; die stärkstmögliche Verneinung zukünftiger Geschehnisse im Griechischen. Am sinnvollsten übersetzt daher Zink: »Was ich sage, ist wahr: ...«
wo auch immer diese Freuden-Botschaft (dieses Evangelium)
dieses Evangelium – »Evangelium« ist hier noch keine Gattungsbezeichnung für eine Textsorte, sondern ein stehender Begriff für die frohe (!) Botschaft über Leiden und Tod Jesu, die die Kirche in der ganzen Welt verkündigen muss (zur Stelle vgl. gut Schillebeeckx 1975, S. 97). »Dieses Evangelium« bezieht sich also zurück auf das, was durch das »Sie hat es vorweggenommen, mich für mein Begräbnis einzubalsamieren« angesprochen ist, nämlich den Tod Jesu – und dieser ist eine »frohe Botschaft«.Richtig daher die Paraphrase von Zink: »Wo immer Menschen einander sagen werden, daß ich starb, um der Welt das Leben zu schenken, da wird man erwähnen, was sie eben getan hat.«
auf der ganzen Welt verkündet wird, wird auch von dem, was diese getan hat, gesprochen werden – zur Erinnerung an sie.“
10Und Judas Iskariot, einer der Zwölf, ging zu den Hohepriestern, um ihn an sie auszuliefern. 11Und sie freuten sich, als sie [das] hörten, und versprachen, ihm Geld zu geben. Und er suchte [einen Weg], wie er ihn zur rechten Zeit
zur rechten Zeit - sehr oft: „bei günstiger Gelegenheit“. Im Gr. steht hier aber eukairos, die „gute rechte-Zeit“, und da sowohl in Vv. 1f. als auch Vv. 3-9 die Zeit das Thema ist, liegt eine andere Übersetzung als „zur rechten Zeit“ sehr fern. Richtig daher MSG: „He started looking for just the right moment to hand im over“.
ausliefern könnte.
12Und am ersten Tag [des Festes] der ungesäuerten [Brote],
Zur Zeitangabe s. den Exkurs zur Zeitrechnung.
als sie das Pascha[lamm] opferten (an dem man das Pascha[lamm] zu opfern pflegte),
als sie das Pascha[lamm] opferten (an dem man das Pascha[lamm] zu opfern pflegte) (V. 12) + Geht in die Stadt - Weil das Verb ethuon sich sowohl personal („als sie (sc. die Jünger) opferten“) als auch impersonal („an welchem man zu opfern pflegte“) deuten lässt, lassen sich zwei mögliche Situationen der Perikope rekonstruieren: (1) Jesus und seine Jünger sind gerade im Tempelbezirk, wo nach Vorschrift Jesus als der Vorsteher des Paschamahls das Lamm schlachtet, das dann am Abend verspeist werden wird. In dieser Situation fragen die Jünger Jesus, wo sie das Mahl vorbereiten sollen, und er gibt ihnen daher die Anweisung, [aus dem Tempelbezirk hinaus] in die Stadt zu gehen. (2) Jesus und seine Jünger befinden sich zum Zeitpunkt, zu dem „man“ üblicherweise das Paschalamm schlachtet, noch in Bethanien oder auf dem Weg von Bethanien nach Jerusalem, als die Jünger Jesus ihre Frage stellen, und also weist er sie an, [von Bethanien/vom Weg aus] in die Stadt zu gehen.Nach V. 15 ist der Speisesaal bereits vorbereitet, weshalb der größte Teil der noch zu leistenden Vorbereitungen im Braten des Lammes besteht. Weil nach Sitte Jesus es war, der dieses Lamm zu schlachten hatte, würde Rekonstruktion (2) bedeuten, dass Jesus die Jünger ohne ein Lamm zum Kochen schickt. Das macht nicht viel Sinn; wahrscheinlicher ist daher Rekonstruktion (1). So z.B. auch Casey 2004, S. 203f.; Evans 2001, S. 373. Für Rekonstuktion (2) dagegen z.B. France 2002, S. 564; Gundry 2000, S. 820; Marcus 2009, S. 944.
fragten ihn seine Jünger: „Wo willst du, [dass] wir {fortgehend} vorbereiten, damit du das Pascha essen kann?“
13Und er sandte zwei seiner Jünger
zwei seiner Jünger - Offenbar keine Mitglieder des Zwölferkreises, s. V. 17. Für das Abendmahl muss dann die Anwesenheit von noch mehr Gästen als nur Jesus und dem Zwölferkreis vorausgesetzt werden (so auch Casey 2004, S. 227f.; Evans 2001, S. 374), und aus diesem Grund muss in V. 15 die Größe des Oberzimmers betont werden. Auch in Vv. 51f. ist wohl von einem Jünger die Rede, der nicht zum Zwölferkreis gehört, dennoch aber mindestens auf dem Ölberg anwesend ist und daher wohl auch im Abendmahlssaal anwesend war. Casey und Evans setzen außerdem die Anwesenheit von Frauen als Selbstverständlichkeit voraus – der Text selbst jedenfalls schweigt sich darüber aus. Vgl. auch Heininger 2005, S. 12 zu Mk 15,40f: Wo sonst blieben die „vielen Frauen“, die Jesus nach Jerusalem gefolgt waren?
und sagte zu ihnen: „Geht in die Stadt, und es wird ein Mann auf euch zutreten,
auf euch zutreten - nicht: »Ihr werdet treffen« (so viele Üss.), LSJ S. 178: »move from a place to meet a person« - die Initiative liegt beim Wasserträger. S. die Anmerkungen.
der einen Krug Wasser trägt. Folgt ihm,
14und wo auch immer er hineingeht, sagt zu dem Hausherrn {dass}: »Der Lehrer sagt: »Wo ist mein Gästezimmer, wo ich das Pascha[mahl] mit meinen Jüngern essen kann?««!
Da man zu Jesu Zeit das Paschamahl in Jerusalem zu sich nehmen sollte (s. FN d), war es üblich, die Gastfreundlichkeit von Einheimischen in Anspruch zu nehmen und das Paschamahl in deren Haus zu sich zu nehmen.
15Und dieser wird euch ein großes Zimmer im Obergeschoss zeigen, möbliert und vorbereitet. Dort bereitet für uns vor!“
vorbereitet ... dort bereitet vor - nämlich Möblierung etc. ist vorbereitet, das Essen aber noch nicht (vgl. z.B. Evans 2001, S. 375).
16Und die Jünger gingen hinaus und kamen in die Stadt, und sie fanden [alles so] vor, wie er [es] ihnen gesagt hatte, und sie bereiteten das Pascha[mahl] vor. 17Und als [es] Abend geworden war (wurde), kam er mit den Zwölf. 18Und während (als)
Und während (als) sie zum Essen lagen (V. 18) + Und als er bei (nach) ihrem Essen (V. 22) – Zu Jesu Zeit liefen ein griechisches Gastmahl, ein jüdisches Festmahl und später auch ein Passamahl alle nach dem selben Muster ab: Nach einer im Sitzen eingenommenen Vorspeise ging man in den Speisesaal, um dort im Liegen den Hauptgang einzunehmen, an den sich danach noch ein längerer Umtrunk anschloss. Das Gebet über dem Brot und das Brotbrechen leitete den Hauptgang ein, das Gebet über dem Kelch war die Brücke zwischen Hauptgang und Umtrunk. Diese Abfolge müssen wir uns auch für das Letzte Abendmahl denken (Lk 22,20; 1 Kor 11,25: „Der Becher nach dem Essen“).Bei Mk und Mt aber wirkt es wegen der Zeitangaben in Vv. 18.22.23 so, als würde sowohl die Brot- als auch die Becherhandlung nach Beginn des Essens stattfinden. Mögliche Erklärungen sind: 1. Die Gemeinde des Markus hat die Feier des Abendmahls vielleicht in einer anderen als der üblichen Abfolge gefeiert und die Brothandlung zur Kelchhandlung ans Ende der Feier verschoben. Markus hätte das dann auch in den Bericht vom Abendmahl „hineingeschrieben“: Während des Hauptgangs macht Jesus seine Judas-Prophezeiung und erst nach dem Hauptgang folgen Brot- und Becherhandlung. Dann wäre V. 22 zu deuten als: „Als er am Ende ihres Essens ...“ 2. Die beiden Präsenspartizipien in V. 18 könnte man unter Umständen auch als „volitive Partizipien“ auffassen (vgl. z.B. Mt 27,40: „Der du den Tempel einreißen und aufrichten willst...“; Heb 11,6: „Dem, der Gott nahen will...“ ): „Und als sie lagen und essen wollten“, d.h., direkt vor dem Hauptgang und dem Umzug ins Speisezimmer. 3. Vielleicht erzählt Markus die Begebenheiten aus dem letzten Abendmahl (Ankündigung des Verrats und Einsetzungsworte) auch einfach unabhängig voneinander, ohne die Erzählung streng chronologisch zu verstehen.
sie zum Essen lagen,
lagen - S. FN f: Jesus feiert sein Letztes Abendmahl nach dem Muster eines Abendmahls wohlhabender Menschen. Das Liegen ist nicht auf das Datum zurückzuführen, s. die Anmerkungen.
sagte Jesus: „Amen, ich sage euch: Einer von euch, der mit mir isst,
der mit mir isst - Vermutlich ein Zitat von Ps 41,9, wo ein unschuldig Leidender sich darüber beklagt, dass seine Feinde ihn töten wollten und auch sein Freund, dem er vertraute und der mit ihm Brot aß, ihn verderben wolle. Das Präsens ist daher besser gnomisch zu verstehen: Nicht »einer, der aktuell mit uns am Tisch sitzt«, sondern »einer meiner üblichen Tischgenossen«.Miteinander zu essen, Tisch und Schüssel zu teilen (s. V. 20), ist ein Symbol für Freundschaft und Verbundenheit; dass es »einer von euch« ist, »einer der Zwölf«, »einer, der mit mir isst« und »einer, der mit mir in die selbe Schüssel tunkt«, macht den Verrat noch verwerflicher, als er ohnehin schon ist.Zur Verwendung des Artikels vgl. Zerwick §192.
wird mich ausliefern
ausliefern - Leitwort im Mk-Evangelium; stets im Sinne von »feindlichen Institutionen ausliefern« verwendet (s. Mk 9,31; 10,33; 13,9.11f; 14,11.21.42.44; 15,1.10.15). Vermutlich auf die Verfolgungssituation der ursprünglichen Leser des Markus zurückzuführen, in der Jesusanhänger dazu gezwungen wurden, andere Christen an die Behörden auszuliefern – die Botschaft ist dann die: Auch Jesus und seine Jünger haben schon dieses Schicksal mit euch geteilt.
.“
19Das machte sie bestürzt (traurig) und einer nach dem anderen sagte zu ihm: „Doch nicht etwa ich?“ 20Da sagte er zu ihnen: „Einer der Zwölf, der [das Brot] mit mir in die (eine)
Textkritik: die (eine) - Einige Handschriften haben hier ein zusätzliches »eine«. Ob die Handschriften damit den Ausdruck verschärfen (»in die selbe Schüssel«) und an die vorigen »eins, eine« (»einer von euch...«, »einer nach dem anderen...«, »einer der Zwölf...«) anpassen oder aus stilistischen Gründen wegen derselben »eins, eine« dieses vierte »eine« streichen wollten, lässt sich nicht entscheiden (so auch Wilckens 2014). Tendenziell für den längeren Text sprechen sich z.B. Cranfield 1959, S. 424; Gundry 2000, S. 837 und Marcus 2009, S. 950 aus; so auch H-R; EÜ. Die meisten Üs. aber übersetzen den kürzeren Text, so daher auch wir.
Schüssel tunkt.
in die Schüssel tunkt - der Satz meint das selbe wie das vorige »der mit mir isst«: »Einer meiner (üblichen) Tischgenossen«. Zum Eintunken von Speißen in eine Schüssel s. z.B. Rut 2,14; nicht gemeint ist hier Charoset (das Fruchtmus, das zu den vorgeschriebenen Speißen eines Passaseders gehört); auch dieses wurde vermutlich erst einige Jahrzehnte nach Jesu Tod eingeführt (s. Anmerkungen und vgl. Kulp 2005, S. 113).
21Denn der Menschensohn
Menschensohn - Ein weiteres Leitwort bei Markus. Außer in Mk 2,10.28 verwendet Jesus dieses »biographische Ich-Idiom« (Schenk 1997) ausschließlich, wenn er von seiner Rolle in Gottes Heilsplan spricht, also der, dass er – der Menschensohn – von den Menschen verworfen, ausgeliefert und getötet werden müsse, dann aber in großer Macht und Herrlichkeit wiederkehren werde. Vgl. besonders gut Danove 2003, S. 23-25.
geht
geht - In jüd. Schriften verbreiteter Euphemismus für »Sterben« (vgl. gut z.B. Marcus 2009, S. 951). Bes. häufig bei Joh zu finden, s. z.B. Joh 7,33; 8,21f; 13,3.
zwar, wie über ihn geschrieben steht,
wie geschrieben steht - Übliche Formel, um auszudrücken, dass etwas den Prophezeiungen des AT und damit dem Willen Gottes, der sich aus diesen Prophezeiungen herauslesen lässt, entspricht (vgl. z.B. Donner 1994); bei Mk s.. z.B. noch Mk 1,2; 9,12f; 11,17; 14,27. Auf welche Stelle unser Vers sich bezieht, ist aber (wie öfters) ungewiss.
aber wehe jenem Menschen, durch den der Menschensohn ausgeliefert wird! [Es wäre] besser für ihn, wenn jener Mensch nicht geboren worden wäre.“
22Und als er bei (nach) ihrem Essen ein Brot genommen und [Gott] gedankt hatte,
[Gott] gedankt - Nicht: „[das Brot] gesegnet“. Nach späteren rabbinischen Texten betete man vor dem Hauptgang über dem Brot und nach dem Hauptgang über dem Wein eine sogenannte Berakah; über dem Brot z.B.: „[Gepriesen bist du, Herr unser Gott, König des Alls], der du das Brot der Erde hervorbringst“ (m.Ber. 6,1). Ein ähnliches Gebet müssen wir uns auch bei Jesus denken; die Didache z.B. empfiehlt daher als Eucharistiegebet eine „christianisierte“ Form einer solchen Berakah: „Wir danken dir, unser Vater, für das Leben und die Erkenntnis, die du uns kundgetan hast durch Jesus, deinen Knecht. Dir sei die Herrlichkeit in Ewigkeit!“ (Did 9,3). Dass Lk 22,19 und 1 Kor 11,24 statt hier „danken“ statt „segnen“ stehen haben, ist nicht bedeutsam; eine Berakah ist ein Dankgebet und „Gepriesen bist du, der du / denn du...“ meint nur „Danke dafür, dass...“.
hatte, brach er [es],
nachdem er [Gott] gepriesen hatte, brach er [es] - Die üblichen jüdischen Gesten zur Eröffnung einer Hauptmahlzeit (vgl. z.B. gut Hofius 1988, S. 379). Markus scheint diese Handlung ans Ende der Hauptmahlzeit verschoben zu haben (s. dazu FN ab).
gab [es] ihnen und sagte: „Nehmt, dies
tFN: dies - Immer wieder wiederholt worden ist in letzter Zeit die Analyse von Luz, das Neutrum »dies« könne sich nicht auf das Maskulinum »Brot« beziehen und müsse daher die Handlung des Brotbrechens und -verteilens meinen (so z.B. Heininger 2005, S. 44; Niemand 2002, S. 97; Luz 2002, S. 4f; Schröter 2006, S. 128; Trummer 2001, S. 136f). Das ist falsch. Im Griechischen richten sich Demonstrativpronomen sogar häufiger im Genus nach der Subjektsergänzung (hier also das Neutrum »Leib«) als nicht (vgl. HvS §263e; z.St. auch Söding 2002, S. 55; Weidemann 2013, S. 84f). Dass mit »dies« also nicht das Brot, sondern die Handlung bezeichnet wird, ist grammatisch möglich, aber keinesfalls notwendig und auch nicht sehr wahrscheinlich.
ist mein Leib!“
Hierzu s. die Anmerkungen.
23Und als er einen Becher (Kelch)
Becher (Kelch) - Eher „Becher“ als „Kelch“. Das Wort ist bis vor Kurzem intensiver im anglophonen Sprachraum diskutiert worden, da dort in der kath. Kirche bis zur Revision des Römischen Messbuchs die Übersetzung „cup“ („Becher“) in Gebrauch war, nach der Revision aber durch „chalice“ („Kelch“) abgelöst wurde. Im Griechischen steht hier poterion, womit allgemein Trinkgefäße bezeichnet wurden; die Entsprechung von „Kelch“ wäre tendenziell eher kylix. Das Missale übersetzt dennoch „Kelch“, um so der Übersetzungsentscheidung von Hieronymus in der Vulgata zu folgen (calix). Calix aber wurde zu Hieronymus Zeit allgemein für Trinkgefäße verwendet (daher übersetzt er z.B. auch in Mt 10,42 poterion mit calix, wo klar ein Becher gemeint ist), weshalb auch in der VUL beide Deutungen möglich sind. In den dt. Üss. sind beide Varianten gebräuchlich.
genommen und [Gott] gedankt
[Gott] gedankt - hierzu s. FN aj. m.Ber 6,1 empfiehlt als Berakah über dem Weinbecher „[Gepriesen bist du, Herr unser Gott, König des Alls], der du die Frucht des Weinstocks geschaffen hast“; die christianisierte Berakah der Didache lautet „Wir danken dir, unser Vater, für den heiligen Weinstocks Davids, deines Knechtes, den du uns kundgetan hast durch Jesus, deinen Knecht. Dir sei die Herrlichkeit in Ewigkeit!“ (Did 9,2).
hatte, gab er [ihn] ihnen und sie alle tranken aus diesem.
Hierzu und zum nächsten Vers s. die Anmerkungen
24Und er sagte zu ihnen: „Dies ist mein Blut des (neuen)
Textkritik: neuen - Nicht wenige Handschriften haben hier ein zusätzliches »neue« – zweifellos eine Angleichung an Lk 22,20; 1 Kor 11,25 und damit sekundär (so z.B. auch TCNT).
Bundes, für viele
viele - dient vermutlich zum Ausdruck des Zahlenverhältnisses: Einer vergießt sein Blut für viele. S. genauer unten.Auch dieses Wort wird aktuell sehr heftig diskutiert, daher auch hierzu eine etwas längere Erklärung der Diskussion und zur Rechtfertigung der Übersetzung. Hintergrund der Diskussion ist der, dass in der kath. Liturgie in Deutschland lange Zeit die Formulierung »das für euch und für alle vergossen wird« gebräuchlich war. In einem Brief der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung von 2006 wurde stattdessen die Übersetzung »für viele« vorgeschrieben, und vor allem infolge eines Folgebriefes von Benedikt XVI. an die deutschen Bischöfe entbrannte ein heftiger und leider seltenst sachlich geführter Streit, der mittlerweile nur noch oberflächlich etwas mit der Übersetzung selbst zu tun hat. Beide Parteien berufen sich auf Jes 53,12. Weil auch dort von jemandem die Rede sei, der für die Sünden anderer stirbt und wegen den gemeinsamen Vokabeln »vergossen« und eben »viele« sei klar, dass Mk hier die Jes-Stelle zitiert. Die einen leiten daraus ab, dass das »viele« in Jesaja wie oft im Hebräischen als »alle« verstanden werden müsse und dass dies demnach auch die Bedeutung des »viele« bei Mk sei; die anderen erkennen zwar die Bedeutung »alle« in Jesaja (und meistens auch Markus!) an, fordern aber dennoch eine »wörtliche« Übersetzung in Mk, damit der Bezug zu Jes erkennbar sei und keine Deutung in die Mk-Übersetzung eingetragen werde. Beide Argumentationen sind sehr problematisch. Zunächst wurde zu ntl Zeiten nicht der heb. Jes-Text verwendet, sondern entweder die LXX-Übersetzung oder ein Targum. Die LXX-Übersetzung lautet aber nicht »Weil er sein Leben in den Tod ausgegossen hat«, sondern »weil er seine Seele in den Tod auslieferte«, die von TgJ »Weil er sein Leben dem Tod übergab«. Der einzige Bezug im Vokabular ist damit das »viele«, und auf dieser Basis von einem »Zitat« zu sprechen, geht durchaus nicht an (so z.B. richtig Chilton 1994, S. 87; Dunn 2003, S. 815f.; Schröter 2006, S. 129; übrigens sogar Benedikt, obwohl er im Folgenden dann doch mit dem Jes-Text argumentiert). Sodann motivisch: Der Gottesknecht im Jes-Text wurde im frühen 1. Jahrhundert überhaupt nicht als Paradigma eines Menschen aufgefasst, der die Sünden anderer Menschen auf sich nimmt – weder in jüdischen noch in christlichen Texten. Im NT z.B. wird Jes 52,13-53,12 insgesamt sieben Mal zitiert – und nur im spätesten Text, 1 Pet 2,22-25, ist er Paradigma dieses Motivs (vgl. z.B. Zager 1996, S. 180f). Aus diesem Grund kommen heute immer mehr Wissenschaftler von der Vorstellung ab, dass das Gottesknechtslied ein Vorbild für die ntl Texte gewesen sei (vgl. z.B. Versnel 2005, S. 215 und die dort zusammengetragene Literatur). Und weiter: Gerade, wenn wir dennoch davon ausgingen, dass hier ein Jes-Zitat vorläge, gingen beide Argumentationen am Text vorbei, denn der Zweck des »Viele« wäre dann wie in Jes nicht die Identifikation einer Zielgruppe der »Leistung« von Gottesknecht und Jesus, sondern der Ausdruck eines Zahlenverhältnisses: Einer nimmt die Verfehlungen von Vielen auf sich / legt für viele Fürsprache ein / vergießt sein Blut für viele; s. ähnlich z.B. 1 Kor 10,17: »Weil es ein Brot ist, sind wir – wir vieleein Leib.« So ist das »viele« hier wahrscheinlich auch unabhängig von der Jes-Stelle zu verstehen. Und schließlich: Selbst dann, wenn die Übersetzung »alle« sich hier ebenso gut rechtfertigen ließe wie »viele«: Nur von den wenigsten Üss. wird sie gewählt (z.B. GN, KAM); daher nach Kriterium 1b auch von uns nicht. Welche Übersetzung die sinnvollste für eine Messliturgie ist, ist natürlich eine andere Frage.
vergossen.
Zum Gesamtsinn des Verses s. die Anmerkungen. Die Formulierung lässt sich am leichtesten genetisch erklären. Die Vorstellung, dass ein Mensch »für andere« sterben könne, stammt ursprünglich aus dem hellenistischen Kulturraum und ist dort gerade in der ntl. Zeit außerordentlich populär (s. bes. das von Versnel 2005 auf S. 230-244 zusammengetragene Material): Zürnte eine Gottheit einer Person/einem Volk/ ..., konnte ein Mensch ersatzweise für diese Person/dieses Volk/... sterben und so die Gottheit beschwichtigen (vgl. gut z.B. Breytenbach 2003). Relativ rein lässt sich dieser Gedanke z.B. auch in den johanneischen Schriften betrachten (s. z.B. Joh 10,11.15; 15,13; 1 Joh 3,16. Bei unserer Stelle ist diese Vorstellung aber verschmolzen mit einer weiteren Vorstellung; diesmal aus dem jüdischen Kulturraum: Wenn Gott einer Person zürnt, liegt das nach jüd. Vorstellung an den Sünden dieser Person, die wie eine Trennwand zwischen die Person und Gott treten. Eingerissen werden muss diese Trennwand durch en Opfer – durch die Darbringung von Opferblut -, dessen Effekt die Errichtung eines »Bundes« zwischen Gott und dem Opfernden ist (s. Ex 24,8; Sach 9,11; vgl. z.B. Willi-Plein 1993, S. 97f. S. bes. die Variante von Ex 24,8 im etwa zeitgleich zum Mk entstandenen TgO: »Da nahm Mose das Blut und sprengte es auf den Altar, um für das Volk Sühnung zu schaffen...«). Kombiniert lauten die beiden Vorstellungen dann: Jemand, der für jemanden stirbt, wird so zum »Opfer« für diesen zum Zwecke der Sühnung seiner Sünden (vgl. gut Merklein 1986, S. 71). Diese »Vorstellungskombination« wird z.B. auch in Joh 1,29; Röm 3,25f und Heb 9,13-15 auf Jesus übertragen; außerhalb des NT findet sich die Vorstellung z.B. auch in 4 Makk 17,21f. und j.Sanh. 11,5.
25Amen, ich sage euch: Ich werde nicht wieder vom Gewächs des Weinstocks trinken bis zu jenem Tag, an dem ich [von] ihm erneut (ihn als neuen)
[von] ihm erneut (ihn als neuen) - Beide Positionen werden in der Forschung vertreten; für die erste z.B. Gundry 2000, S. 834; Marcus 2009, S. 959; für die zweite z.B. France 2002, S. 572; NSS. »Ihn als neuen« soll dann vom »neuen [Wein]« sprechen und dieser widerum ein Symbol für das »messianische Bankett« sein, das nach dem endgültigen Anbruch des Reiches Gottes stattfinden wird. tirosh, »neuer Wein«, ist im AT aber meist als durchaus innerweltliches, aktuell vorhandenes Getränk gedacht und daher schlicht als »Most« zu übersetzen, und auch syntaktisch ist diese Auflösung ganz unwahrscheinlich. Der Satz ist vielmehr als Todesprophetie aufzufassen: Hiermit trinkt Jesus seinen letzten Becher Wein, doch schon bald – nämlich im Reich Gottes, das Jesus für die näheste Zukunft erwartete – wird er von Neuem mit dem Trinken beginnen.
im Reich Gottes trinken werde.“
26Und nachdem sie [Loblieder] gesungen hatten,
[Loblieder] gesungen - W. „gelobliedet“; gemeint sind vielleicht die Psalmen 115-118, die man evt. schon zu dieser Zeit, sicher aber später üblicherweise am Ende des Pesachmahls sang (vgl. z.B. France 2002, S. 573). B/N daher: „Jesus und die Jünger sangen den Hymnus, den man nach dem Passahmahl singt...“ Ohnehin wurden aber bei jedem griechischen Symposium religiöse Lieder gesungen; u.a. z.B. ein die abschließende Becherhandlung (s. u.) begleitender „Paian“. Wenn zu Jesu Zeit die Psalmen 115-118 noch nicht der übliche Abschlussgesang des Paschamahl waren, könnte hier gut auch ein solcher gemeint sein.
gingen sie hinaus zum Ölberg.
Ölberg - Ein Ort bei Jerusalem, zu dem Jesus nach Lk 21,37 häufiger zum Beten ging und wo er sich schon öfter mit seinen Jüngern versammelt hatte (vgl. Joh 18,2).
be
27Da sagt[e] Jesus zu ihnen: „Ihr werdet alle zu Fall kommen (ärgern),
zu Fall kommen (ärgern) – Beide Üss. sind möglich; letztere dann i.S.v. »an mir Anstoß nehmen« (so die meisten Üss.). Wegen V. 30 ist die primäre Üs. aber die wahrscheinlichere: »die Jünger werden die Glaubensprobe, die ihnen mit dem Leiden Jesu aufgegeben ist, nicht bestehen« (Gnilka 1979, S. 252). So z.B. auch H-R, KAR, WIL, ZÜR.
,weil geschrieben steht:
Weil geschrieben steht - Wie in Mk 9,11; 14,21 zeigt sich hier, dass nach Markus Jesus schon längst aus dem Alten Testament die dort vorgezeichneten Geschehnisse um seine Passion weiß (vgl. auch Mk 9,31; 10,34) und und um die Notwendigkeit, mit der diese ablaufen werden.
»Ich werde den Hirten schlagen (erschlagen), und die Schafe werden zerstreut werden.«
Deutliches, aber freies Zitat aus Sach 13,7. Dort aber fordert Gott andere auf, den Hirten zu schlagen – hier dagegen führt er selbst das Schwert.
,
bi
28Doch nachdem ich auferweckt worden sein werde, werde ich euch nach Galiläa vorausgehen (in Galiläa anführen).“ bj 29Petrus aber sagte zu ihm: „Und wenn alle zu Fall kommen (sich ärgern) werden – ich aber nicht!“ 30Und Jesus sagt[e] zu ihm: „Amen, ich sage dir: Du wirst mich heute, in dieser Nacht, vor dem zweimaligen Krähen des Hahns,
zweimaligen Krähen des Hahns - der zweite Hahnenschrei markiert in der griechisch-römischen Literatur den Anbruch des Morgens (vgl. Brown 1994, S. 137; Gnilka 1979, S. 254; Klostermann 1950, S. 149); die dritte Zeitangabe meint also das selbe wie die Vorangegangene.
dreimal verleugnen.“
31Er aber sagte [überaus] vehement:
[überaus] vehement - Gr. ekperissos; sonst unbelegtes Wort, dass perissos („überaus“) wohl noch einmal steigert; vgl. Brown 1994, S. 138.
„Wenn ich zusammen sterben müsste mit dir, werde ich dich keinesfalls verleugnen!“ Und genauso redeten auch alle [anderen].
32Und sie kommen (kamen) zu einem Grundstück (Landstück), dessen Name „Getsemani“
miniatur|rechts|Ölpresse in Kafarnaum. By Abraham [CC BY-SA 4.0], from Wikimedia Commons Getsemani - Der Name kommt vom Aramäischen gat schemane („Ölpresse“). Nach Joh 18,1 war das Grundstück ein „Garten“, und in der Tat dürfte eine Ölpresse mindestens in der Nähe der Olivengärten auf dem Ölberg gestanden haben. Seit dem frühen 4. Jh. wird daher als dieser Ort eine Höhle verehrt, in der eine solche Platz gehabt hätte; ob dies wirklich Jesu „Getsemani“ war und wo das Grundstück sonst gewesen sein könnte, lässt sich aber nicht mehr mit Sicherheit sagen.
[war], und er sagt[e] seinen Jüngern: „Setzt euch (sitzt) hier, bis ich gebetet habe!“
33Dann nimmt (nahm) er Petrus und Jakobus und Johannes mit sich und begann, erschreckt (erstaunt) und verängstigt zu sein (war erschreckt und verängstigt),
begann, erschreckt und verängstigt zu sein - Hendiadyoin: Die Beschreibung von Jesu Empfindungen mit zwei Wörtern mit verwandter Bedeutung soll die Beschreibung noch intensivieren. Sinnvoll daher NeÜ: „Er wurde von schrecklicher Angst und von Grauen gepackt“, JJ: „Er fing an, sehr bestürzt und geängstigt zu sein“; schön auch B/N, H-R, LUT17, MEN, PAT, R-S, ZÜR: „Er begann, zu zittern und zu zagen.“
bo
34und er sagt[e] ihnen: „Meine Seele ist (ich bin) zu Tode betrübt
Meine Seele ist zu Tode betrübt – d.h. entweder »so traurig, dass es sich wie Sterben anfühlt« (Pfäfflin: »Sterbenstraurig ists mir zumute«) oder »so traurig, dass ich davon bald umkomme« (HfA: »Ich zerbreche beinahe unter der Last, die ich zu tragen habe«; NeÜ: »Die Qualen meiner Seele bringen mich fast um«). Theoretisch möglich, aber sicher falsch ist BB, die sich wohl an Jon 4,9 LXX orientieren: »Ich bin ganz verzweifelt. Am liebsten wäre ich tot.« – Jesus will ja gerade nicht sterben.
; bleibt hier und wacht (bleibt wach)!“
35Und nachdem er ein wenig weitergegangen war, warf er sich (fiel er) auf die Erde
warf er sich (fiel er) auf die Erde - Im Judentum der Antike betete man für gewöhnlich stehend (vgl. Mk 6,41; Lk 18,11 u.ö.). Das kniende Beten mit zu Boden geneigtem Haupt (Mt 26,39: Er „fiel auf sein Gesicht“) ist daher ungewöhnlich, wenn auch nicht ohne Parallelen (vgl. Offb 5,14; TestJob 1,13; 9,14; JosAs 14,3; auch Lk 5,12), und drückt besondere Unterwürfigkeit (oder, weniger wahrscheinlich, große Panik (so Gundry 2000, S. 855)) aus.
und betete, dass – wenn es möglich sei – die Stunde an ihm vorüberginge,
die Stunde vorüberginge - gemeint ist, wie V. 41 klar macht, die Stunde, da er verraten würde.
36und er sagte: „Abba, Vater,
Abba, Vater - Gr. abba ho pater; wie in Röm 8,15 und Gal 4,6 folgt hier auf den aramäischen Vokativ »Oh Vater« der griechische gleichbedeutende Vokativ »Oh Vater«; daraus und aus den beiden parallelen Stellen dürfen wir wohl ableiten, dass es sich hier um eine im Urchristentum verbreitete Anrede Gottes zur Einleitung eines Gebets handelt (vgl. z.B. Brown 1994, S. 175), die vielleicht darauf zurückzuführen ist, dass Jesus selbst seinen Anhängern empfohlen hat, im Gebet Gott genau so anzusprechen: abba, »Vater!« (vgl. das in FN q zu Mt 6,9 zu »Vater« vs. »Vater unser im Himmel« Gesagte).
alles [ist] dir möglich. Trag diesen Becher (Kelch)
Becher (Kelch) - Metapher, die sich auch in Mk 10,38 findet. Der »Becher« an sich ist eine unspezifische Metapher für das Schicksal eines Menschen; s. Ps 11,6; 16,5; Ez 23,31-33; Hab 2,16; wohl auch Ps 23,5. Ps 16,5 und 23,5 zeigen, dass das durch dieses Bild bestimmte Schicksal auch positiv sein kann, meist wird die Metapher aber negativ gefüllt: Besonders verbreitet ist (1) das speziellere Bild vom »Zornesbecher« (JHWH gibt jmdm den Becher seines Zorns zu trinken = JHWH verdammt jmdn zu Leid und/oder Tod; s. Ps 75,9; Jes 51,17.22; Jer 25,15-18; 49,12; 51,7; Klg 4,21; Klg 4,21; Ez 23,31-34; Sach 12,2; Offb 14,10; 16,19); bes. um die Abfassungszeit des Mk verbreitet ist (2) außerdem das Bild vom Becher als dem »Schicksal des Märtyrertodes«, s. MartPol 14,2 (»Ich danke dir, dass ich zu deinen Märtyrern gehören und am Becher Christi teilhaben darf«), MartJes 5,13 (Jesaja bei seinem gewaltsamen Tod: »Nur für mich hat Gott diesen Becher gemischt«) und der Ausdruck »(bitterer) Becher des Todes« in TestAb 16,12; TgN zu Dtn 32,1 und TgN, TgJ, TgF zu Gen 40,23. Verwandt ist vielleicht auch der Ausdruck »den Tod schmecken« für »sterben« in Mk 9,1; Joh 8,52; Heb 2,9 und häufiger in der frühjüdischen Literatur. (2) ist sicher auch hier gemeint; so aber einzig GN, die in einer FN auf das »frühjüdische Bild vom Becher des Märtyrertodes« verweisen.Die meisten anderen Üss. - wenn sie nicht bloß wörtlich übersetzen - deuten den Becher als Metapher für Leid: CEB, GNB, HfA, God's Word, NCV, NeÜ, NGÜ, NIRV, NL, NLB, Weymouth u.a. ergänzen entweder »bitterer Kelch« oder häufiger »Kelch des Leidens«. Hilfreicher B/S: »Mach, daß ich diesen Leidensbecher nicht austrinken muss.«; KAM: »Erspare mir diese schwere Stunde und bewahre mich vor diesem Leiden!«; T4T: »Rescue me so that I do not have to suffer now!«. Auch BB erläutert in einer FN, der Becher stehe »für das Leiden, das Jesus bevorsteht« (ebenso die Easy-to-Read Version).
an mir vorüber! Doch nicht, wie ich will, sondern wie du [willst]!“
37Und er kommt (kam) und findet (fand) sie schlafend [vor] und er sagt[e] zu Petrus: „Simon, du schläfst!? (Schläfst du?) Vermochtest du nicht eine einzige Stunde zu wachen!? 38Seid wach (wachsam) und betet darum, dass (damit)
darum, dass (damit) - das entsprechende gr. Wort könnte sich sowohl nur auf »betet« als auch auf beide Verben beziehen: Entweder ist das nicht-in-Versuchung-Geraten dasjenige, worum gebeten werden soll, oder der Effekt des Wachens und Betens.
ihr nicht in Versuchung geratet! Der Geist
Geist – Fleisch - Gemeint ist nicht der Hl. Geist im Gegensatz zum Menschen, wie z.B. B/S deuten (»Der Heilige Geist macht mutig, aber als bloße Menschen sind wir feige«), sondern etwas wie in Röm 7,14-24 und Gal 5,16-25: Auch im gut gesinnten Menschen liegen stets diese seine gute Gesinnung und seine menschliche Schwäche miteinander im Streit; um mit der guten Gesinnung daher die menschliche Schwäche zu überkommen, bedarf es des Gebets. Sinngemäß daher richtig HfA (ähnlich KAM): »Ich weiß, ihr wollt das Beste, aber aus eigener Kraft könnt ihr es nicht erreichen«; auch God's Word und Names of God: »You want to do what's right, but you're weak«; T4T: »You want to do what I say, but you are not strong enough to actually do it«; Worldwide English: »A person's heart can want to do it, but his body is weak.«
[ist] zwar willig, aber das Fleisch [ist] schwach.“
39Und nachdem er erneut weggegangen war, betete und sprach dasselbe Gebet (Wort). 40Und nachdem er zurückkehrte, fand er sie erneut schlafend [vor],
Textkritik: Viele wichtige Handschriften auch: „Und nachdem er erneut gekommen war, fand er sie schlafend [vor]“. Schwierige Entscheidung; EÜ16 folgt z.B. der Variante im Fließtext, LUT17 dagegen der alternativen Variante. Diese ist aber eher zu erklären als eine Angleichung sowohl an V. 39 als auch an die fast gleichlautende Parallelstelle Mt 26,43, als dass man unsere Primär-variante als eine Abwandlung der Sekundär-variante zur Herstellung stilistisch besserer Varianz werten sollte (denn warum sollte dann das palin („erneut“) nur drei Wörter nach hinten verschoben worden sein, anstatt es zu streichen?).
denn ihre Augen waren schwer. Und sie wussten nicht, was sie ihm antworten sollten.
Vorausgesetzt, aber nicht ausgeführt ist hier eine erneute Aufforderung Jesu an die Jünger.
41Und er kommt (kam) das dritte Mal
Vorausgesetzt, aber nicht ausgeführt, ist, dass Jesus ein drittes Mal fortgeht und betet. Es ist sehr deutlich: Zunehmend gerät hier nicht in den Fokus, was Jesus tut und wie er empfindet, sondern die Schwäche der Jünger.
und sagt[e] ihnen: „Von nun an könnt ihr schlafen und euch ausruhen, es langt.
Von nun an könnt ihr schlafen und euch ausruhen, es langt. - Sehr schwieriger Vers; besondere Schwierigkeiten macht das allein stehende apechei (»es langt«), das daher von einigen Handschriften gestrichen, von anderen um to telos ergänzt worden ist: »Das Ziel ist erlangt«. Jedes der Worte macht hier Schwierigkeiten: # Von nun an (a) wird von fast allen übersetzt mit »immer noch« oder »schon wieder«; diese Bedeutung ist aber unbelegt. (b) Seine gewöhnliche Bed. ist »von jetzt an«; (c) einige haben außerdem vorgeschlagen, es stehe hier für »den Rest« (nämlich der Nacht: »Wollt ihr den Rest [der Nacht] schlafen?« (z.B. Marcus 2009, S. 980) (d) oder könne auch als bloßes Funktionswort (»dann also«) gebraucht werden: »Dann schlaft also!« (z.B. Brown 1994, S. 208). # Ihr könnt schlafen und euch ausruhen: Die beiden Verben könnten von ihrer Form her sowohl Imperativ als auch Indikativ und der Satz sowohl ein Frage- als auch ein Aussagesatz sein, möglich ist daher jede der folgenden Versionen:(a) Eine Erlaubnis (permissiver Imperativ): »Ihr dürft schlafen und euch ausruhen.«(b) Ein sarkastischer Befehl: »Dann schlaft doch! Ruht euch nur aus!«(c) Eine Feststellung, die wohl als Vorwurf verstanden werden muss: »Ihr schlaft und ruht euch aus!«(d) Eine Frage, die dann ebenfalls als Vorwurf verstanden werden müsste: »Ihr schlaft und ruht euch aus!?« # Es langt: (a) »Es langt,« ihr könnt aufhören, euch darum zu bemühen, wach zu bleiben (unsere Deutung).(b) »Es langt [mit eurem Schlafen]!« (viele Üss.; z.B. B/S, KAM, T4T, The Passion Translation, The Voice, WIL)(c) »Er (nämlich Judas) hat's erlangt«, nämlich das Geld für seinen Verrat (Brown 1994, S. 201: »The money is paid«).(d) »Sie ist erlangt«, also erreicht – nämlich die Zeit, da Jesu verraten wird (BB, MSG, NGÜ, NLT, R-S: »Es ist so weit!)«(e) »Das Ziel ist erlangt« / »Es ist erlangt« / »Das Ziel ist erlangt? [Nein:] ...« / »Es ist erlangt? [Nein:] ...« Vier Varianten der selben Deutung, die sich an der Hinzufügung von to telos (»das Ziel«) in einigen Handschriften orientieren. Einige halten to telos für ursprünglich; andere gauben, to telos sei sekundär und sei für diese Deutung auch nicht notwendig. So JJ: »Das Erwartete ist da!«; auch Evans 2001, S. 416; Marcus 2009, S. 980.(f) »Er (nämlich Judas) ist fern«; so Gundry 2000, S. 857, der davon ausgeht, das zwischen dieser Äußerung und dem direkt nachfolgenden Satz eine längere Zeitspanne vergeht und dass Jesus den Jüngern deshalb für diese Zeit das Schlafen erlaubt. Besser dann aber »Er ist fern? [Nein,] ...«
Die Stunde ist gekommen, siehe!, ausgeliefert wird der Menschensohn in die Hände der Sünder.
42Erhebt euch, lasst uns aufbrechen! Siehe!, der mich ausliefert, ist genaht.“ 43Und sogleich, noch während er redete, kommt (kam) Judas, einer der Zwölf, und mit ihm eine Menge
Menge - unspezifische Bezeichnung, die sich sowohl auf eine „Zivilistenmenge“ – einen „Mob“ (CEB) – beziehen könnte als auch auf ein großes Kommando aus Tempelwächtern und Polizeitruppen. Die Bewaffnung ist nicht aussagekräftig: Auch Zivilisten konnten Schwerter tragen, auch Soldaten Keulen. Dass sie „von den Hohepriestern usw.“ kommen, macht letzteres etwas wahrscheinlicher; letztlich lässt es sich aber nicht mit Sicherheit sagen, wie die „Menge“ zusammengesetzt war und sowohl eine Übersetzung mit „Mob“ als auch eine Übersetzung der Keulen mit „Schlagstöcken“, um die Träger eindeutig als Polizisten zu identifizieren (so schön Lohfink 2011, S. 385), wäre eine Überinterpretation.
mit Schwertern und Keulen (Schlagstöcken)
Schwertern und Keulen - auffälliger, als es auf den ersten Blick scheint. Die Geschehnisse tragen sich zu in der Nacht vom 14. auf den 15. Nisan, der Pascha-Nacht. Für diese Festnacht galten aber die gleichen Vorschriften wie für den Sabbat (s. Ex 12,16; Lev 23,7; Num 28,18) und zu diesen gehörte auch das Verbot, Lasten – und also auch Waffen – zu tragen (vgl. Dalman 1922, S. 89). Außer Kraft gesetzt war dieses Gebot nur in Fällen der Todesgefahr (s. t.Sab 15,11; b.Yom 84b), in denen man also z.B. Waffen benötigte, um sein Leben zu retten. Übertrat man wissentlich dieses Verbot, war die angemessene Strafe der Tod (s. Num 15,30-36). Aus der Perspektive des Lesers, der weiß, dass von Jesus natürlich keine Todesgefahr ausgeht, wird also klar: Die Bewaffneten versündigen sich hier sehr schwer.
von den Hohepriestern und den Schriftgelehrten und den Ältesten.
Hohepriestern und Schriftgelehrten und Ältesten - Wie in Mk 8,31 die drei Gruppen, die an der Spitze der jüd. Religion standen.
44Aber der ihn auslieferte, hatte ihnen ein Signal gegeben (ein Signal mit ihnen vereinbart){, sagend}: „Den, welchen ich küssen (lieben) werde,
küssen (V. 44), küsste (V. 45) - Die Handlung an sich ist nicht bedeutsam; der Kuss (meist auf die Stirn, die Wange oder die Hand) war eine gewöhnliche Form der Begrüßung (s. Ex 4,27; Apg 20,37; Röm 16,16; 1 Kor 16,20; 1 Thess 5,26; 1 Pet 5,14), besonders zwischen Lehrern und ihren Schülern (s. 1 Esra 4,47; t.Hag 2,1; b.Hag 14b; b.Sot 13a). Wie hier aber der Kuss zu bewerten ist, ist klar gesagt: Er ist ein Signal zur Verhaftung Jesu. Mk 14,44 greift damit das verbreitete Motiv des heuchlerischen Kusses auf; s. noch in Gen 27,26f.; 2 Sam 15,5; 20,9; Spr 7,13; 27,6; Sir 29,5. Unterstrichen wird dies noch damit, dass der Kuss als Signal ja gar nicht nötig wäre; schon durch das »Rabbi!« in V. 45 wird ja Jesus identifizierbar.In V. 45 wird ein leicht anderes Wort für »küssen« verwendet als in V. 44: kataphileo (vs. phileo). Das Präfix kata- kann theoretisch das Verb intensivieren (daher z.B. Ernst 1981, S. 433: »küsste ihn innig«), ist aber hier wohl eher wie auch sonst oft im ntl. Griechisch bedeutungslos (auch in Gen 31,28.55 LXX, Ex 4,27 LXX wird kataphileo statt phileo für den normalen Begrüßungskuss verwendet; Marcus 2009, S. 991.). Ganz unwahrscheinlich ist daher auch, dass das Präfix hier ausdrücken soll, dass Judas Jesus wie in Lk 7,45 auf einen tiefer liegenden Körperteil wie die Füße küsst, wie das z.B. Gundry 2000, S. 859 will.
der ist es. Ergreift ihn und führt ihn gesichert (unter Bewachung, sicher) ab!“
45Und als er kam [und] sogleich zu ihm kam, sagt[e] er: „Rabbi! (Rabbi, Rabbi!)“,,
Textkritik: Rabbi, Rabbi! - In wenigen Handschriften findet sich auch ein doppeltes „Rabbi“; so daher auch z.B. bei JJ, SLT, TAF. Welche Version die ursprüngliche ist, ist schwer entscheidbar, die Bezeugung des doppelten „Rabbi“ ist aber so schlecht, dass man sich deshalb guten Gewissens mit den meisten Üss. für unsere Primärvariante entscheiden kann.
und er küsste ihn.
46Da legten sie (sie aber legten) die Hände an ihn und ergriffen ihn (nahmen ihn fest). 47Ein Gewisser aber von den Dabeistehenden
Ein Gewisser von den Dabeistehenden - Doppelt unspezifischer Ausdruck. Nach Mt und Lk war es einer der Jünger, nach Joh Petrus. Gundry 2000, S. 860 glaubt dagegen, die Rede sei hier von einem der Soldaten, da nur von diesen gesagt sei, dass sie Schwerter hätten. Beides sagt Mk aber gerade nicht; hier ist der Handelnde (wie in Mk 14,69f.; 15,35.39 „einer der Dabeistehenden“; Inhaber einer so unbedeutenden Nebenrolle, dass es nicht nötig ist, ihn näher zu charakterisieren. Richtig daher wohl Brown 1994, S. 266; Evans 2001, S. 424: Die Rede ist von einem, der zu keiner der beiden Parteiungen gehört, sondern zufällig zugegen ist. Gerade nicht also: „One of the disciples“ (T4T), „Einer von den Männern, die bei Jesus standen“ (HfA, NeÜ, NGÜ, NLT) oder gar „Einer von den Männern, die bei Jesus waren, wollte das verhindern. Er zog sein Schwert...“ (KAM).
zog das Schwert, schlug den Diener des Hohepriesters und trennte dessen Ohr (Ohrläppchen?) ab.
In JosAnt XIV,366 und t.Par 3,8 findet sich jeweils eine Erzählung, in der einem Hohepriester das Ohr abgeschnitten wird, wodurch dieser aufgrund dieses körperlichen Makels fortan nicht mehr dazu geeignet ist, Hohepriester zu sein (s. Lev 21,16-23; in V. 18 fügt LXX gar noch explizit hinzu: „Keiner, dessen Ohr abgeschnitten ist [darf den Dienst am Allerheiligsten versehen]“). So verstehen auch unsere Stelle Daube 1960; Lampe 1984; Lohmeyer 1951, S. 322; Rostovtzeff 1934 und Viviano 1989: Der Angriff auf den Diener des Hohepriesters ist als symbolische Handlung zu verstehen, mit der dem Hohepriester über diese Handlung an seinem Repräsentanten die Eignung zum Hohepriestertum abgesprochen wird.
48Und Jesus antwortete
antwortete - markinisches apokrinomai (dazu vgl. Kleist 1937, S. 162f.): „Antworten“ hier nicht als Reaktion auf eine Anrede oder Frage, sondern auf einen Sachverhalt oder Tatbestand: Jesus ergreift das Wort und nimmt Bezug auf die Tatsache, dass seine Häscher mit Schwertern und Keulen gegen ihn ausgezogen sind.
{und sagte zu} ihnen: „Wie gegen einen Räuber (Rebellen, Aufwiegler)
Räuber (Rebellen, Aufwiegler) - Gr. lästäs. Etwa zeitgleich zur Abfassung des Mk ist dieser Begriff bei Josephus beinahe terminus technicus für Aufwiegler, für »präpolitische Rebellen«, die auf der Seite der jüdischen Landbevölkerung gegen die römische Macht im Land kämpften (vgl. z.B. Horsley/Hanson 1985, S. 48). So wollen das Wort auch hier einige Exegeten verstehen, weil Jesus doch nie wie ein »Räuber« eines Gewaltverbrechens bezichtigt worden sei (z.B. Evans 2001, S. 424; auch CJB, PAT). Gemeint sind hier aber wohl doch Räuber: Der Gebrauch von Waffen in dieser Festnacht wäre nur in Lebensgefahr zulässig gewesen (s.o.); Jesu Häscher sind also ausgezogen wie gegen einen, von dem Lebensgefahr ausgeht. Die häufige allgemeine Üs. »Verbrecher« verfehlt dies.
seid ihr mit Schwertern und Keulen ausgezogen, um mich festzunehmen!?
49Tag für Tag (Tagsüber)
Tag für Tag (Tagsüber) - Beide Üss. sind möglich, die primäre Üs. findet sich in fast allen Üss. und ist auch sonst stets die Bed. des Ausdrucks im Mk. Die Schwierigkeit bei dieser Üs. ist aber, dass Jesus nach der Logik des Mk durchaus nicht »Tag für Tag« im Tempel war; von seinem Wirken dort wird ausschließlich in Mk 11,17; Mk 11,27-12,44 berichtet, wo er sich zwei Tage lang im Tempel aufhielt. Einige wollen daher sattdessen mit »Tagsüber« übersetzen (z.B. Marcus 2009, S. 993): »Tagsüber war ich doch im Tempel, ihr aber wollt mich nachts ergreifen!« Doch für diesen Aufenthalt tagsüber wird von keiner Lehrtätigkeit Jesu berichtet, so dass dies eher unwahrscheinlich ist.
war ich bei euch im Tempel
im Tempel - gemeint ist der öffentlich zugängliche Vorhof des Tempels.
und lehrte (Tag für Tag lehrte ich bei euch im Tempel) und ihr habt mich nicht ergriffen. Aber [es sei], dass die Schriften erfüllt werden!
[Es sei], dass die Schriften erfüllt werden! - D.h.: »Nun wohl, die Schriften müssen erfüllt werden!«, imperativisches hina: Das »dass«/»damit« markiert hier, dass das Folgende erfüllt werden muss. An konkrete Schriftstellen ist hier wohl nicht gedacht; die »Schriften« sind hier eher ein Ausdruck für »Gottes Wille, der sich (auch) aus den heiligen Schriften herauslesen lässt«: Gottes Heilsplan muss erfüllt werden, nämlich der, dass Jesus unter die Verbrecher gerechnet und hingerichtet wird. Jesus fügt sich mit diesem Ausruf in sein Schicksal, was dann Anlass für die Flucht seiner Anhänger im nächsten Vers ist.
(Aber [all dies geschieht], damit die Schriften erfüllt werden.)“
50Und indem sie ihn verließen, flohen alle. 51Und ein gewisser junger Mann folgte ihm
folgte ihm - wohl nicht: „folgte ihm [im Gegensatz zu den anderen, die flohen]“: Imperfekt (statt Aorist wie „fliehen“); gesagt wird, dass auch der junge Mann „ein Nachfolger Jesu war“. Daher nicht „Ein junger Mann allerdings folgte Jesus“ (HfA, NeÜ, NGÜ) o.Ä. Auch er flieht, aber auf bes. schmachvolle Weise; s. die Anmerkungen.
(wollte ihm folgen), bekleidet mit einem Leinentuch
Leinentuch - hierzu s. die Anmerkungen.
über [seinem] nackten [Körper], und sie ergreifen (ergriffen) ihn,
52aber er ließ das Leinentuch zurück und floh nackt.
V. 53 gehört entgegen der üblichen Aufteilung wohl noch zur vorigen Perikope: Das Mk ist häufig strukturiert nach dem Strukturprinzip des sog. „markinischen Sandwich“: Eine Perikope wird in zwei Perikopen aufgeteilt und eine dritte Perikope zwischen die beiden Teile geschoben. Hier gehört V. 54 deutlich Vv. 66-72, aufzuteilen ist also wohl: Vv. 43-53 - V. 54 - Vv. 55-65 - Vv. 66-72.
53Und sie führten Jesus zum Hohepriester ab und alle obersten (führenden, Hohe-) Priester
oberste Priester Auf Griechisch ebenfalls „Hohepriester“.
und die Ältesten und die Schriftgelehrten kommen (kamen) zusammen (versammelten sich).
54Und Petrus war ihm in einiger Entfernung bis nach drinnen (hinein) in den Innenhof (Palast) des Hohepriesters gefolgt, und [dort] saß er (setzte er sich)
saß er (setzte er sich) - Aufgelöstes „war“+attr. Ptz., das wohl so verstanden werden muss, dass Petrus schon saß – und sich nicht eben erst setzte. Es scheint ein Zeitsprung stattgefunden zu haben. Darum wird der Aor. im ersten Satzteil gelegentlich als Plqpf. übersetzt.
bei den Dienern (Wächtern)
Dienern (Wächtern) - Das griechische Wort kann sowohl auf Diener meinen (so Gnilka 1979 2 1989; Collins 2007) als auch hochgestellte Untergebene oder Wächter (so NET Fußnote 78 zu Mk 14,54)
und wärmte sich am Licht (Feuer).
Licht (Feuer) - Da man sich an Licht nicht wärmen kann, steht es hier metonymisch für Feuer (vgl. Louw/Nida 2,5; a.dt.Ü.).
55Die obersten (führenden, Hohen) Priester {aber} und der ganze Hohe Rat (Sanhedrin) suchten nach einer Zeugenaussage gegen Jesus, um ihn zu töten, aber sie fanden keine, 56denn viele machten Falschaussagen gegen ihn, aber ihre Aussagen waren nicht übereinstimmend (gleich). 57Und einige standen auf und machten gegen ihn Falschaussagen, {sagend}: 58„Wir haben gehört, wie (dass) er sagte: Ich werde diesen von Hand erbauten
von Hand erbauten - D.h. »von Menschen/menschlichen Händen«.
Tempel abreißen und innerhalb von drei Tagen einen anderen, nicht von Hand erbauten, errichten!“
Zumindest in der uns überlieferten fraglichen Situation in Joh 2,19 sagt Jesus aber nicht, dass er den Tempel abreißen würde, sondern er fordert die jüdischen Führer dazu auf, spielt aber in Wirklichkeit auf seinen eigenen Körper an (2,21-22). Vielleicht stellt diese Verdrehung die gemachte Falschaussage dar.
,
cv
59Aber (und) nicht einmal (auch nicht) darin (so) war ihre Aussage (ihr Zeugnis) übereinstimmend (gleich). 60Da (und) stand der Hohe Priester auf, [trat]
[trat] - So NSS nach BA. Vgl. a.dt.Ü.
in die Mitte und
trat in die Mitte und - Attr. Ptz. mit Und-Kombination aufgelöst.
fragte (befragte, verhörte) Jesus, {indem er sagte}: „Entgegnest (antwortest) du gar nichts [auf das], was diese gegen dich als Aussage machen?“ („Entgegnest du nichts? Was sagen diese gegen dich aus?“)
61Er aber schwieg [weiter]
schwieg [weiter] - Das hier verwendete Imperfekt drückt eine wiederholte oder fortgesetzte Handlung aus.
und antwortete gar nichts. Wieder fragte (befragte, verhörte) ihn der Hohepriester und sagt[e] [zu] ihm: „Bist du der Messias (Gesalbte, Christus, versprochene Retter), der Sohn des Gepriesenen (Hochgelobten, zu Preisenden)?“
62Da (aber) sagte Jesus: „Ich bin [es], und ihr werdet den Menschensohn (Sohn des Menschen) sehen, wie er an der rechten [Seite] des Allmächtigen (der Macht)
Allmächtiger - Eine jüdische Bezeichnung Gottes, um das Aussprechen eines Gottesnamens oder -titels zu vermeiden (TWNT  δύναμις C.I.c). Der Platz an der rechten Seite des Gastgebers gilt im Orient als Ehrenplatz.
sitzt
wie er an der rechten [Seite] des Allmächtigen sitzt - ein Zitat von Ps 110,1
und mit den Wolken des Himmels kommt.“
Das Reiten auf Wolken war eine Handlung, die im vorderen Orient nur Göttern zugeschrieben wurde.
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AcP. Oder: „werdet ihn sitzen und kommen sehen“. Beide beschriebenen Handlungen stellen Jesus nicht nur als den versprochenen Retter (Messias), sondern auch als göttlich dar. Durch dieses Bekenntnis hat Jesus die falschen Zeugenaussagen unnötig gemacht und den jüdischen Führern einen Beweis gegeben, um ihn wegen Blasphemie anzuklagen, worauf nach dem Gesetz die Todesstrafe stand.
dd
63Da (aber) zerriss der Hohe Priester seine Kleider
zerriss seine Kleider - Als Zeichen des Entsetzens riss man bei Gotteslästerung seine Kleider mit einem Ruck am Kragen ein (s. m.San vii 5; vgl. NSS). In Levitikus 21#s10 Lev 21,10 wird aber dem Hohepriester explizit unteragt, seine hohepriesterliche Kleidung zu zerreißen; einmal mehr erweist sich der Hohepriester so als seines Amtes nicht würdig.
[und] sagt[e]: „Wozu (was) bedürfen wir noch Zeugen?
64Ihr habt die Gotteslästerung gehört.
Gotteslästerung - Als »gotteslästerlich« erachtet wird wohl hier Jesu Anspruch, dereinst an der rechten Seite Gottes zu sitzen (was sonst nur von besonderen legendarischen Figuren wie Abraham, Moses und David gesagt werden konnte) und auf den Wolken des Himmels wiederzukommen (was sonst nur von Göttern gesagt wird, z.B. in Ps 104,3): Jesus stellt sich hier auf eine Ebene mit Gott. Nach R. Abbahu etwa wird es daher ein Mensch bereuen, wenn er behauptet, Gott zu sein, der Menschensohn zu sein oder in den Himmel aufzufahren (j.Ta'an 2,1). Vgl. zur Gotteslästerung v.a. Bock 2007.
Was ist eurer Urteil (eure Meinung)?“ Und (aber) sie alle verurteilten ihn, des Todes schuldig zu sein.
D.h. „schuldig zu sein und den Tod zu verdienen“ (LN 88.313). Anders aufgelöst: „Und sie alle urteilten, dass er des Todes schuldig war.“
65Dann spuckten ihn einige an und verhüllten sein Gesicht und prügelten ihn und sagten ihm:
spuckten ... verhüllten ... prügelten ... sagten - W. „begannen zu spucken und ...“; ein sog. „markinisches archomai“ („beginnen“, vgl. dazu Kleist 1937, S. 154f.), das nicht ins Dt. zu übersetzen ist (so auch Kleist 1937, S. 229). Viele Üss. (z.B. GN, LUT17, NeÜ, NGÜ) übersetzen es doch.
„Prophezeie!“,
Textkritik - Nicht wenige Handschriften haben mit Mt 26,68 „Prophezeie uns, Christus: Wer ists, der dich schlägt?“; fast ebenso Lk 22,64: „Prophezeie: Wer ists, der dich schlägt?“. Gleichzeitig findet es sich in so vielen Handschriften nicht, dass es klar sekundär ist und wohl aus Mt in diese Handschriften eingetragen wurde. Textkritisch ist dies für unsere Stelle nicht sehr problematisch, an sich aber höchst interessant, da Mt und Lk ihre Evv. von Mk abgeschrieben haben, ohne einander zu kennen – und sich dieser Zusatz dennoch in beiden Evv. findet, nicht aber im Mk (ein sog. „Minor Agreement“). Vermutlich ist es zu erklären als eine Schöpfung des Lukas, die von Schreibern dann ins Mt eingetragen und von dort dann auch in einige Handschriften des Mk übernommen wurde (vgl. bes. Neirynck 1991; Streeter 1930, S. 325-8).
und [auch] die Diener nahmen sich seiner mit Ohrfeigen an.
nahmen sich seiner mit Ohrfeigen an - W. „sie nahmen ihn mit Ohrfeigen“, wohl dir. Übersetzung einer lat. Redewendung (verberibus eum acceperunt, BDR §5,4) mit der obigen Bed. Einige Üs. geben dagegen „nehmen“ die Bed. „in Empfang nehmen“, was evt. auch möglich ist: „sie nahmen ihn mit Schlägen in Empfang“ (z.B. MEN, MNT, PAT, ZÜR; wohl auch Grosvenor/Zerwick).
66Und während Petrus unten im Hof
unten im Hof (V. 66), in den Vorhof (V. 68) - Das Haus des Hohepriesters müssen wir uns also wohl vorstellen als ein zweistöckiges Gebäude, zu dem auch erstens ein nach außen hin offener, aber wohl von einem Tor abgetrennter (s. Mt 26,71) Innenhof und zweitens ein davor gelegener Außen- oder Vorhof gehörte. Jesus wird im Obergeschoss vernommen, Petrus hält sich mit Tempelwächtern und einigen Hausbediensteten im Innenhof auf. Um 1970 wurde in Jerusalem das sogenannte „Burnt House“ gefunden, ein (nur!) etwa 13x15m großes (und damit!) vergleichsweise luxuriöses Gebäude der Familie Qathros aus der Priesteraristokratie. Auch dieses war zweistöckig und hatte einen entsprechenden Innenhof; die Beschreibung ist also realistisch. Der Innenhof dieses Hauses hat die Maße von nur etwa 2,5x2m, säße man in einem solchen Innenhof also um ein Feuer, säße man sehr dicht gedrängt.
war, kommt (kam) eine der Mägde des Hohepriesters,
67und als sie sah, dass Petrus sich wärmte, blickte sie ihn an und sagt[e]: „Auch du warst mit
mit - Vgl. Mk 3|14: »Er bestimmt zwölf, damit sie mit ihm seien«; ausgesagt wird also hier wohl, dass Petrus einer der Anhänger Jesus sei (HfA: »Du gehörst doch auch zu diesem Jesus aus Nazareth!«).
dem Nazarener Jesus!“
68Aber er leugnete
leugnete - Nicht: „leugnete es“. Zur Abfassungszeit des Mk war arneomai („leugnen“) ein beladener Begriff, mit dem Christen, mit dem man auch bezeichnete, wenn Christen, die ob ihres Christseins verfolgt und verhört wurden, sich von Jesus lossagten. Petrus wird hier schon anfanghaft zum Apostat (vgl. Lampe 1973, S. 353; Marcus 2009, S. 1023). S. die Anmerkungen.In V. 70 steht „leugnen“ anders als in V. 68 nicht im Aorist, sondern im Imperfekt; ebenso wie das palin („erneut“) unterstreicht hier also die Wortform, dass Petrus hier schon zum zweiten Mal leugnet.
und sagte: „Weder weiß ich noch verstehe ich, was du sagst.“
Oder: „Weder weiß ich noch verstehe ich. Was sagst du?“, aber vgl. m.Sheb viii 3.6, wo ein Befragter sich „dumm stellt“: „Ich weiß nicht, was du sagst“. So deutet Mk klar auch Mt 26,70. Vielleicht auch: „Weder kenne ich [ihn] noch verstehe ich, was du sagst“; so könnte Lk 22,57 Mk verstanden haben: „Ich kenne ihn nicht, Weib!“Das „weder ... noch“ ist beim Hendyadioin „wissen und verstehen“ eigentlich ungrammatisch und unterstreicht so die Entschiedenheit, mit der Petrus die Unterstellung der Magd von sich weist (vgl. Brown 1994, S. 600; Gundry 2000, S. 888).
Und er ging hinaus nach draußen in den Vorhof,
er ging hinaus nach draußen in den Vorhof - im Gr. drei Ausdrücke, deren jedes bedeutet, dass Petrus sich vom Hof und damit auch von Jesus entfernt: exälthen („erging hinaus“) exo („nach draußen“) eis to proaulion („in den Vorhof“); im Gr. 'proaulion („Vorhof“) kommt ebenso wie im Dt. schon sprachlich zum Ausdruck, dass es nicht mehr der „Hof“ (aulä) ist. Petrus distanziert sich.
{und ein Hahn krähte}.
Textkritik: {und ein Hahn krähte} (V. 68), zum zweiten Mal ({zum zweiten Mal}) (V. 72) - Schwierige textkritische Frage; in vielen wichtigen Handschriften finden sich diese Worte, in vielen wichtigen Handschriften fehlen sie. Entweder wurden die in V. 68 gestrichen, um Mk an Mt und Lk anzugleichen, oder sie wurden hinzugefügt, um Jesu Prophezeiung in V. 30 sich deutlicher erfüllen zu lassen (vgl. TCGNT, S. 115f.), und entweder wurden die in V. 72 gestrichen, weil nur von einem Hahnenschrei die Rede ist, oder auch sie wurden aus dem selben Grund hinzugefügt. In einigen Handschriften finden sich die Worte aus V. 72, nicht aber die aus V. 68. Wären beide ursprünglich, gäbe es keinen guten Grund, die in V. 68 zu streichen, wenn doch in V. 72 von einem zweiten Hahnenschrei die Rede wäre; dass V. 68 sekundär und V. 72 ursprünglich ist, ist daher etwas wahrscheinlicher. Das würde dann auch erklären, warum in Mt und Lk nur von einem Hahnenschrei die Rede ist: Auch bei Mk würde dann nur von einem Hahnenschrei berichtet, obwohl dieser als der „zweite Hahnenschrei“ bezeichnet wird (so richtig Willker). So z.B. auch EÜ; anders z.B LUT.
69Und als die Magd ihn sah, sagte
sagte - W. „begann sie zu sagen“; ein sog. „markinisches archomai“ („beginnen“, vgl. dazu Kleist 1937, S. 154f.), das nicht ins Dt. zu übersetzen ist (so auch Kleist 1937, S. 229). Einige Üss. übersetzen es aber doch (z.B. LUT17).
sie erneut zu den Dabeistehenden: „Dieser gehört zu
gehör(s)t zu - W. »ist von«.
ihnen!“
70Aber er leugnete wieder. Und kurz danach sagten diejenigen, die dabeistanden, erneut zu Petrus: „Wahrhaftig, du gehörst zu ihnen, denn du bist auch ein Galiläer!“
Textkritik: Einige Handschriften fügen hinzu: „... und deine Sprache ist ähnlich“ (nämlich der von Jesus); so auch JJ, SLT, TAF. Dies könnte gut auch ursprünglich sein (so z.B. Cranfield 1959, S. 447; die Version von Mt („deine Sprache verrät dich“) wäre dann eine kontextgemäßere Paraphrase), wird aber von fast allen Üss. als sekundär angesehen. Einzig deshalb auch hier; letztlich ist diese Frage aber nicht entscheidbar.Dass Galiläer eine leicht andere Aussprache hatten als der Rest Israels, ist recht gut bezeugt; s. b.Ber 32a; b.Meg 24b; b.Erub 53b.
71Er aber verfluchte
verfluchte - W. „begann zu verfluchen“; ein sog. „markinisches archomai“ („beginnen“, vgl. dazu Kleist 1937, S. 154f.), das nicht ins Dt. zu übersetzen ist (so auch Kleist 1937, S. 229). Viele Üss. übersetzen es aber doch.Die Üs. „verfluchen“ ist treffender als das intransitive „fluchen“, das sich in den meisten Üss. findet, da auch das Gr. anathematizo stets ein Objekt hat (s. z.B. Num 21,2f. LXX; Dtn 13,5; 20,17 LXX; Ri 1,17; 21,11 LXX u.ö.). Petrus „stößt“ also keine „Flüche aus“, sondern er „verflucht jemanden“. Dieser „Jemand“ könnte Petrus selbst sein – im Alten Israel konnte man etwas durch eine Selbstverfluchung schwören, nach dem Muster „Ich schwöre X, und wenn es unwahr ist, soll mir Y wiederfahren“; s. z.B. 1 Sam 20,12f.; 2 Sam 3,9; Ijob 31; Ps 7,4-6; so z.B. schön B/N („Petrus aber schwor heilige Eide und sagte: ‚Ich will verflucht sein, wenn ich den Mann kenne...‘“), JJ, MEN („Er aber fing an, sich zu verfluchen...“), SLT, Stier, TAF –, viele Exegeten denken aber, dass Petrus wahrscheinlicher hier Jesus verflucht (z.B. Brown 1994, S. 605; Gundry 2000, S. 890; Lampe 1973, S. 354; Marcus 2009, S. 1019f.), was Leser zur Zeit der Christenverfolgung sicher mindestens mitgelesen hätten (s. die Anmerkungen). So übersetzt leider nur WIL: „Er aber begann nun, ihn zu verfluchen und zu schwören: ‚Ich kenne diesen Menschen nicht...!‘“
und zu schwor: „Ich kenne diesen Menschen nicht, [von] den ihr sprecht!“
72Und sogleich krähte zum zweiten Mal ({zum zweiten Mal}) ein Hahn. Da erinnerte sich Petrus an das Wort, wie
das Wort, wie - redundanter Ausdruck (gewöhnlicher: „erinnerte sich an das Wort, das Jesus gesagt hatte“ oder „erinnerte sich an das Wort, wie Jesus gesagt hatte“); sowohl „das Wort“ als auch „wie“ verweist den Leser zurück auf den Ausspruch Jesu in V. 30.
Jesus zu ihm gesagt hatte: „Bevor dem zweimaligen Krähen des Hahns wirst du mich dreimal verleugnen.“ Und er brach in Tränen aus.
brach in Tränen aus - sehr schwieriger Ausdruck im Gr.; Bed. unsicher. W. „Und überworfen/draufgeworfen habend, weinte er“. Vorgeschlagen wurde: # „[Sich] hineingeworfen habend [nämlich ins Weinen], weinte er“, also „Er fing an zu weinen/brach in Tränen aus“ (so wird das Wort mit Infinitiv (nicht aber als Partizip mit finitem Verb!) auch verwendet von Diogenes Laertius, Vit 6.27 und Plutarch, De Phyt Orac 402B (wohl nicht PTebt 50,12); so auch VUL, Syr, Theophylakt; einige Handschriften haben stattdessen auch „fing an zu weinen“; so daher z.B. auch BDR §308, EWNT, LN; Cranfield 1959, Ernst 1981; auch die meisten dt. Üss. # „[Seinen Geist darauf] geworfen habend, weinte er“, also „Als er daran dachte, ...“. So z.B. LSJ; auch Dschulnigg 2007; auch viele engl. Üss. Dann wäre der Satz aber merkwürdig redundant mit dem „Da erinnerte sich Petrus...“ (so richtig Gundry 2000, S. 891). # „[Sich hinaus]geworfen habend, weinte er“, also „Hinausgestürmt seiend, ...“; so z.B. Brown 1994; Marcus 2009. Doch für diese Verwendung fehlen die Parallelen. # „[Sich etwas] übergeworfen habend, weinte er“, nämlich ein Kleidungsstück über den Kopf, wie häufiger ein Ausdrck der Trauer. So schon Theophylakt, Field 1899, S. 41-43; auch ZÜR1931. Doch hier fehlte ein Objekt des Verbs. # „[Sich] auf [den Boden] geworfen habend, weinte er“; so z.B. B/N, MNT, viele engl. Üss. Aber auch hier fehlen die Parallelen.
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