‏ Micah 4

Kapitel 4

1
[Status: Zuverlässig]
Und es wird in zukünftigen (späteren, letzten) Tagen (zu einer späteren Zeit, am Ende der Zeit)
in zukünftigen (späteren, letzten) Tagen (zu einer späteren Zeit, am Ende der Zeit) Die so übersetzte Phrase  בְּאַחֲרִ֣ית הַיָּמִ֗ים kommt im AT 13 mal vor. Entgegen der aus der LXX übernommenen geläufigen Übersetzung „in den letzten Tagen“ bezeichnet sie an keiner Stelle eine „letzte“ Zeit, sondern eher allgemein eine zukünftige, „spätere“ Zeit im Vergleich zur Gegenwart. Diese Zukunft folgt in den Prophetentexten auf eine von Gott durch sein aktives Wirken herbeigeführte Wende der Geschichte (Andersen, Micah, S. 401. Vgl. Kessler, Micha, S. 183; Waltke, Micah, S. 192f.). Auch hier in Mi 4 ist Gottes Handeln zunächst nur implizit, dann ganz deutlich die Ursache für die heilvolle Zeit, die Micha Israel in Aussicht stellt. In anderen, nichtprophetischen Kontexten, so in Gen 49,1; Dtn 4,30; 31,29 und evtl. auch Num 24,14, kommen dagegen Voraussagen in den Blick, die innerhalb des AT schon eingetroffen sind.
geschehen: Der Berg [mit dem] Haus
Berg [mit dem] Haus Appositiver Genitiv, der das Objekt näher identifiziert.
JHWHs wird als Herausragender (Wichtigster, Höchster, Gipfel, Anführer) der Berge
als Herausragender (Wichtigster, Höchster, Gipfel, Anführer) der Berge Die Präposition  בְּ „als“ ist „Bet essentiae“, bezeichnet also eine Subjekts-Identifikationsergänzung. Die Constructus-Verbindung  רֹאשׁ הֶהָרִ֔ים bezeichnet im AT sonst einfach einen Berggipfel, aber dass der Tempelberg zum Berggipfel der übrigen Berge wird (oder, als Lokalangabe verstanden, auf ihnen zu ruhen kommt), ist ein etwas unsinniger Gedanke, der schon aufgrund des Subjekts, des Bergs Zion, unwahrscheinlich wird. So wird aus dem Kontext klar, dass das Wort hier nicht „Gipfel“ heißt, sondern in seiner häufigen übertragenen Bedeutung vorkommt. Dieser Berggipfel Zion wird souverän über den übrigen stehen (vgl. Waltke, Micah, S. 194.). höher unterstützt dieses Wortspiel, denn auch diese Wurzel kann sowohl wörtlich „Höhe“ als auch übertragen „Bedeutung“ ausdrücken. Mit dem Vergleich „höher als die Hügel“ polemisiert Micha gegen die Götterberge anderer Völker, wie sie aus dem ganzen alten vorderen Orient (etwa aus Sumer und Ugarit) bekannt sind (Wolff, Micha, S. 91; Kessler, Micha, S. 183f.; Waltke, Micah, S. 194f.). Michas Prophetie zielt also nicht auf die faktische Höhe des Bergs Zion, sondern symbolisiert die Macht des Gottes, der darauf wohnt. Wo die Hügelgottheiten im AVO oft nur lokal wirkten, ist Zion im AT Symbol von Gottes Allherrschaft (Ps 48,3; 68,15-18) (zum damaligen kulturellen Hintergrund schreibt Keel, Bildsymbolik, S. 100f.). Wenn nun der Tempelberg über alle Hügel erhoben wird und Völker zu ihm strömen, drückt das aus, dass JHWHs endgültig seine Überlegenheit gegenüber den anderen Göttern gezeigt hat – und die Völker nun nicht mehr ihre eigenen Götter verehren, sondern ihn (Waltke, Micah, S. 195; vgl. Jeremias, Micha, S. 172).
gefestigt sein (feststehen, festgelegt/eingesetzt sein)
wird … gefestigt sein Die meisten Übersetzungen formulieren „fest stehen“ oder „fest gegründet sein“. Der Gebrauch des Partizips mit einer Futurform hebt die Dauerhaftigkeit des Vorgangs hervor (Joüon/Muraoka, §121e). Theoretisch möglich wäre auch die im Kontext jedoch unsinnige Übersetzung „sich auf dem Gipfel/Wichtigsten der Berge befinden“ (dazu s. die vorige Fußnote).
und höher [wird] er sein (erhöht werden) als [die] Hügel. Und (dann) Völker werden auf (zu) ihn strömen (sehen)
2und große (viele) Nationen (Völker) werden kommen und sagen: „Kommt, {und} lasst uns doch zum Berg JHWHs hinaufgehen (hinaufziehen; pilgern) und zum Haus von Jakobs Gott, damit (und) er uns anhand seiner (etwas von seinen) Wege unterweist (lehrt, zeigt) und (sodass) wir nach seiner Art leben (auf seinen Pfaden gehen/wandeln)
anhand seiner Wege und nach seiner Art leben/auf seinen Pfaden wandeln sind parallel und sagen mit anderen Worten das gleiche aus. Die beiden Zeilen sind wiederum parallel zu den beiden folgenden Zeilen, wo (wiederum mit gleicher Aussage in anderen Worten) von Weisung/Torah und JHWHs Botschaft aus Jerusalem die Rede ist. Weil diese Parallelität beachtet werden muss, ist es nicht wahrscheinlich, dass hier von der Torah als dem jüdischen Gesetz die Rede ist (wie Utzschneider, Micha, S. 89f.). Allgemeiner wird von göttlichem Unterricht zur Lebensführung und Konfliktlösung die Rede sein. Diese Deutung passt besonders gut in den Kontext, wo nichts von Gesetzesauflagen zu finden ist, sondern beschrieben wird, wie sich ganze Nationen Gottes vermittelnden Entscheidungen unterordnen (V. 3). Sie wird gerade von jüdischen Auslegern vertreten (Ben Zvi, Micah, S. 98; Schwartz, Torah, S. 16f.). Wer diese Prophezeiung aus christlicher Sicht auch als deutliche Anspielung auf die Erhöhung Christi am Kreuz und die weltverändernde Wirkung seines Heil bringenden Todes verstehen möchte, wird die von Jerusalem ausgehende Weisung natürlich als das sich seit Pfingsten ausbreitende Evangelium bzw. die christliche Lehre verstehen (so vielleicht Lk 24,47).
können!“
Zum Schlusszeichen: Ob die Aussage der Pilger vor oder hinter die letzten beiden Zeilen von V. 2 endet, ist inhaltlich unerheblich. Sie liefern (mit  כִּי denn) die Grundlage für den in so großen Worten beschriebenen prophetischen Völkerzug zum Zion. Beide Möglichkeiten sind denkbar: dass die Angehörigen der anderen Völker sich auch diese Begründung zurufen, oder dass der Prophet sie als Erklärung für ihr Verhalten festhält.
Denn (ja) von Zion her wird Weisung (Tora) ausgehen (kommen) und JHWHs Botschaft (Wort) von Jerusalem her.
3Dann (und) wird er zwischen großen (vielen) Völkern schlichten (Recht sprechen, Richter sein) und für mächtige Nationen (Völker) weit entfernt Recht vermitteln (schlichten, Recht sprechen), so dass (dann, und) sie ihre Schwerter zu Hacken (Pflugscharen, Pickeln) hämmern (umschmieden) werden und ihre Speerspitzen (Speere) zu Winzermessern (Hippen, Rebmessern, Sicheln). Eine Nation (Volk) wird [das] Schwert nicht mehr gegen eine [andere] Nation (Volk) erheben
[das] Schwert erheben Es handelt sich um eine Metonymie der Adjunktion für die Provokation oder das Führen eines Kriegs. Dazu passt der parallele zweite Versteil.
, und sie werden [das] Kriegshandwerk (Krieg) nicht mehr lernen (den Krieg nicht mehr erleben).
4Dann (und) werden sie jeder unter seinem Weinstock sitzen und unter seinem Feigenbaum, und es wird niemanden geben, der [ihnen] Angst einflößt ([sie] aufstört, zum Zittern bringt)
niemanden, der [ihnen] Angst einflößt ([sie] aufstört, zum Zittern bringt) Dieses als Nebensatz aufgelöste substantivierte Partizip Hifil bedeutet in der Grundform (Qal) „zittern“. Die ungefähre Bedeutung im Hifil, „Angst einflößen“, lässt sich nur daraus ableiten. Zwar ist hier kein Objekt vorhanden, aber weil das Hifil kausativ ist, sollte man dennoch transitiv „der [sie] zittern macht“ → „der [sie] aufschreckt/erschreckt“ oder „der Angst macht“ übersetzen, nicht intransitiv „der aufschreckt/erschrickt“. Die wahrscheinliche Bedeutung „aufschrecken/Angst machen“ wäre eine metonymische (Wirkung für Ursache) Verwendung der ursprünglichen Bedeutung „zittern machen“ für emotionale Verstörung oder Angst. Kessler bewertet die Konnotation etwas anders und übersetzt den Begriff transitiv mit „aufstören“ (Kessler, Micha, S. 186f.). Das passt zumindest an den Stellen, wo von Tieren die Rede ist, besonders gut (Dtn 28,26; Jer 7,23; Jes 17,2; Zef 3,13; Nah 2,12), macht in der Praxis aber keinen großen Unterschied.
, denn (wenn, ja) der Mund JHWHs Zebaot hat gesprochen ([es so] gesagt).
5Denn alle Völker mögen jedes im (mit dem) Namen ihres Gottes leben (gehen), aber (und) wir leben (gehen; wollen/werden leben) im (mit dem) Namen JHWHs, unseres Gottes, für immer und ewig! 6An jenem Tag, Ausspruch JHWHs (erklärt JHWH), will (werde) ich die Hinkenden (Lahmen) zusammenführen (zurückholen) und die Vertriebenen (Verstreuten, Verbannten)
die Hinkenden und die Vertriebenen Es handelt sich jeweils um ein Ptz. Qal bzw. Nifal fem. Sg., einen Sammelbegriff wie auf Deutsch etwa „das Hinkende“ (das wäre hier jedoch missverständlich formuliert). Er bezeichnet metonymisch (abstractum pro concreto) die verstreuten Mitglieder Israels. Beide machen symbolische Anspielungen an hilfsbedürftige Herdentiere, die die Hilfe des Schäfers benötigen (vgl. schon Mi 2,12 und Zef ; Kessler, Micha, S. 194).
sammeln
will ich zusammenführen … sammeln Kohortativ (Imperativ der 1. Person), hier modal übersetzt.
sowie (und) [diejenigen], denen ich Schlimmes angetan habe. l
7Dann (und) will (werde) ich [die] Humpelnden (Lahmen) zu einem Überrest machen (einsetzen) und die Entfernten (Ermüdeten; Vertriebenen)
Entfernten (Ermüdeten; Vertriebenen) Das Wort  נַהֲלָאָה ist nur hier bezeugt, deshalb ist seine Bedeutung unbekannt. Der Targum wiederholt aus V. 6 „das Vertriebene“. Auch die alten Übersetzungen sind sich uneinig (LXX:  τὴν ἀπωσμένην „das Abgelehnte“, Peschitta: „das Entfernte“ (ebenfalls aus V. 6), Vulg: eam quæ laboraverat „diejenige, die gearbeitet hat“) Es gibt mehrere Deutungsmöglichkeiten, von denen die meisten von einem determinierten Ptz. Nifal fem. ausgehen: 1. Es könnte sich um ein funktionales Synonym zu  הַנִּדָּחָה (V. 6) handeln und würde dann ebenfalls „das Vertriebene“ bezeichnen (Waltke, Micah, S. 222 übersetzt so, lässt die Entscheidung aber offen; DBL Hebrew. So auch der Targum Jonathan, vgl. LXX). 2. Es könnte, ebenfalls parallel zu  הַנִּדָּחָה (V. 6), von der Wurzel  הלא mit der mutmaßlichen Bedeutung „weit entfernt sein“ abstammen (DCH; Wolff, Micha, 84; Kessler, Micha, S. 191; Ges18). Sie ist in der Phrase  הָלְאָה „darüber hinaus/weiter weg/jenseits“ (Num 32,19; 1Sam 10,3; 20,22.37) oder „Weg mit dir!“ o.ä. (Gen 19,9) „weit weg“ (Num 17,2) immerhin 16 mal belegt (vgl. Ges18 und DCH). 3. Es könnte als funktionales Synonym zu  הַצֹּֽלֵעָה „das Humpelnde“ (V. 7a) aufzufassen sein. Dann könnte es sich von einer unbezeugten Wurzel  הלא (oder  לאה ) „ermüden“ o.ä. ableiten (Ges18, vgl. DCH und Waltke, Micah, 222; sowie die Vulgata-Übersetzung). 4. Auch eine Konjektur von  הַנַּהֲלָאָה zu dem undeterminierten Adjektiv  חַנַּהֲלָאָ֖ה („das Erkrankte“ von  חָלָא ) wäre denkbar (Wellhausen; So Waltke, Micha, S. 222, und Wolff, Micha, S. 84, ohne nähere bibliographische Angaben). Die zweite Option wird vorgezogen, weil sie lexikalisch noch am besten gestützt ist und zudem am besten zur strukturellen Parallele  הַנִּדָּחָה die Vertriebenen (V. 6) passt (So Kessler, Micha, 191).
zu einer mächtigen Nation (Volk)
mächtigen Nation Hier wird die Formulierung aus V. 3 aufgegriffen.
. o Und JHWH wird auf dem Berg Zion als König über sie herrschen von nun an und für immer (bis [in] Ewigkeit).
8Und du, Wachtturm (Garten) der Herde (Migdal Eder), Ophel (Hügelfestung, Hügel), Tochter Zions (der Tochter Zions),
Turm der Herde (Migdal Eder) (Hebr.  מִגְדַּל־עֵדֶר ) Je nach Interpretation ein poetischer Name für Jerusalem oder ein entsprechender Ortsname (wie in Gen 35,21). In dieser dreifachen Anrede scheint es jedoch am einfachsten und logischsten anzunehmen, dass sich wie Tochter Zions auch Turm der Herde und Ophel auf Jerusalem beziehen (bzw. metonymisch auf den israelitischen König; so Waltke, Micah, S. 229-31; Kessler, Micha, S. 199; Andersen, Micah, S. 439). Das AT bezeichnet den König häufiger als Hirten seines Volkes. Der Turm Davids aus Hld 4,4 könnte Ophel (Hebr.  עֹפֶל ) kommt im AT achtmal vor und bezeichnet einen Ort in Jerusalem, nämlich eine Hügelfestung in der alten Davidsstadt (Wolff, Micha, S. 96). Obwohl der Bezug nicht ganz sicher ist, ist er der am besten belegte. Tochter Zions Eine im AT häufige poetische Bezeichnung Jerusalems. Zion ist der Tempelhügel.
zu dir wird [sie] gelangen, {und} [zu dir] die einstmalige (frühere) Herrschaft kommen, die Königswürde zur Tochter Jerusalems
Tochter Jerusalems Wie Tochter Zions eine poetische Bezeichnung Jerusalems (s. vorige Fußnote).
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