‏ Psalms 3

Kapitel 3

Psalm 3 ist ein Vertrauenspsalm in der Form eines Klagepsalms. Die einzelnen Bestandteile der Psalmengattung „Klagepsalm“ sind klar erkennbar: V. 1 ist die „Psalmüberschrift“. Sie gehörte nicht ursprünglich zum Psalm, sondern diese und andere Psalmüberschriften wurden nachträglich zu den Psalmen hinzugefügt. Über den Sinn dieser Hinzufügungen weiß man oft immer noch nichts Genaueres. Doch da es sich um nachträgliche Hinzufügungen handelt, wirkt sich das glücklicherweise nicht nachteilig auf das Verständnis des Psalms im Ganzen aus. Mit „JHWH“ in V. 2 setzt der Psalm mit der sog. „Invokation“ ein: Gott wird angerufen, damit er dem folgenden Gebet Gehör schenken möge. Darauf folgt in Vv. 2-3 direkt die „Klage“, in der der Beter sich über das beklagt, was für ihn Anlass zum Beten ist: Er wird von einer Vielzahl von Feinden bedrängt, die mit ihrem Spott darüber hinaus auch noch sein Verhältnis zu Gott angreifen: Gott wird ihn nicht retten. Hat Gott also den Beter verlassen? Nein: Dieser Spott wird ihm in Vv. 4-7 zum Anlass für eine längere „Vertrauensäußerung“, wie sie sich häufiger in Klagepsalmen findet: Der Beter leidet zwar aktuell unter Bedrängnissen, kann aber dennoch Vertrauen haben, dass Gott ihn wieder retten wird. Grund für dieses Vertrauen sind ihm nach Vv. 5f. bereits gemachte Erfahrungen, in denen sich Gott ihm als Helfer erwiesen hat. Aus diesem Grund muss er sich auch nun vor den „Myriaden von Kriegern“ nicht fürchten (V. 7). Derartige Vertrauensäußerungen sind in Klagepsalmen nie nur Rede über Gott. Sie dienen auch der Rede zu Gott und haben eine bestimmte Funktion im Gang der Argumentation von Klagepsalmen: Gott soll daran erinnert werden, was für eine Art von Gott er eigentlich ist - nämlich einer, der immer schon geholfen hat und immer wieder hilft. Würde er dem Beter daher nun nicht helfen, würde er sich damit selbst untreu (vgl. gut Broyles 1989, S. 42f.). Nachdem er sich derart wieder der Vertrauenswürdigkeit seines helfenden Gottes vergewissert und Gott an seine eigentliche Vertrauenswürdigkeit erinnert hat, kann er daher in V. 8 von Neuem von seiner aktuellen Situation zu sprechen anheben, diesmal in Form einer „Bitte“: Gott möge ihm doch auch jetzt helfen, indem er „seinen Feinden Kiefer und Zähne zertrümmert“. Und, ebenfalls noch „beschwingt“ von seinem Vertrauen, dessen er sich eben neu vergewissert hat, kann er in V. 9 schließen mit einem kleinen Hymnus: „Bei JHWH ist die Rettung, auf deinem Volk ist dein Segen.“ Ganz ähnlich wie die Vertrauensäußerung in Vv. 4-7 dient auch ein solcher abschließender Hymnus nie nur der Rede über Gott, sondern auch der Rede zu Gott: Auch der abschließende Preis für den „eigentlichen“ Charakter JHWHs soll diesen noch einmal motivieren, dem Beter beizustehen (vgl. ebd., S. 44). Es macht daher viel Sinn, dass der Beter den letzten Vers mit verblosen Sätzen konstruiert hat, die man daher auch übersetzen könnte: „Bei JHWH sei die Rettung, auf deinem Volk sei dein Segen.“ Im Zentrum des Psalms steht also das berechtigte Vertrauen in Gott trotz aktueller Bedrängnisse. Nicht nur inhaltlich ist das leicht ersichtlich, sondern auch strukturell wird diese Botschaft unterstrichen: Vv. 2f. und Vv. 7-9 sind durch Stichworte miteinander verknüpft und schließen sich so als Rahmen um den zentralen Abschnitt Vv. 4-6, der von Gott als dem immerwährend verlässlichen Helfer handelt, und Vv. 4-6 als das Scharnier zwischen Vv. 2f. und Vv. 7-9 sind der Grund dafür, dass die Aussagen in diesen beiden Abschnitten ganz gegensätzlich sind: : A: Wie zahlreich sind meine Gegner! :: B: Wie zahlreich sind, die sich gegen mich erheben! ::: C: Wie zahlreich sind, die über meine Seele sagen...! :::: D: Es gibt keine Rettung für ihn durch Gott! : Vertrauensäußerung : A': Ich fürchte mich nicht vor den Myriaden von Kriegern :: B': Erhebe dich, JHWH! ::: C': Zerschlage meinen Feinden Kiefer und Zähne! :::: D': Bei JHWH ist Rettung! 1
[Status: Zuverlässig]
''Ein Psalm (begleitetes Lied) von (für, über, nach Art von) David.'' ''Während (Als) er floh vor Absalom, seinem Sohn.''
Während er floh vor Absalom, seinem Sohn - Die Begebenheit, auf die hier angespielt wird, wird berichtet in 2 Sam 16.

2JHWH! Wie zahlreich (wie sehr vermehrt) [sind] meine Feinde! [Wie]
tFN: [Wie] - Brachylogie aus V. 2a (so z.B. Craigie 1983; Dahood 1965, S. 15; Ehrlich 1905, S. 5; Kissane 1953, S. 10; Kselman 1987, S. 574; auch GRAIL; MÜN).
zahlreich (wie sehr vermehrt) [sind] meine Gegner (die, die sich gegen mich erheben)
meine Gegner (die, die sich gegen mich erheben) - Der verwendete Begriff ist ein stehender Ausdruck für „Gegner“ (vgl. KBL3, S. 1016 und s. Ex 15,7; Dtn 28,7; 2 Sam 18,31; Ps 44,6). W. bedeutet er „die sich gegen mich erhebenden“, so deshalb wohl etwas zu wörtlich viele Üss.
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3[Wie] zahlreich (wie sehr vermehrt) [sind], die über meine Seele (über mich)
über meine Seele (über mich) - Heb. nephesch. Die häufige Übersetzung „Seele“ ist fast nie zu empfehlen, weil es im heb. Menschenbild einen Gegensatz von Körper und Seele so nicht gab; nephesch meint hier wie meist den ganzen Menschen und wird daher hier wie häufig als Wechselbegriff für „Ich“ verwendet.
sagen: „Nicht [ist] (Es gibt keine) Rettung (Hilfe, Sieg)
Rettung (Hilfe, Sieg) - I.d.R. übersetzt mit dem etwas blassen »Hilfe«. Der Psalm stellt aber den Beter ganz deutlich als von Feinden bedrängt dar; kontextuell angemessener ist daher »Rettung«. So gut auch Alter 2007, MÜN u.a. Die ebenfalls häufiger Übersetzung mit »Heil« oder gar »Erlösung« ist kontextuell unpassend.
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tFN: Das Suffix  תְה - ist in der hebr. Poesie häufig bedeutungslos und dient nur der »poetischen Emphase«; vgl. GKC §90g; ad loc. auch Schmidt 1934, S. 6; Kraus 1961, S. 23.
für ihn durch (trotz) Gott!“ {Sela}
{Sela} - Die Bedeutung von „Sela“ ist unklar; vgl. Lexikon/Lemma סֶלַה. In der Lesefassung sollte es daher besser gestrichen werden, da es sonst nur ein unverständlicher Fremdkörper im dt. Text wäre.


4Doch du, oh JHWH, [bist] ein Schild um mich (bist Schutz für mich, schützt mich)
ein Schild um mich (bist Schutz für mich, schützt mich) - W. ein Schild um mich. Weil ein Schild aber ja nicht rundherum schützt (vgl. z.B. Gunkel 1968, S. 14: „Ein gewöhnlicher Schild deckt nur von einer, Jahve aber von allen Seiten.“), besser so: Schild wird in der heb. Poesie des Öfteren auch rein metaphorisch für „Schutz“ verwendet (vgl. z.B. Creach 1996, S. 29f.; KBL3, S. 517) und das Heb. ba`ad (meist: „um...herum“) kann auch nur die Relation des Schutz-für-jmdn-Seins angeben (vgl. z.B. KBL3, S. 135): „JHWH ist ein Schild um mich“ = „JHWH ist Schutz für mich“. Der Sinn der beiden Teilverse ist daher: Viele sagen, es gäbe keine Rettung für den Beter von Gott - aber Gott schützt ihn eben doch.
, [du bist] mein Mächtiger (mein Herrlicher, mein Ansehen, meine Herrlichkeit)
mein Mächtiger (mein Herrlicher, mein Ansehen, meine Herrlichkeit) - W. auf den ersten Blick „meine Herrlichkeit“. Das macht aber nicht viel Sinn (=> *Max ist Moritz' Herrlichkeit). Sinnvoller daher folgende Deutung: (1) kabod („Herrlichkeit“) ist hier wie öfter eine Bezeichnung für Gott, den „Herrlichen“, so dass alle drei aufeinanderfolgenden Aussagen Bezeichnungen für Gott enthalten: „mein Schild/Schutz“, „mein Herrlicher“, „der, der meinen Kopf erhebt“ (so z.B. Christensen 2005.3, S. 1; Dahood 1965, S. 15; Krašovec 1984, S. 60). (2) Brettler weist darauf hin, dass dies kabod im Heb. auch häufig eine Qualität eines Kriegers bezeichne - „Thus,  כבוד should probably be translated with a word from the semantic field of strength, possible as »power«.“ (Brettler 1993, S. 140). Beide Aspekte kombiniert ergibt „mein Mächtiger“.
und der, der meinen Kopf (mich) erhebt (erhöht)
meinen Kopf (mich) erhebt (erhöht) - W.: „Der, der meinen Kopf erhöht“. „Mein Kopf“ ist im Heb. (ähnlich wie die „Seele“ in V. 3) ein Wechselbegriff für „Ich“ (vgl. z.B. Ryken 1998, S. 185.359f.; Schroer/Stäubli 2001, S. 83); „jmds Kopf erhöhen“ heißt daher hier „jemanden erhöhen“, „jemanden auszeichnen“ (vgl. KBL3, S. 1124).
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5[Sooft (Wann immer)] ich [mit] meiner Stimme
tFN: ich [mit] meiner Stimme - Oft analysiert als adverbialer Akkusativ der Art und Weise (vgl. z.B. Ex 24,3); was dann aber zwingen würde, entweder „laut“ zu ergänzen oder gar „Mit meiner Stimme“ als Ausdruck für „laut“ zu lesen; beides ist recht gezwungen. Andere Analysen: Innerer Akkusativ (Houston/Waltke 2010, S. 192: „Ich rufe meine Stimme“) oder doppeltes Subjekt (Baethgen 1892, S. 8; Duhm 1899, S. 12; Gunkel 1968, S. 14: „Meine Stimme [und] ich rufe[n]“); was aber ebenso gezwungen ist. Guten Sinn macht die Analyse als Accusativus instumenti (Ehrlich 1905, S. 5; Kraus 1961, S. 27: „Mit meiner Stimme rufe ich“); dies allerdings ergäbe eine merkwürdig redundante Konstruktion. Man wird sich wohl für die letzte Möglichkeit entscheiden müssen; letztendlich bleibt die Stelle aber etwas rätselhaft.
JHWH anrufe (anrief), antwortet (antwortete, erhörte
antwortet - Das auf einen Flehruf folgende „Antworten“ Gottes steht in der Bibel fast ausnahmslos für eine Gebetserhörung; so auch hier.
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tFN: Die folgenden Verbtempora sind schwierig zu deuten: V. 5: Ich rufe (Yiqtol) - er antwortet (Wayyiqtol) - V. 6: Ich lege mich nieder (Qatal) - ich schlafe (ein) (Wayyiqtol) - Ich erwache (Qatal) - er hilft mir (Yiqtol). Von der Verbfolge Yiqtol - Wayyiqtol in V. 5 heißt es gelegentlich, dass in diesem Kontext Wayyiqtol auch die regelmäßige Folge eines regelmäßigen Geschehens angeben könne (vgl. z.B. GKC §111.4; zur Stelle z.B. auch Beyerlin 1970, S. 79; Kissane 1953, S. 11). Das ist wohl nicht so, deswegen sollte das Wayyiqtol  וַיַּנֵנִי besser mit Craigie, Gunkel, Kraus, Kselman, Zuber u.a. umpunktiert werden zum WeYiqtol  וְיַּנֵנִי (=> Textkritik). V. 5 ist dann ein unmarkierter temporaler Nebensatz (=>unmarkierter Nebensatz) mit zwei durch Waw apodoseos verknüpften iterativen Yiqtol-Verben: „Wann immer ich rufe antwortet er mir.“ V. 6 wird gerne gedeutet als Bericht über ein einmaliges vergangenes Geschehen: „Ich legte mich hin und schlief / ich erwachte wieder, denn JHWH hilft mir.“ Das wäre theoretisch möglich, aber dann wäre eigentlich zu erwarten, dass auch „erwachen“ im Wayyiqtol steht. Daher ist V. 6 besser zu deuten als unmarkierter Konditionalsatz (=> unmarkierter Nebensatz): „Wenn ich mich hinlege und schlafe / erwache ich wieder: JHWH schützt mich (habituelles Yiqtol)“. Ein Weiteres: Im Hebräischen kann eine Handlung auch nach dem Muster von hinlegen und schlafen durch zwei Verben ausgedrückt werden, was häufig ausdrückt, dass mit einer Handlung begonnen wird. Zum Beispiel kann ein Mensch im Hebräischen „aufstehen und gehen“=„losgehen“; „anheben und sprechen“=„das Wort ergreifen“ etc. Entsprechend könnte man hier „sich hinlegen und schlafen“ auch nur als „einschlafen“ übersetzen.
er mir von seinem heiligen Berg (vom Berg seiner Heiligkeit).
Mit dem heiligen Berg (dem Berg seiner Heiligkeit) ist der Jerusalemer Berg Zion gemeint, auf dem der Tempel Gottes erbaut war. Nach altheb. Vorstellung wohnte Gott (zumindest „teilweise“) in seinem Tempel auf dem Zion (s. näher z.B. Zion / Zionstheologie (WiBiLex)); ein Gebet musste daher zuerst zum Tempel in Zion dringen (s. z.B. Jon 2,8), um dann vom Tempel in Zion aus erhört werden zu können.
{Selah}

6[Wenn] ich mich hinlege und schlafe ([wenn] ich einschlafe), erwache ich, denn JHWH hilft mir (unterstützt mich, stützt mich)!

7Ich fürchte mich nicht vor [den]
tFN: [den] - Auch ohne Artikel determiniert durch Relativsatz.
Myriaden von Kriegern, die sich ringsum niedergelassen haben wider mich.

8Erhebe dich, JHWH; rette mich, mein Gott!
{Ja!,}
tFN: {Ja!,} - Emphatisches  כִּי; in der LF besser auszusparen.
Zerschlage
tFN: Zerschlage - W. auf den ersten Blick „du zerschlägst/hast zerschlagen“, was aber dazu zwingen würde, zwischen der Äußerung von Vv. 8ab (der Bitte) und 8c (Der Erfüllung der Bitte) eine ganze Kriegshandlung vergehen lassen zu müssen (so aber dennoch z.B. Beyerlin 1970; Kraus 1961). Besser: Prekatives Qatal; das Qatal wird aus poetischen Gründen wie ein Imperativ verwendet (so z.B. Buttenwieser 1938, S. 397; Dahood 1965, S. 20; Houston/Waltke 2010, S. 193; Kselman 1987, S. 578).
(Schlage auf)
Zerschlage (Schlage auf) - Die Parallelität von 8c zu 8d zeigt, dass wir hier durchaus nicht an Backpfeifen und Ohrfeigen zu denken haben, wie das die Mehrzahl der Exegeten und Üss. will. Daher nicht: „Schlage meinen Feinden auf die Backe“, sondern „Zerschlage meinen Feinden den Kiefer“. Unter Umständen spielt der Psalmist mit diesem Ausdruck auf eine alte Rechtspraxis an: Im Alten Orient war v.a. für Vertragsbruch die Strafe verbreitet, dem Übeltäter die Zähne zu zerbrechen (vgl. Hackett/Huehnergard 1984).
all meinen Feinden den Kiefer (Backe); die Zähne der Frevler zerschmettre!

Bei JHWH [ist (sei)] die Rettung (Hilfe, Sieg)
Bei JHWH ist Rettung - d.h.: „JHWH ist es, der rettet“ (ein sog. „Lamed der Zuständigkeit“: „Für die Rettung ist JHWH zuständig“).
; auf deinem Volk [ist (sei)] dein Segen. {Selah}
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