‏ Mark 14:24

24Und er sagte zu ihnen: „Dies ist mein Blut des (neuen)
Textkritik: neuen - Nicht wenige Handschriften haben hier ein zusätzliches »neue« – zweifellos eine Angleichung an Lk 22,20; 1 Kor 11,25 und damit sekundär (so z.B. auch TCNT).
Bundes, für viele
viele - dient vermutlich zum Ausdruck des Zahlenverhältnisses: Einer vergießt sein Blut für viele. S. genauer unten.Auch dieses Wort wird aktuell sehr heftig diskutiert, daher auch hierzu eine etwas längere Erklärung der Diskussion und zur Rechtfertigung der Übersetzung. Hintergrund der Diskussion ist der, dass in der kath. Liturgie in Deutschland lange Zeit die Formulierung »das für euch und für alle vergossen wird« gebräuchlich war. In einem Brief der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung von 2006 wurde stattdessen die Übersetzung »für viele« vorgeschrieben, und vor allem infolge eines Folgebriefes von Benedikt XVI. an die deutschen Bischöfe entbrannte ein heftiger und leider seltenst sachlich geführter Streit, der mittlerweile nur noch oberflächlich etwas mit der Übersetzung selbst zu tun hat. Beide Parteien berufen sich auf Jes 53,12. Weil auch dort von jemandem die Rede sei, der für die Sünden anderer stirbt und wegen den gemeinsamen Vokabeln »vergossen« und eben »viele« sei klar, dass Mk hier die Jes-Stelle zitiert. Die einen leiten daraus ab, dass das »viele« in Jesaja wie oft im Hebräischen als »alle« verstanden werden müsse und dass dies demnach auch die Bedeutung des »viele« bei Mk sei; die anderen erkennen zwar die Bedeutung »alle« in Jesaja (und meistens auch Markus!) an, fordern aber dennoch eine »wörtliche« Übersetzung in Mk, damit der Bezug zu Jes erkennbar sei und keine Deutung in die Mk-Übersetzung eingetragen werde. Beide Argumentationen sind sehr problematisch. Zunächst wurde zu ntl Zeiten nicht der heb. Jes-Text verwendet, sondern entweder die LXX-Übersetzung oder ein Targum. Die LXX-Übersetzung lautet aber nicht »Weil er sein Leben in den Tod ausgegossen hat«, sondern »weil er seine Seele in den Tod auslieferte«, die von TgJ »Weil er sein Leben dem Tod übergab«. Der einzige Bezug im Vokabular ist damit das »viele«, und auf dieser Basis von einem »Zitat« zu sprechen, geht durchaus nicht an (so z.B. richtig Chilton 1994, S. 87; Dunn 2003, S. 815f.; Schröter 2006, S. 129; übrigens sogar Benedikt, obwohl er im Folgenden dann doch mit dem Jes-Text argumentiert). Sodann motivisch: Der Gottesknecht im Jes-Text wurde im frühen 1. Jahrhundert überhaupt nicht als Paradigma eines Menschen aufgefasst, der die Sünden anderer Menschen auf sich nimmt – weder in jüdischen noch in christlichen Texten. Im NT z.B. wird Jes 52,13-53,12 insgesamt sieben Mal zitiert – und nur im spätesten Text, 1 Pet 2,22-25, ist er Paradigma dieses Motivs (vgl. z.B. Zager 1996, S. 180f). Aus diesem Grund kommen heute immer mehr Wissenschaftler von der Vorstellung ab, dass das Gottesknechtslied ein Vorbild für die ntl Texte gewesen sei (vgl. z.B. Versnel 2005, S. 215 und die dort zusammengetragene Literatur). Und weiter: Gerade, wenn wir dennoch davon ausgingen, dass hier ein Jes-Zitat vorläge, gingen beide Argumentationen am Text vorbei, denn der Zweck des »Viele« wäre dann wie in Jes nicht die Identifikation einer Zielgruppe der »Leistung« von Gottesknecht und Jesus, sondern der Ausdruck eines Zahlenverhältnisses: Einer nimmt die Verfehlungen von Vielen auf sich / legt für viele Fürsprache ein / vergießt sein Blut für viele; s. ähnlich z.B. 1 Kor 10,17: »Weil es ein Brot ist, sind wir – wir vieleein Leib.« So ist das »viele« hier wahrscheinlich auch unabhängig von der Jes-Stelle zu verstehen. Und schließlich: Selbst dann, wenn die Übersetzung »alle« sich hier ebenso gut rechtfertigen ließe wie »viele«: Nur von den wenigsten Üss. wird sie gewählt (z.B. GN, KAM); daher nach Kriterium 1b auch von uns nicht. Welche Übersetzung die sinnvollste für eine Messliturgie ist, ist natürlich eine andere Frage.
vergossen.
Zum Gesamtsinn des Verses s. die Anmerkungen. Die Formulierung lässt sich am leichtesten genetisch erklären. Die Vorstellung, dass ein Mensch »für andere« sterben könne, stammt ursprünglich aus dem hellenistischen Kulturraum und ist dort gerade in der ntl. Zeit außerordentlich populär (s. bes. das von Versnel 2005 auf S. 230-244 zusammengetragene Material): Zürnte eine Gottheit einer Person/einem Volk/ ..., konnte ein Mensch ersatzweise für diese Person/dieses Volk/... sterben und so die Gottheit beschwichtigen (vgl. gut z.B. Breytenbach 2003). Relativ rein lässt sich dieser Gedanke z.B. auch in den johanneischen Schriften betrachten (s. z.B. Joh 10,11.15; 15,13; 1 Joh 3,16. Bei unserer Stelle ist diese Vorstellung aber verschmolzen mit einer weiteren Vorstellung; diesmal aus dem jüdischen Kulturraum: Wenn Gott einer Person zürnt, liegt das nach jüd. Vorstellung an den Sünden dieser Person, die wie eine Trennwand zwischen die Person und Gott treten. Eingerissen werden muss diese Trennwand durch en Opfer – durch die Darbringung von Opferblut -, dessen Effekt die Errichtung eines »Bundes« zwischen Gott und dem Opfernden ist (s. Ex 24,8; Sach 9,11; vgl. z.B. Willi-Plein 1993, S. 97f. S. bes. die Variante von Ex 24,8 im etwa zeitgleich zum Mk entstandenen TgO: »Da nahm Mose das Blut und sprengte es auf den Altar, um für das Volk Sühnung zu schaffen...«). Kombiniert lauten die beiden Vorstellungen dann: Jemand, der für jemanden stirbt, wird so zum »Opfer« für diesen zum Zwecke der Sühnung seiner Sünden (vgl. gut Merklein 1986, S. 71). Diese »Vorstellungskombination« wird z.B. auch in Joh 1,29; Röm 3,25f und Heb 9,13-15 auf Jesus übertragen; außerhalb des NT findet sich die Vorstellung z.B. auch in 4 Makk 17,21f. und j.Sanh. 11,5.
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