‏ 2 Timothy 4

Text: 2.Timotheus 4,1-4 Von da an lenkt sich der Brief merklich zum Beschluß, und daher nimmt der Apostel Alles zusammen, was des Timothei Herz anfassen, und es zu unverdrossenem Anhalten am Guten stärken konnte. Auch die Gutwilligsten bedürfen gegen die Schwachheit des Fleisches und die Versuchungen ihrer Zeit so angetrieben zu werden, wie der Apostel hier und oben (1.Tim. 6, 13) tut; wer das nicht nötig zu haben meint, der ist schon auf schlüpfrigem Wege. Mit den Folgen unseres Amts auf die Ewigkeit, sonderlich auf den Tag JEsu Christi, muß man seine lässigen Hände oft aufrichten, und seine müden Knie stärken. Dem HErrn JEsu zu gefallen, und auf seinen Tag zu bestehen, soll der Grund sein, auf dem wir uns täglich erneuern. Das verhütet, daß aus der Geschäftigkeit kein zerstreutes Wesen, aus der Geduld keine Faulheit, aus der Begierde weiter zu kommen, kein Fürwitz wird; das Licht jenes Tages hält Alles in Zucht und Ordnung. Im künftigen Gericht wird es einen Hauptumstand ausmachen, daß mit Denen abgerechnet wird, die Anderen den Weg zeigen wollten und sollten (Matth. 7, 13- 23) , oder die der HErr über sein Gesinde setzte (Matth. 24, 45-51) . - Mit seiner Erscheinung und mit seinem Reich, sagt der Apostel, oder mit seiner Erscheinung, wobei zugleich sein Reich offenbar werden wird (1.Tim. 6, 14) . Die vormalige Erscheinung im Fleisch gibt ihm das Recht zu dieser; und wer dem Willen GOttes an der Verkündigung und Aufrichtung des Segens von JEsu Offenbarung im Fleisch dient, der hat dessen Erscheinung oder Offenbarung in der Herrlichkeit als das Hauptziel seiner Arbeit anzusehen. - Predigen war ja auch das Geschäft des Sohnes GOttes bei seinem hiesigen Lauf. Genugsame Würde, GOtt an diesem seinen Wohlgefallen zu dienen, daß sein Wort und Evangelium in der Welt bleibe! Predigen führt einen erwecklichen Aufruf bei sich, Anhalten geschieht durch sachtere Arten, wie man einem Menschenherzen beikommen kann; beim Predigen erhebt man seine Wächterstimme, beim Anhalten steht man sonst auf seiner Hut, und merkt, wo sich unter einer Schickung GOttes eine Tür öffnet, oder eine Gelegenheit, Gutes zu wirken, sich anbietet. Zu solcher Arbeit an einander hat man vorgeschriebene Zeiten und öffentliche Zusammenkünfte, das heißt der Apostel zu rechter Zeit; man muß aber daneben auch Zeiten, einen Jeden insonderheit zu erinnern auskaufen (Apg. 20, 31) , das heißt der Apostel zur Un = oder ungewöhnlichen Zeit. Zur Unzeit heißt freilich nicht soviel als unbesonnen, stürmische, sonst stände nicht dabei: mit aller Geduld. Auch zu dem, was Unzeit heißt, müssen einem Schickungen GOttes erst Bahn machen, aber verdrossen muß man nicht sein, selbige zu gebrauchen, wie sie sich anbieten; von den Schreckgeistern dieser Welt, von den Vernunftsbedenklichkeiten muß man sich den Mund nicht stopfen lassen. Das Wiegenlied der Faulheit: Du hast das Deinige schon getan, muß man sich nicht einwiegen lassen; sondern dagegen darf einem das Wort: zur Unzeit, Herz und Ohr wecken. Je mehr das, was zu rechter Zeit geschieht, durch Gewohnheit geringschätzig wird, je froher muß man sein, wenn einem auch außer der Zeit etwas anzubringen beschert wird. Aber dazu braucht man freilich nach V. 1 die Aussicht auf den Tag des Gerichts. Wer an menschlichen Tagen hängt, auf der Menschen Lob sieht, der beliebt bei dem, was zu rechter Zeit geschieht, stehen; denn das hat vor Menschen Lohn und Lob. Was man aber außer dieser Zeit hätte schaffen können und sollen, darüber wird einem Manchen erst die Erscheinung des HErrn seine schlummernden und vom Geist der Furcht zugedrückten Augen zu spät öffnen; und Er wird mit seinem Schweißtuch, aus welchem er seine gleichwohl bewiesene Treue wird dartun wollen, zu kurz kommen. - Wenn der Apostel sagt: Strafe, so meint er freilich nicht um Geld, wie jetzt vor Kirchenkonvent oder in den Armenkasten geschieht, sondern mit Überzeugung, daß der Geist darunter mitwirken kann, der die Welt straft, und so auch: - Drohe nicht aus Gesuch deiner Ehre, sondern mit Begierde, aus dem Feuer zu rücken und selig zu machen (Joh. 5, 34 + 41-42 ; 8, 24) , wie man einem Kranken eine Arznei beibringt, unter Bezeugung seiner äußersten Todesgefahr, darin er sich befinde. Auch darin muß man lernen niedrig und hoch sein; und der Lehrfleiß und alle davon abhängende Brauchbarkeit muß auf der Wurzel der Sanftmut und Herzensdemut stehen, daß die besten Absichten im Geist der Langmut betrieben werden. - Warum das Alles, warum so ein wachsames Herz und Auge, warum solche Bereitschaft, Manches zu tun, das man für übernützig anrechnet? Darum, weil Zeiten kommen, und mit ihren Versuchungen schon auch in unsere Zeit hineinreichen, da man die heilsame Lehre nicht leiden will. Nach einer heilsamen Lehre, meinte man sonst, werde Jedermann begierig greifen. Aber weil das Heilsame den Menschen so mit Erkenntnis und Empfindung seines Schadens angreift und demütigt, so ist es der Natur, die ihren grindigen Kopf doch aufrichten will, unerträglich. Eines der größten Gerichte über die Welt ist, daß sie so viel Zungen und Federn findet, die ihr und ihren eigenen Lüsten zu gefallen leben, und die sie dann entweder in den Lehrstand ziehen, oder doch an derselben Schriften hängen kann. Alles, was am Wort vom Kreuz vorbeigeht, und von der Erkenntnis unseres Schadens und der heilsamen Gnadenkur vorbeiführt, rechnet die Wahrheit GOttes unter die Fabeln. Text: 2.Timotheus 4,5-8 Der sterbende Paulus spricht dem Timotheus herzhaft zu, daß, wenn das Böse rings umher die Oberhand habe, so soll er sich's doch nicht mutlos machen lassen, sondern auf dem Gleis eines redlichen Arbeiters am Evangelio bleiben; und heiß ihn dabei an seinen gehabten Lehrer gedenken, dessen Ende anschauen, und seinem Glauben folgen. Du aber, ruft der Apostel dem Timotheo in seines Glaubens Schranken zu, ohne dich das bei Anderen überhandnehmende Verderben hindern zu lassen, ja daraus vielmehr einen Antrieb zu nehmen, sei nüchtern allenthalben! Wachen und nüchtern sein gehört dazu, daß man dem Bösen nicht gewonnen gebe, sich durch Betrug desselben nicht einschläfern lasse, und doch auch nichts Unbedachtsames vornehme. Seine Bedachtsamkeit aber nicht in der Klügelei, dem Leiden auszuweichen, setze, sondern im Aufsehen auf Den, der unter dem Leiden die Welt und ihren Fürsten überwunden hat, sich leide. Aber auch die im Evangelio liegende fröhliche Botschaft, die dadurch an das Licht gebrachte selige Hoffnung sich allenthalben anspüren zu lasse. So viel dich der Welt Undank, Verachtung, abgewendete Huld, gedrohtes oder angetanes Unrecht müde machen kann; so viel fehlt es dir noch an einem festen Stand im Evangelio des Friedens. Bei Stärkung aus demselben aber kann man seinen Dienst vollführen, ohne den Hindernissen der Zeit, ohne den ansetzenden Schwachheiten zu viel nachzugeben. - Von diesem hoffnungsvollen Zuspruch an das Herz des Timotheus wendet sich nun Paulus wieder auf seine eigenen Umstände und sagt: den ich zc., woraus man sieht, wie es ihm bei seinem nahe vermuteten Ende ein eigentlicher Trost gewesen ist, an Timotheus eine solche Pflanze des HErrn hinter sich zu lassen. Der selige Bengel schreibt in gleichem Sinn an einen seiner gewesenen Schüler, der ihm für einen von ihm genossenen Segen gedankt, zur Antwort: " Ich erinnere mich nicht leicht, was ich gestern oder vorgestern gesagt habe. Wenn nun diejenigen, die mich gehört haben, bisweilen mit solch einem Körnlein kommen, so verwundere ich mich darüber, wie die Kraft von Oben dasjenige, was zwar nicht in meinem Herzen und auf meiner Zunge gewachsen, aber doch dadurch gegangen ist, und insofern schwach gewesen, doch so hat zu Nutzen bringen können. Doch GOtt wirkt Alles in Allen, auf allerlei gute Weise. Er lasse durch diejenigen, die mir anbefohlen waren, noch viel - viel mehr Gutes und Heilsames an Großen und Kleinen zu Wege gebracht werden, als durch mich geschehen ist. Mit mir schickt es sich äußerlich zum Abnehmen; ich sehe es aber herzlich gern, wenn Jüngere sich regen und stark erweisen, und mich über das Gegenwärtige und Vergangene beschämen, und hoffe dabei, sie werden mich, wenn ich sonst erliegen möchte, doch auch mitnehmen; ja der große Aufseher unserer Seelen wird es tun, und wir werden seine Tugenden dafür preisen immer und ewiglich." - Seinen vor Augen schwebenden Tod drückt Paulus auch Phil. 2, 17 , als eine Aufopferung aus, nicht nur weil es ein gewaltsamer und mit Vergießung seines Bluts verbundener Tod war, sondern allermeist, weil daran Alles GOtt zu preisen, und in seinem Dienst sich zu verzehren eingerichtet war, und er also damit vor GOtt ein angenehmes Opfer wurde. Seiner vorhandenen Abschiedszeit mag Paulus nicht nur aus den äußerlichen Umständen gewahr worden sein, sondern auch darüber eine Anregung des Geistes gehabt haben. Auch uns predigen nicht nur unsere Glieder und die verspürte Abnahme unserer irdischen Hütte laut von der Sterblichkeit, sondern es fehlt auch nicht an anderen Zügen GOttes, die uns darauf führen. Dem Petrus hat es der HErr in den Ostertagen angedeutet, mit welchem Tode er GOtt preisen würde (Joh. 21, 19) . Je mehr noch jetzt ein Gläubiger JEsum Christum im Gedächtnis hält, der Auferstanden ist von den Toten, je freier und ruhiger kann er noch dem nachdenken: die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden. Dabei wirft der Apostel auch einen ernsthaften Blick rückwärts, nicht, wie Manche, auf ihre hochangerechneten guten Werke oder ausgestandenen vielen Leiden, sondern eigentlicher auf seine Erwählung und Beruf, wie GOtt ihn nach seinem Vorsatz und Gnade berufen, und das Evangelium ihm den Gehorsam des Glaubens abgewonnen habe, wodurch er freilich in einen Kampf und Lauf gestellt worden, darin es Beharrens kostete. Dadurch gerät man auf keinen verwerflichen Ruhm der Werke, sondern auf ein gültiges Zeugnis, daß man in die rechte Gnade sei zu stehen gekommen. Nach der bis in den Tod gehaltenen Glaubenstreue aber hat der Christ nichts Mißliches mehr zu besorgen, sondern hinfort ist Freude und Friede. Die Krone des Lebens wird ihm wirklich gegeben (Offb. 2, 10) , die Krone der Gerechtigkeit aber so beigelegt, daß er ihr und alles davon abhängenden guten Loses so versichert ist, wie wenn sein Name auf etwas geschrieben oder gestochen ist (Offb. 3, 12) ; so erlangt er eine Anweisung auf die Krone der Gerechtigkeit, neben dem Genuß Alles dessen, was seinem in GOttes Hände heimgerufenen Geist erquicklich sein kann. - Bescheiden handelt der Apostel, daß er es hinaussetzt auf jenen Tag, wie der Heiland selbst in seinen Reden es immer auf diesen jüngsten Tag gesetzt hat. Freudig aber handelt er darin, daß er es als zur Offenbarung der Gerechtigkeit GOttes gehörig erwartet. Nicht nach den Werken der Gerechtigkeit, die wir getan haben; sondern nach seinem Vorsatz und Gnade gehört es zur Offenbarung der Gerechtigkeit GOttes. Um der Auserwählten willen hat Paulus gern gelitten, daß auch sie die Seligkeit erlangen mit ewiger Herrlichkeit (Kap. 2, 10) , darum denkt er nun neben sich gern auch an Andere, denen zum Heil der HErr JEsus erscheinen werde, und zieht die Liebe zu JEsu Erscheinung an, als den Haupterweis von dem am Herzen kräftig gewordenen Evangelio. O wohl einer jeden in reiner Brautliebe zu dem HErrn JEsu stehenden Seele, die spricht: Amen! Komm, HErr JEsu! Text: 2.Timotheus 4,9-15 Paulus führt dem Timotheo unterschiedliche Umstände zu Gemüt, in deren Betracht er eilen sollte, bald zu ihm zu kommen. Der Sinn Christi löscht die natürlichen Neigungen, und das Verlangen, Bekannte zu sehen und um sich zu haben, nicht aus, sondern reinigt es, mäßigt es, veredelt es, daß etwas Fruchtbares auf die Ewigkeit daraus erwächst (Röm. 1, 11 ; 2.Tim. 1, 4) . Wenn wir schon mit dem Herzen an GOtt hängen; so kann uns doch ein Glied Christi zu einer sehr gewünschten Handreichung und wohlgelegenen Hilfe kommen (2.Kor. 7, 6) . Hat doch unser lieber Heiland selbst zu seinem Gebetskampf am Ölberg drei seiner Jünger, als nächste Zeugen, mitgenommen, und noch vom Kreuz herunter gegen Maria seine Mutter und Johannes sein Liebesgebot bestätigt, worüber wir ihn billig anbeten: Dank sei Dir für die so zärtlichen Triebe, die Du der Mutter zum Besten behielt'st, da Du sie sterbend der kindlichen Liebe Deines geliebten Johannes empfiehlst. JEsu, Du liebst bis ans Ende die Deinen, ach so berate auch Mich und die Meinen. Doch war es Paulus nicht allein um die Erquickung zu tun, die er von Timotheus haben möchte, sondern auch um die Frucht, die davon auf Timotheus kommen konnte. GOtt lehrt uns Vieles an Anderer Beispiel. Timotheus hatte bei dieser Reise etwas zu wagen, aber auch einen Segen davon zu hoffen. Köstliche Perlen findet man nicht im Weg. Wer zu genau über seiner Bequemlichkeit hält, kann Vieles verschlafen, das ihm wohl käme. Von Demas wird noch Kol. 4, 14 , ein Gruß überschrieben, doch ist kein weiterer rühmlicher Beisatz, wie sonst bei Anderen, beigefügt, daß man also seiner Beharrlichkeit halben nicht sonderliche Hoffnung hatte. Ob der Ausdruck: hat diese Welt liebgewonnen, so viel sagen wollte, daß er mit öffentlicher Verleugnung des Christentums von der Wahrheit abgetreten, oder zwar mit Beibehaltung desselben in der Bekenntnis des Mundes von der Kraft abgewichen sei, läßt sich nicht gewiß ausmachen. Eins ist so kläglich als das Andere. Eben (V. 8) , war von solchen die Rede, die JEsu Erscheinung lieb haben, hier von einem, der diese Welt liebgewonnen. Auf welcher von diesen beiden Wurzeln steht auch dein Herz? Was regiert und treibt dich in allem Unternehmen? Was Crecens und Titus für Züge gemacht, die waren nicht so dem Bauch, sondern dem HErrn Christo, zu dienen eingerichtet. Lukas allein von Freunden war bei ihm; sonst aber hat es in Rom selbst viele aus Juden und Heiden gesammelte Christen gegeben. Demas fiel zurück. Markus wurde aus einer vormals erlittenen Schwachheit (Apg. 13, 13 ; 15, 37-38) wieder aufgerichtet. O! Was muß man im Dienst Christi an sich und Anderen erfahren! Wie oft muß uns der Stecken und Stab des guten Hirten trösten! Der vom Eifer des HErrn regierte Stecken, der von der Langmut des HErrn geführte Stab! Das Paulus Tychicum gen Ephesus gesandt habe, konnte Niemand besser wissen, als Timotheus selbst, der sich damals noch zu Ephesus aufhielt. Der Apostel gedenkt aber dieses Umstandes doch gar schicklich; damit Timotheus erinnert werde, sich desto weniger Paulo zu entziehen, da dieser durch Absendung des Tychikus selbst schon gesorgt hatte, daß die Umstände in Ephesus nicht unberaten blieben. - Hat unser lieber Heiland jedesmal heißen die übrigen Brocken sammeln, daß nichts umkomme; so ist es einem Mann GOttes nicht unanständig, auch dergleichen Bedürfnisse, wie das vom Mantel ist, zu empfehlen. Ein Trunk kalten Wassers findet seinen Lohn (Matth. 10, 42), also gewiß auch die Pünktlichkeit und Treue in Besorgung solcher Dinge. Von den Büchern und Pergamenten vermuten Einige, es seinen Schriften der Evangelisten und Apostel gewesen, die Paulus als ein Gefangener sich nicht wohl getraut habe selbst nach Rom mitzunehmen, die er aber unter des Timotheus Händen sicherer fortzubringen hoffte. - Die Liebe rechnet freilich sonst das Böse nicht zu. Aber gegen einen lästernden Goliath macht sich David nicht klein. Bei aller geduldigen Hoffnung, Fersenstiche von aller Art zu leiden, bleibt doch Fassung und Ansprache, daß der HErr dem Satan und allen seinen Gehilfen den Kopf zertreten werde. Christus drohte nicht, da Er litt. Er stellte es aber doch Dem heim, der da recht richtet (1.Petr. 2, 23) . Unter der bewiesenen Sanftmut hat man die gültigste Ansprache an GOttes Vergeltungsrecht. Gib daß ich mit Tapferkeit Dich zu lieben sei bereit: wenn mich Pein nehmt ein, daß ich mög ein Lamm und Löwe vor Dir sein! Amen! Text: 2.Timotheus 4,16-18 Der Apostel gedenkt noch einiger Umstände, die den Timotheus in seiner Willigkeit, Paulum mit seinem Besuch zu unterstützen, fördern sollten. Es kommt uns fast unbegreiflich vor, wie bei der sonst so als brünstig beschriebenen Liebe der ersten Christen es habe geschehen können, daß ein so wichtiger Arbeiter in einer so schweren Sache ganz allein gelassen worden sei. Man muß sich aber den Zustand der Apostel überhaupt, und so auch ihre Leiden, indem sie darunter stunden, nicht schon mit all dem Sieg und Herrlichkeit beleuchtet vorstellen, so GOtt nachgehends darauf gelegt hat. Während sie darunter stunden, so war es, wie Christi Leiden selbst, ein wahrhaftiges Leiden, auch darin, daß es Anderen anstößig und ärgerlich vorkam. Wenn man es auch der Hauptsache nach für ein Leiden Christi erkannte, und daß es zur Verteidigung des Evangelii gereichte; so konnte man doch sonst leicht daran etwas ausklauben, daraus man sich so viel Anstoß machte, als genug war, daran einen Vorwand zu nehmen, daß man sich der Gemeinschaft daran entziehe. Das Ziel, das uns der HErr erbeten hat, daß wir Alle Eins seine, mithin auch, wo ein Glied leidet, auch Alle leiden, ist freilich groß und herrlich; Er wird es auch darauf hinausführen. Aber auf dem Weg ihm entgegen zu kommen, gibt es oft unbegreifliches Straucheln und Fallen. Oft muß auch ein solcher Fall, wobei man sich in seiner Schwäche kennengelernt hat, Einem zum Aufstehen und besseren Verhalten auf ein anderemal gereichen; wie den Jüngern ihr Fliehen beim Leiden ihres HErrn viel Tränen gekostet hat, unter welchen ihnen die Waffenrüstung mit Leidenssinn desto besser angelegt werden konnte. Es ist oft auch schon ein Zusammenfluß von Umständen, der ein solches Zerstreutwerden in das Seine veranlaßt; darüber eine gute Sache, und der so darüber leidet, allein gelassen wird. Das muß man denn als eine über unseren Glauben ergehende Läuterung annehmen; und in dem Ersatz, den der HErr tut, seine Seele setzen und stillen. Der Apostel hat es wirklich auch mehr einem schwachen Unterliegen unter einer damals besonders geschäftigen Macht der Finsternis, als einer vorsätzlichen Falschheit bei ihnen zugeschrieben; darum tritt er so mit seiner Fürbitte dazwischen. Es mag auch sein, daß er damit einen Unterschied machen will zwischen denen, die Andere abgeschreckt, dergleichen Alexander gewesen sein mag; und zwischen denen, die von einer solchen fremden Macht betäubt wurden. Daneben ist es ein Beweis von des Apostels Demut, darin er sich Anderer Liebe auch unwert achten konnte. Wer in der Liebe steht, und in GOtt ist, wird es mit seinen Ansprüchen nie so hoch spannen, oder so empfindlich sein, wenn gegen ihn etwas versäumt wird, sondern andere Umstände und daher rührendes zuweiliges Unvermögen auch zu Herzen nehmen. Ohne immer dazwischen kommendes Nachgeben und Vergeben, kann man nicht miteinander im Geleis der Liebe bleiben. Man bedenkt nicht, wie selten es ist, daß sich Jemand ganz in des Anderen Umstände hineinstellt; es muß ein Mensch selbst oft tief unter das Leiden gesteckt, und von Anderen dabei verlassen werden, bis er es nur erkennen lernt, wie oft er auch über dem Zerstreutwerden in das Seine einen Anderen allein gelassen habe, der etwas Besseres von ihm erwartet hätte. Aber das erfährt man denn auch, was es kostet, verlassen und doch gelassen zu sein. Der Vater läßt mich nicht allein; der Vater ist bei mir, war unseres lieben Heilands Halt (Joh. 16, 32) , und so erfuhr es auch Paulus.: Der HErr aber stand mir bei. Allgemeines Grundgesetz GOttes: Wo menschlicher Beistand ermangelt, da legt GOtt Ehre ein mit seinem Ersatz (Ps. 27, 9-10) . Er wendet sich zum Gebet des Verlassenen (Ps. 102, 15) . Wenn schon die Christen als Schlachtschafe geachtet sind, so widerfährt ihnen doch oft vor ihrer Übergabe in der Menschen Hände noch eine Rettung, und schafft ihnen Freiheit, zur Vollendung ihres Werks, daß auch Andere daran abnehmen können: sie sind nicht in den Willen ihrer Feinde dahingegeben, sondern GOtt hält auch über ihren Leiden seine Hand so genau, als sich dessen unser HErr getröstet hat (Luk. 13, 31-32) . - Eine damals nicht ungewöhnliche Art Christen hinzurichten, war auch diese, daß man sie wilden Tieren, besonders Löwen, vorwarf. Daher meinen Einige; der Apostel wolle sagen, diese Todesart habe GOtt von ihm abgewendet. Es ist aber fast wahrscheinlicher, er verstehe unter dieses Löwen Rachen den grausamen Kaiser Nero, oder einen seiner Gewaltigen, der stark auf Pauli Hinrichtung gedrungen, dessen Rat aber durch GOttes Rat zurückgetrieben worden. Daraus sollte Timotheus Zuversicht schöpfen, daß eine Reise nach Rom für ihn nicht gerade ein Sprung in des Todes Rachen sei, sondern daß er unter der Hand und dem Schutz eines HErrn reise, der auch Löwen den Rachen zuhalten könne. - Nun gibt sich aber Paulus doch vollends mit guter Hoffnung in sein letztes Leiden hinein, worunter seine Vollendung erreicht werden sollte. Das Einemal nimmt man die leibliche Erlösung an, das Anderemal greift man nach dem, was noch besser ist (Hebr. 11, 35) . Nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen hat der Christ beim Sterben. Der HErr wird mich erlösen von allem Bösen, und helfen da hinein, wo Königreich und Himmel, wo ewiges Gewimmel von Lieb und Lob und Dank wird sein! So laßt mich denn in Ruhe, fragt nicht mehr was ich tue? Ich tue, was ich will; ich will von hinnen gehen, um meinen HErrn zu sehen; Gottlob es schickt sich in der Still! Text: 2.Timotheus 4,19-22 Wechselseitige Grüße, nochmaliger Zuspruch zu baldigem Kommen, herzlicher Beschluß mit Segnen. Diese Grüße hat man wie von einem Sterbebett kommend anzusehen. Sieht man nun zurück auf Apg. 18, 2-3 , wie zufällig sich Pauli Bekanntschaft mit Aquila und Pricilla angesponnen, so verdient es einen Preis der Gnade, daß sie doch auf das ganze leben hinein zu so vielem Guten fruchtbar (Apg. 15, 26 ; Röm. 16, 3-4) und ihm noch am Ende seines Laufs so erquicklich geworden ist. Erastus war allem Ansehen nach von Korinth gebürtig, oder dort doch so angesessen (Röm. 16, 23) , daß er der Gemeinde Christi daselbst nützlich sein konnte. Einige verließen Paulum ohne Not und Grund; einen anderen erwünschten Gehilfen mußte er mit ihrem beiderseitigen Schmerzen krank zurücklassen. Dergleichen Übungen muß man sich auf dem Glaubensweg immer gefallen lassen, wie wir Phil. 2, 26-27 von Epaphrodito und seiner tödlichen Krankheit das namhafte Beispiel hatten. Denkt aber Jemand bei dem nochmaligen Zuspruch: tue Fleiß, daß du vor dem Winter kommst, muß man denn um einen Menschen, um seinen Umgang, um die verhoffte Handreichung von ihm sogar angelegentlich bitten? so antworte man: Erfahre nun vorher etwas von Pauli Leiden, von seinem Verlassensein darunter, von seinem Eifer für die Sache Christi; hernach urteile. Wir nehmen unsere Versäumnisse, daß wir einander nicht auch besser die Hände bieten in unseres Glaubens Schranken, viel zu gering. GOtt hat Jedem seinen Nächsten befohlen. - Die folgenden Grüße beweisen, daß Timotheus auch außer Paulo in Rom manche Seele antraf, deren Gemeinschaft ihm erquicklich sein konnte. Des Löwen Rachen daselbst durfte nicht Alles verschlingen. Unter dem Machtwort JEsu: laßt diese gehen, blieb Manches stehen. Das Höchste was der HErr JEsus den Seinen hinterläßt, war das Wort: Ich in euch (Joh. 14, 20) . Und auf dessen Grund wünscht Paulus dem Timotheus: Der HErr JEsus Christus sei mit deinem Geist, weil das besonders in Amtsnöten so unentbehrlich ist. Ein von dem HErrn JEsu bewohnter, und also in Kraft, Liebe und Zucht gehaltener Geist ist etwas anderes, als ein geschickter Kopf, auf welchen hin man jetzt Alles übernimmt. Paulus war versichert, daß Timotheus diesen Brief auch Anderen zu Ephesus und nach sonstiger Gelegenheit mitteilen werde, darum breitet er sich in seinem Schlußwunsch auch auf diese weiter vermutete Leser aus. Ja auch uns späten Nachkommen, denen zur Lehre auch dieser Brief geschrieben und gediehen ist, gilt der Glückwunsch desselben: die Gnade sei mit euch. Die Gnade in welcher etwas geschrieben ist, der Geist aus dem es geflossen, wirkt noch immer mit, wo es begierig gelesen, und der Gnade gemäß angewendet wird. Amen, die Gnade bewahre, und erwecke zur guten Stunde auch alle aus der Betrachtung dieses Briefs in unsere Herzen gefallene Wahrheit Körnlein der Wahrheit. Tue also mit mir, lieber HErr, wie Dir's gefällig ist; nur daß Dein Geist, was mir oft schwer, durch Deinen Tod versüßt. Ach drück mir deinen Leidenssinn doch täglich tiefer ein, daß mit Dir Sterben mir Gewinn, Dein Kreuz mir Ehre sein! Amen.
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