‏ Colossians 2

Text: Kolosser 2,1-5 Was der Apostel nächst zuvor von seinem Amtseifer und dessen guter Absicht überhaupt bezeugt, das deutet er nun noch näher auf die besondere Sorgfalt, die er der Kolosser halben trage. Lehrer, als Engel der Gemeinden, erinnern sich bei diesem ihrem schriftmäßigen Namen öfters, daß wie der Engel Dienst unsichtbarlich geschieht, so dient ein Lehrer gern, wenn Niemand auf ihn sieht, und lassen daher gern Manches von ihren Amtsarbeiten und Amtsleiden unter dieser sicheren Decke der Verborgenheit laufen. Doch kann es auch Umstände und Ursachen geben, warum man etwas davon wissen läßt, was im Verborgenen vorgeht. Seines Angedenkens vor GOtt, und das mit freudigem Lob, hat er sie oben (Kap. 3, 1) versichert. Der hier gemeldete Kampf aber betraf ihre Bewahrung und Wachstum an. Weil die Kolosser und Andere ihres gleichen das Evangelium nur von Epaphra empfangen hatten, so lag dem Apostel an, sie durch seine Beistimmung zu befestigen, und damit zugleich ihren Verführern den Vorwand abzuschneiden, daß sie keinen Apostel zum Lehrer gehabt, und also um so eher etwas zur Erstattung ihres Mangels nötig hätten. Auf das Herz, dessen Anfassung und erweckte Lust, haben die Apostel allermeist gearbeitet. Bei der sich immer wieder ansetzenden Trägheit und Härtigkeit bedarf es öfteren Ermahnens. So lange das Herz des Menschen nicht zum Glauben geneigt wird, so schlägt keine andere Art der Überzeugung bei ihm an. In natürlichen Dingen will der Mensch gern Alles mit eigenen Augen sehen, und besteht auf seiner eigenen Einsicht mehr, als auf dem, was ihm Andere sagen können. Im Reich der Gnade aber muß man so weichen Herzens werden, daß man aus Zusammenfassen in der Liebe vieles von Anderen Erfahrenes annimmt. Doch damit auch diese Willigkeit, sich sagen zu lassen, nicht wieder mißbraucht, und darunter eine ungesunde oder doch gestückelte Lehre ausgebracht und festgesetzt werde: so verhütet es der Apostel damit, daß er bei ihnen auf einen Reichtum und Fülle, auf eine eigene Festigkeit und gewissen Verstand dringt. Bei den Korinthern war mehr Einsicht und Wissen, aber weniger unterwürfige und nach Anderen sich richtende Liebe. Deswegen hat er ihnen ihr Wissen beschnitten, und sie zum Erstarken in der Liebe angeführt. Bei den Kolossern war mehr lenksame Liebe, aber ohne genugsames Licht. Darum hat er einen Kampf, daß ihre folgsame Liebe nicht mißbraucht würde, sondern sie geübte Sinne zum Prüfen erlangten. Doch begehrt sie Paulus in keine unbegrenzte Wissensbegierde hineinzujagen, dabei sie zuletzt nimmer wüßten, was sie suchten; sondern nennt ihnen Eins, an dem sie genug zu lernen haben werden, nämlich das Geheimnis , daraus man GOtt als Vater , und seinen Sohn als Christum und Gesandten von Ihm kennen lernt (Joh. 17, 3) . Es ist ein Geheimnis: Niemand kennt den Sohn, denn nur der Vater, und Niemand kommt zum Sohn, es ziehe ihn denn der Vater (Matth. 11, 27) . Darin fließt dann alle – Herz und Gewissen stillende Erkenntnis, alle in guten Werken fruchtbare Weisheit zusammen. GOtt hat es darein gelegt, und dem betenden, suchenden, anklopfenden Glauben wird es daraus täglich dargereicht. Und das preist der Apostel so an, daß sie von diesem köstlichen Eins Niemand verrücke, und in das Mannigfaltige zerstreue, und durch beredten Vortrag und scheinbare Gründe glaublich mache, als ob in etwas anderem mehr Weisheit zu suchen wäre. Bei all dieser geäußerten Bekümmernis verhütet der Apostel doch gleich wieder, daß sie es nicht zu ängstlich nähmen, sondern vielmehr von seiner guten Zuversicht, in deren er ihrethalben stehe, versichert wären. Text: Kolosser 2,6-10 Herzliche Ermahnung zum Bleiben in Christo und dringende Warnung, sich durch nichts von Christo und dem Genuß der vollen Genüge in Ihm abwendig machen zu lassen. Lieblicher könnte man den Glauben nicht beschreiben, als der Apostel hier tut: Ihr habt den HErrn JEsum Christum angenommen. Der ist freilich die größte Gabe, wie deswegen die Liebe GOttes darin aufs Höchste gepriesen wird, daß er seinen eingeborenen Sohn gab. Dies verkündigt das Evangelium nicht nur, daß wir eine Nachricht davon haben, sondern wer das Evangelium aufnimmt, der kommt dadurch in eine Gemeinschaft mit Christo JEsu selbst, hat Ihn selbst angenommen, und bekommt Ihn im Herzen wohnhaft. Nehmen konnte sich das Niemand; aber weil es bereitet, gegeben und angeboten ist, so kann man es annehmen, und das steht uns wohl an. Dazu hat nun der Glaube alle Förderung. Das Wort der Verheißung, darin Er als Christus, als der Gesalbte GOttes angemeldet worden ist, das Evangelium, das Ihn als JEsum mit Allem, was Er in der Welt zum Seligmachen des Verlorenen getan und gelitten hat, verkündigt, und das jetzt durch den Geist vom Himmel verklärte Evangelium, darin Er als der HErr und vollendete Ursächer unserer ewigen Seligkeit vorgehalten wird. – Des Apostels Aufmunterungswort: Wandelt in Ihm , sagt noch mehr als die Nachfolge in seinen Fußstapfen; deutet nämlich an, daß man zu solchem Wandeln, wie Er gewandelt hat, auch alle Kraft aus Christo nimmt, daß der Wandel eine aus Christo, dem Weinstock, gebrachte Frucht ist. Auch unter den beiderlei Abbildungen: gewurzelt und erbaut in Ihm , nimmt der Apostel Vieles zusammen. Denn das Gewurzeltwerden bildet uns ab, wie Alles wachstümlich aus dem unvergänglichen Samen des Evangeliums, der sich Tag und Nacht, ohne des Menschen jedesmaliges Mitwirken, forttreibt, seinen Gang habe. Das Erbautwerden bildet uns auch des Menschen anzuwendenden Fleiß und Treue ab. Der große Wechsel, nach welchem Christus an unsere Statt getreten, und wir in Ihn versetzt sind, ist der Kern des ganzen Evangeliums. Jetzt darin gewurzelt, gegründet und erbaut werden, bringt die Kraft, die unseren ganzen inneren Menschen belebt, und die des alten Menschen Geschäfte tötet. Erkenntnis all des Guten, das man hat in Christo JEsu, macht den Glauben fest und kräftig. Auf das, was man von Anfang an gehört, und was seine Kraft und Wahrheit durch die erste Veränderung des Sinns schon bewiesen hat, findet man gar viel Zurückweisen in der Apostel Schriften. Und es ist eine versuchliche Lüsternheit, wenn man an allem Fremden eher anbeißt, als beim vorigen Bewährten aushält. Der Glaube lebt bloß eines Anderen Gnade; darum schickt sich für ihn nichts besser, als reichlich dankbar sein . Je mehr uns so zum Fortkommen in des Glaubens Schranken die Hand geboten wird, je eher ist es zu verhüten, daß man nicht von Anderer Ansehen geblendet und wie ein angeworbener Raub weggeführt wird und um seine aus Christo erlangte Freiheit kommt. Dergleichen raubmäßiges Hinnehmen geschieht, wenn man viel von der großen Brauchbarkeit gewisser Einsichten rühmt, und dabei die Begierden sehr reizt, ehe man noch den Grund und die Wahrheit derselben faßlicher dargetan hat. So ging es damals, da man Manches aus der heidnischen Weltweisheit entlehnte, sonderlich auch aus den Aufsätzen der alten Morgenländer, und solche mit der Lehre Christi vermengte, unter der Hoffnung und dem scheinbaren Vorgeben, daß dadurch das Evangelium eine bessere Gestalt bekommen, überzeugender werden, und den Weisen dieser Welt mehr Genüge tun werde. Und so gibt es immer eine neue Mode, wo man mit mehrerem Schein der Weisheit die menschliche Wissensbegierde vergnügen und etwas aufstellen will, wobei man sich im Grund des Wissens mehr rühmt, als des Glaubens. Weil aber all dergleichen neue Trachten mehr versprechen, als sie wirklich halten, so heißt es der Apostel lose Verführung , oder eine falschberühmte Kunst, die nichts Weiteres gibt, und den Geschmack an den vorigen gesunden Worten und Wahrheiten wegraubt. Unter den Weltsatzungen versteht der Apostel nicht zunächst sündliche Gewohnheiten oder verderbliche Grundsätze der Welt, sondern hergebrachte und in der Welt fortgepflanzte Meinungen, die in vorigen Zeiten zu etwas mögen Dienst getan haben, die aber mit dem jetzigen Licht des Evangeliums nicht sollten verglichen oder vermengt werden. Denn zur Zeit, da GOtt alle Heiden ihre eigenen Wege wandeln ließ, verlieh Er doch gewisse Fußstapfen, darunter man etwas von Ihm und seiner Wahrheit aufsuchen konnte. Das war von seiten GOttes zu brauchbaren Anfangsgründen verliehen, von Seiten der Menschen aber ist es nicht so rein geblieben. Und wenn man nun das als kostbare Überbleibsel aus dem Altertum anpreisen wollte, so wäre das eben so viel, als wenn man Jemand über einen Haufen Auskehricht hinsetzen wollte, um ein darin verlorenes Perlein herauszusuchen; und so protestiert nun der Apostel, daß dies Zeug keine Weisheit sei nach Christo, nicht nach dem Vorbild seiner heilsamen Lehre, nicht aus seinem Geist, nicht mit der Beweisung der Kraft, die der Lehre Christi eigen ist, nicht daß es zu Christo führt, in welchem ja alles beisammen anzutreffen ist. Denn was der Vater dem Sohn, als seinem vollkommenen Ebenbild gegeben hat, das hat Er Alles auch in den heiligen Tempel seiner Menschheit gelegt, um von dort aus über uns auszufließen. Darum Ihn kennen, Ihn brauchen, von Ihm rühmen lernen: Ich habe Alles in Ihm, aber bin freilich auch an das Nehmen von Ihm, an das Bleiben in Ihm gewiesen; das ist der lautere evangelische Sinn, dem wir nachzujagen haben. Von dieser Herrlichkeit des HErrn JEsu zieht der Apostel das vorzügliche Stück an: daß Er das Haupt aller Fürstentümer und Obrigkeit sei ; weil ihnen unter der losen Verführung auch Vieles von engelischen und anderen himmlischen Kräften aufgedrungen wurde, wodurch die Kluft zwischen GOtt und uns ausgefüllt werden mußte. Dagegen behauptet der Apostel, wir haben Alles an Christo, mit dem wir in unmittelbarer Gemeinschaft stehen, und unter welchen, als das Haupt, sich auch die vornehmsten Engel, als unsere Mitknechte, hinstellen. Text: Kolosser 2,11-17 Die Fülle der Gnade in Christo, besonders aus der Gemeinschaft mit seinem Tod, Begräbnis und Auferstehung, und was daran für Freiheit vom Gesetz, vom bösen Gewissen, von der Obrigkeit der Finsternis hänge, und wie wir so getrost in solcher Freiheit bestehen sollen. Die Beschneidung im Alten Testament war eine mit dem Bund und Verheißung GOttes versüßte Bußpredigt über unsere sündliche Empfängnis und Geburt und über Alles durch die Fleischeslust im Menschen angerichtete Verderben. Sie betraf zwar nur die Vorhaut des Fleisches, war aber doch ein feierliches Bekenntnis, daß das ganze sündliche Fleisch müsse abgetan, und die Herrschaft der Sünde in unseren Gliedern abgeschafft werden. Da man nun den – zum Glauben an das Evangelium gebrachten Kolossern die Beschneidung als zur Seligkeit nötig aufdringen wollte, so sagt der Apostel: Das was bei der Beschneidung zu suchen wäre, das habt ihr vollkommen in Christo; in Ihm seid ihr beschnitten , auf eine Weise mit Kraft und Segen, so alles Vorige weit übertrifft. Die Beschneidung im Alten Testament geschah mit der Hand und scharfen Messern, und hinterließ am Leibe eine Wunde und Narbe. Diese Beschneidung aber wurde durch das Evangelium und den dazu gegebenen Glauben bewirkt, und also ohne Hände, und ohne sichtbare am Leib des Menschen haftende Spur. Durch das Abtun der Vorhaut bei der Beschneidung im Alten Testament wurde abgebildet, daß künftig eine Hilfe aus der Sünde geschafft werden solle, wodurch die Macht der Sünde in allen unseren Gliedern gebrochen, und ein neues Leben im Geist angelegt würde, wobei man sich vom Fleisch und seinem Sinn scheiden, und endlich ganz davon loskommen würde. Diesen Segen des Evangeliums heißt hier der Apostel die Beschneidung Christi , nämlich nicht die, so er am achten Tag selbst an seinem Fleisch vornehmen ließ, sondern die von Christo in seinem Reich nun eingeführte und gültige Beschneidung, die im Folgenden sogleich als eine Gemeinschaft mit Christi Tod und Grab beschrieben wird. Das Begräbnis geschah bei Christo zur Bestätigung seines Todes und daneben zum Ablegen der bis an das Kreuz und in den Tod hineingetragenen Gestalt des sündlichen Fleisches. Wenn uns nun hier eine Gemeinschaft mit Christi Begräbnis zugeschrieben wird; so wird dabei freilich Gemeinschaft mit seinem Kreuz und Tod vorausgesetzt. Nämlich am Kreuz und in seinem Tod ist der HErr JEsus allermeist als Der behandelt worden, den GOtt für uns zur Sünde gemacht hat. Im Grab aber hat er die bisher getragene Ähnlichkeit des sündlichen Fleisches abgelegt, und sich in dieser Kammer ins Leben der Herrlichkeit umgekleidet. In diesem Allem aber handelte Er als in unserer Person, und das Evangelium, das er uns nun davon predigen läßt, heißt uns glauben, wir seien mitgekreuzigt, mitgestorben, mitbegraben; wir dürfen uns dafür halten, und dorther unsere Versöhnung und Rechtfertigung, auch unsere Macht, das Fleisch gekreuzigt zu halten, herrechnen. Sobald wir uns dafür halten, daß wir mit Christo gekreuzigt, gestorben und begraben seien, so werden wir uns auch darnach halten. Dies beides wird durch den – dem Evangelio gegebenen und in der Taufe bestätigten Glauben in Richtigkeit gebracht, und durch jedesmalige Erneuerung unseres Taufsegens mit jeder – im guten Gewissen an GOtt gemachten Ansprache behauptet; und GOtt genehmigt und versiegelt es durch seinen Geist. Ist das nicht genug? Wer will bei der Beschneidung mit den Händen etwas gewinnen, das man nicht in JEsu und in dieser neutestamentlichen Beschneidung genießt? Im Grab hat Christus die Gestalt des sündlichen Fleisches abgelegt, und sein himmlischer Vater hat Ihn am dritten Tag von den Toten ausgeführt, und Ihn dadurch gerechtfertigt, oder aus aller Schmach und Schwachheit, in deren ER gekreuzigt ward, genommen, und Ihn kräftiglich als den Sohn GOttes erwiesen, durch den nun Alle zu GOtt kommen, und der der Ursächer ewiger Seligkeit sein würde; deswegen Er nun auch in seinem Namen durfte Buße und Vergebung der Sünden unter allen Völkern predigen lassen. Damit ist nun auch über uns die Rechtfertigung des Lebens gebracht, oder der große Gnadenrat GOttes festgesetzt worden, daß wir in Dem leben sollen, der für uns gestorben und auferstanden ist. Das Alles zusammen ist kein eigenmächtiger Gedanke, den sich Jeder geschwind aus eigener Vernunft und Kraft machen könnte, sondern es wird auf den Ruf des Heiligen Geistes durch das Evangelium mit Glauben gefaßt, welcher Glauben des Herzens aus solchem Wort der Gnade ist, und eine ganz neue Kreatur in Christo austrägt. Bei der Wirkung solches Glaubens beweist GOtt eben die Kraft, die ER in der Auferweckung Christi bewiesen hat (Eph. 1, 19 + 20) . Um Ihnen nun diesen Glauben und dessen Wirkungen im Herzen, aber auch die Versäumnis dieser Gnade, desto bedenklicher zu machen, hält er ihnen noch einmal ihr tiefes Verderben von Natur vor, und wie doch keiner um seiner von Adam her geerbten Vorhaut seines Fleisches, auch nicht um aller davon ausgebrochenen wirklichen Sünden willen in das Verderben kommen, sondern GOtt ihm vorher über dies Alles ein Nichtzurechnen, Schenken und Vergeben anbieten lasse, und erst der Unglaube, oder die Verachtung und Versäumnis dieser Vergebungsgnade einen Menschen verdammen. – Wie gründlich es aber bei diesem Nichtzurechnen oder Schenken aller Sünden zugehe, stellt der Apostel nun weiter durch die ausgetilgte und aufgehobene Handschrift vor. Durch eine Handschrift nämlich und derselben Aufweisen wird ein Schuldner so eingetrieben, daß er sich schuldig geben muß. So hat GOtt mit seiner Schrift und heiligen Gesetz Alles beschlossen unter die Sünde, und der Mensch kann dieser Kraft des Gesetzes nicht ausweichen, sondern muß sie in seinem Gewissen gelten lassen, mithin nicht nur die gerechte und heilige Anforderung des Gesetzes, sondern auch die Beschuldigung, Fluch und Strafankündigung daraus übernehmen, und sich dazu bekennen. Dadurch entsteht eine Handschrift, durch die GOtt, so oft Er mit uns in das Gericht geht, unsere Sünden und Schulden liquid und unleugbar machen, unseren Mund stopfen, und sich uns schuldig machen kann. Diese Handschrift ist wider uns und uns entgegen , sie greift uns wirklich an, treibt uns mit ihrer Anklage ein, oder liegt doch als ein Zeugnis da, das sich heute und morgen wider uns aufmachen kann. Von den jährlichen Opfern am Versöhnungstag sagt der Apostel (Hebr. 10, 2 + 3) es sei dadurch ein Gedächtnis der Sünden geschehen, und wenn die, so da opfern, kein Gewissen von der Sünde mehr gehabt hätten, so hätte das Opfern aufgehört. So aber haben sie damit ihren Schuldbrief jährlich erneuern müssen. Durch die im Evangelium festgesetzten Schlüsse und ausgekündigten Frieden aber ist diese Handschrift ausgetilgt, und als am Kreuz durchlöchert und aus dem Mittel getan ausgekündigt worden. Das Durchlöchern und Zerreißen einer Handschrift benimmt ihr schon ihre Gültigkeit und Beweiskraft, doch kann man sie noch weiter kassieren, und aus dem Mittel tun. So ist am Kreuz unsere Schuld und Strafe aufgehoben, die Missetat versöhnt, und also die Handschrift angeheftet worden. Da GOtt aber unseren Bürgen und Zähler durch die Auferstehung gerechtfertigt hatte, so hatte Er die – von Ihm übernommene Handschrift und Schuldbrief völlig aus dem Mittel getan. Mit einer Sicherheit, welche sich die Sünde nur aus dem Sinn schlagen will, wird die Handschrift nicht getilgt (1.Joh. 1, 10) . Eingestehen der Schuld, Verspruch der Besserung hilft auch nicht, schreibt nur eine neue Handschrift, die dem Menschen hintennach bei dazu kommender Untreue und Schwachheit, sein Versprechen zu halten, nur desto mehr Not macht. Der Glaube, den GOtt wirkt (V. 12), vernimmt, mit vorgängiger Beugung unter GOttes Gericht, mit Eingeständnis seiner auch im Gewissen haftenden Handschrift, dasjenige, was am Kreuz seinethalben vorgegangen ist, kriecht zum Kreuz herzu, und empfängt den Segen des Neuen Testaments in Freiheit vom bösen Gewissen und vom Gesetz, das die Kraft der Sünde ist, und alle diejenigen verfolgt und hebt, die sich auf einem eigenen Weg helfen wollen. – Unter Fürstentümern und Gewaltigen deutet die apostolische Rede sonst auch gute Engel an, hier aber kommen Ausdrücke vor, die nur von Feinden und deren gewaltiger Niederlage gebraucht werden können. Daher man hier den Teufel und seine Engel, die auch eine reichsmäßige Verfassung unter sich haben, verstehen mag. Bei diesen aber hat man nicht nur an ihr Werk und Geschäft in diesem oder jenem Kind des Unglaubens zu denken, sondern muß das Reich der Finsternis mehr in seiner Ausbreitung und Einwirkung über den ganzen Erdboden ansehen. Diesen in Verführung der Menschen und Aufhalten der Wahrheit geschäftigen Feind hat Christus überwunden, und ihm seinen Harnisch, darauf er sich verließ, ausgezogen. Der Anfang zu diesem Sieg wurde schon in der großen Versuchung in der Wüste gemacht, und durch das ganze Leben Christi fortgesetzt, bis es unter dem letzten Leiden und bei JEsu Tod zur völligen Entscheidung kam, welche, das über die Welt ergehende Gericht heißt, wobei der Fürst dieser Welt ausgestoßen ward (Joh. 12, 31) . Vor GOtt dem himmlischen Vater lief es durch das Gericht, und auf Seiten des zum neuen Stammvater des menschlichen Geschlechts gesetzten Kämpfers ging es durch viel Gehorsam, Geduld und Verleugnungstreue. Gleich nach dem Tod Christi zeigten sich im Unsichtbaren Wirkungen, daß Er von keinen Todes = und Höllen = Banden könne gehalten werden, vielmehr Er in seinem lebendig gemachten Geist sich auch in dortigen Gegenden als das Haupt zeigte, unter das künftig Alles verfaßt werden sollte. Durch seine Auferstehung und Himmelfahrt aber ging dieser Sieg noch weiter. Denn da GOtt den – durch Leiden des Todes vollendeten Herzog der Seligkeit mit Preis und Ehre krönte, und Ihn über Tote und Lebendige zum HErrn setzte, so wurde damit der Teufel, der bisher des Todes Gewalt hatte und darunter viel finstere Kräfte ausübte, als besiegt aufgeführt. Daher es auch von dem – in der ganzen Welt gepredigten Evangelium einen Hauptteil ausmacht, daß der Fürst dieser Welt gerichtet sei. Und das geht nun so fort, bis es zu dem Sieg, wird hinausgeführt sein ( Offb. 20) . Aber auch diese an sich so tief in das Unsichtbare hineinreichenden Nachrichten und Wahrheiten sind nicht zum leeren Wissen, sondern zu einer tätigen Weisheit verliehen, die der Apostel nun gleich daraus herleitet. – Niemand , sagt er: Es gibt nämlich oft besonders hoffärtige Geister, die nicht ohne eine solche Unterstützung aus dem Unsichtbaren sich viel über Andere herausnehmen. Aber der Apostel drückt Alles nieder. Niemand, sagt er, richte es so, daß ihr euch mit eurem Gewissen unter sein Urteil hinunter gebt. Auch nur nach der Natur ist es so etwas Edles um das Gewissen, noch mehr, wenn es durch das Blut Christi gereinigt ist, daß man es unter keinen Menschen hinuntergeben soll. Freilich, wo mir Jemand dartun kann, daß ich nicht nach der Wahrheit des Evangeliums wandle, da hat auch ein Petrus sich unter eine Bestrafung Pauli hinunter zu geben; aber in Dingen, worin GOtt seiner Kinder Herz nicht beschwert haben will, da soll man sich nicht richten lassen. In Liebe nachgeben könnte man. Aber wenn der Andere eine Unterwürfigkeit des Gewissens fordert, da hat man ihm zu zeigen, daß ein gutes Gewissen kein blödes Gewissen ist. Auch unter dem Vorwand der geistlichen Gemeinschaft kann man sich zu viel über Andere herausnehmen. Lauterkeit, Eintracht und Freiheit müssen uns immer die rechten Schranken setzen. Lauterkeit, die GOtt sucht, und an Sein Wort sich hält, und das Heil in Christo ergreift, als ob ich allein in der Welt wäre, den es anginge; Eintracht, die sich an alle zu gleichem Ziel Berufene und Laufende mit dienstfertiger Liebe anschließt; Freiheit, die Keinen an sich bindet, und an keinen sich hängt in Dingen, die mich in verordnetem Lauf weder hindern noch fördern. – Hinter dem Enthalten von Speise und Trank konnten auch böse Geister stecken. Man vergleiche 1.Tim. 4 . Denn es gibt großen und leeren Schein, und greift den fleischlichen Sinn nicht in seiner Wurzel an. Der Sabbat und dessen Feier stammte freilich schon vom Paradies her, und wurde zum Angedenken der Schöpfung und der in GOtt zu suchenden Ruhe gestiftet. Bei der Gebung des Gesetzes aber wurde die Sabbatfeier nicht nur erneuert, sondern auch mit vielen neuen Umständen belegt. Seitdem machte der Sabbat auch einen Teil von der zwischen Israel und den anderen Völkern gemachten Schiedwand aus. Da nun der HErr JEsus kam, und im Evangelium den Frieden predigte, um die zerstreuten Kinder GOttes zusammen zu bringen, so brach Er, wie andere Zäune, also auch den – mit dem levitischen Gottesdienst zusammenhängenden Sabbat ab; löste damit aber nichts von dem Gesetz und den Propheten auf, sondern erfüllte, führte es dem Geist und der Kraft nach höher, aber doch im Gewissen freier; davon die Verlegungdes Sabbatsauf den Sonntageine entscheidende Probe gab. Wer also hinter dem Vorwand des Sabbats sich stecken, und auch anderen Unterschied der Zeiten, wie ein Joch, auflegen wollte, dem mußte man so begegnen, wie der Apostel hiermit tut, und sagt: Unterschied der Speisen, der Zeiten und dergleichen hat wohl als ein Schatten dienen, schattenmäßig abbilden können, daß GOtt an denen, die zu Ihm nahen, geheiligt sein wolle, daß sich sein eigentümliches Volk nicht gemein machen solle; es hat auch die Anbetung GOttes darunter gefördert, und die künftige Ruhe darunter abgebildet werden können; aber der Körper , das Wesen, die Wahrheit, die bis zur Vollendung des Gewissens hinreichende Reinigkeit zc. ist in Christo . Text: Kolosser 2,18-23 Weitere Ermahnung, über seiner Gewissensfreiheit zu halten, und sich durch keinerlei Vorwand unter ein neues Joch fangen zu lassen. Bei den alten Kampf = und Lauf = Spielen waren auch solche Aufseher, welche Andere anfrischten, ihnen einen guten Vorteil zeigten, und sie mit dem Kleinod aufmunterten. Daher nimmt nun der Apostel Anlaß, sie zu verwarnen, daß sie in ihrem Christenberuf und Kampf Niemand eine solche falsche Meisterschaft an ihnen ausüben möchte, und sie Keinem gestatteten, ihnen so vorzuschreiben, und sie wohl gar mit dem Verlust des Kleinods zu bedrohen, um sie in seine geisttreiberische Sachen hineinzujagen. Davon macht er jetzt besonders die Verehrung der Engel namhaft, die man unter dem Schein der Demut und Sinnes = Niedrigkeit aufdringen wollte, als ob wir nicht so geraden Zugang zu GOtt und seiner Gnade nehmen, sondern uns dieser Vermittlung aus schuldiger Demut bedienen sollten. Aber die eigene Wahl, die darunter steckt, verderbt Alles. Die eigene Wahl macht selbst die Demut zur Aufgeblasenheit. Es hat ein Jeder so eine eigene Herzens = Ecke, darin schnelle Vorurteile stecken, die in natürlichen und geistlichen Dingen geschwind ausbrechen, und nach denen man hurtig auf etwas hinfallen, oder unbedachtsam etwas wegschätzen kann. Bei der täglichen Veränderung und Erneuerung unseres Sinns soll es eine Hauptübung ausmachen: Brich der Natur Gewalt entzwei, und mache von mir selbst mich frei! Damit man doch in Allem unter GOtt, unter den Ausschlag seines Worts, unter die zarten Triebe seines Geistes gebeugt sei. Es ist aus Verschonung GOttes gegen uns geschehen, daß er uns in seinem Wort nicht zu viel überladen hat mit dem, dessen wir keines gesehen haben. Wer diese Mäßigung der geläuterten Worte GOttes nicht erkennt, sondern sich aus anderwärtigem Vorrat Kenntnisse zu sammeln meint, daß er in diesem Allem wie daheim zu sein sich einbildet, der verführt sein Herz und Andere mit. Denn über Allem, was man Eigenes zu haben meint, sollte es auch eine eigene Demut sein, wird man aufgeblasen. Und so kann der fleischliche, eigenliebige, kurzsichtige Menschensinn auch an geistlichen Dingen eine Nahrung für sich suchen. Aus dem Haupt Christo, und der oben gepriesenen Fülle der Gnade in Ihm fließen alle Kräfte des Lebens, des Lichts, der Erkenntnis, des Muts zur Bekenntnis, der Gewißheit, der Festigkeit zc. aus; und da die Glieder, die diesen Leib ausmachen, in mancherlei Verbindung miteinander stehen, und einander von unterschiedlichen Seiten anfassen können, so gibt das Gelenke und Fugen, dadurch man Handreichung empfängt, und auch wieder über Andere ausfließen läßt. Und darunter treibt sich ein Wachstum GOttes; anfangs unansehnlich, unmerklich; aber anhaltend, gleich in alle Glieder und Kräfte, daß es ein Starkwerden am inwendigen Menschen, nicht nur an einem in eigener Wahl herausgenommenen Glied heißt; und wer sich bei diesem Wachstum auch an Andere hält, seine Einsichten, Gaben, Triebe von Anderen auch prüfen läßt, aus ihren Gaben, Einsichten, Zeugnissen sich zu erwecken, zu läutern bedacht ist, der wird darunter von mancher Eigenheit verwahrt. – Von den Satzungen der Welt haben wir schon oben gehört, daß der Apostel hierdurch nicht den eitlen Wandel nach väterlicher Weise und sündliche Gewohnheiten versteht, sondern die aus den ersten Unterweisungen GOttes durch Wort und Werk gezogenen Lehren, und daher in der Welt fortgepflanzte Meinungen, worunter sich zwar bei allen Völkern noch etwas von Religion, Gottesdienst, Begierde GOtt zu versöhnen zc. erhalten hat, aber das eben, wie sogar der in die Augen fallende Opferdienst Alten Testaments nach der damaligen Minderjährigkeit des Volks eingerichtet war. Von solcherlei Übungen und dem Gesuch eines Trostes und Vertrauen darauf wird man nicht gründlich los, wenn man sich bloß im Unglauben losreißen will. Das sieht man an denen, welche aus dem Unglauben wieder so schnell auf den Aberglauben kommen, d. i. die, wenn sie das Einemal im Unglauben alle Seile zerreißen, und alle Bande der Wahrheit von sich werfen wollen; so suchen sie über eine Weile wieder bei einbrechender Not ihres Gewissens in den schwächsten Satzungen der Welt bei Gelübden, Fasten, Almosengeben, einen Trost. Aber mit Christo diesen Weltsatzungen absterben, das trägt wahre Freiheit aus. Nämlich da Christus am Kreuz die Sünde weggenommen, und eine ewige Erlösung gebracht hat, da sind wir in Freiheit gesetzt worden, daß wir Versöhnung, Vergebung, Friede des Gewissens, Zugang zu GOtt, Dienst GOttes im Geist nicht in dergleichen dürftigen und die Sünde nirgends in ihrer Wurzel angreifenden Übungen suchen dürfen. Wer mit Christo gestorben ist, darf seinem alten Menschen nicht erst durch Abbruch einer Speise oder durch Anlegung einer rauhen Kleidung oder Übernahme einer beschwerlichen Wallfahrt und dergleichen wehe tun, oder ihm den Tod drohen. Gemeinschaft mit Christo Tod reicht auf einmal weiter, und trifft dem alten Menschen das Herz, und bricht damit auch die Macht der Sünde hundertmal mehr, als durch Beobachtung aller solcher Weltsatzungen geschehen könnte. Daher bringt auch Gemeinschaft mit Christi Tod eine solche rechtmäßige Freiheit davon, weil man nichts dem Fleisch und dessen Lüsten Vorteilhaftes, sondern nur dem Geist und dessen Verlangen Erquickliches darunter sucht. Aus der Gemeinschaft mit Christi Tod aber entsteht ein in GOtt verborgenes Leben (Kap. 3, 3) , wobei man GOtt im Geist dient, und mit seiner Freiwilligkeit, GOtt zu dienen, und mit seinem Ernst, des Fleisches Geschäfte zu töten, ganz auf das Innere gerichtet ist. Durch Hingeben unter äußerliche Satzungen aber gibt es ein Leben, das mehr von außen etwas gleich sieht, hinter dem aber von Innen wenig Nachdruck ist. Darum fragt nun der Apostel: Warum tut ihr, als müßtet ihr euer Leben nach dem äußerlichen Schein richten, als wolltet ihr die Führung eures Christentums in das Weltmäßige, Geschminkte und Theatralische ausarten lassen? Die Worte, die der Apostel anführt: Du sollst das nicht angreifen zc. mögen entweder die eigenen Worte solcher Gesetztreiber gewesen sein, oder mag es ihnen der Apostel damit ihnen auf der schwachen Seite vorhalten, damit sie desto eher nachdächten, ob denn das zur Gemeinschaft mit GOtt so besonders fördern, ob man mit dieser Sorgfalt, sich hierin nicht zu beflecken, so viel gewinnen werde? Was zum Munde eingeht, sagt der Heiland, das verunreinigt den Menschen nicht; und so sagt der Apostel, in dem, was sich so schnell unter den Händen verzehrt, ist nicht so viel zu suchen, als diese Weltsatzungen darein setzen. Wem es Ernst ist, sein Fleische anzugreifen, der muß es in solchen Geschäften tun, die aus dem Herzen herauskommen. Aber Menschengebot und Lehre beschäftigt sich eben mit dem Äußerlichen, und trifft weder den Hauptsitz der Sünde, noch das Geschäft der Gnade. Inmittelst können doch die, so es gebieterisch treiben, und die, so sich davon gefangen nehmen lassen, sich einen Schein der Weisheit geben. Denn, wenn es nur etwas anders ist, als die zum Seligmachen von GOtt beliebte törichte Predigt des Kreuzes, so erlangt es unter den Menschen leicht einen Schein und Ruf der Weisheit. Aber was ist es? Da kommt alle zehn Jahre eine andere Mode auf, und über eine Weile wird eine alte Mode wieder neu; wie man jetzt heut zu Tage wieder mit der Geisterwelt und Nachrichten daraus sich einen Schein der Weisheit geben kann; und was man hernach aus Rücksicht auf solche Dinge für selbst erwählte Demut üben, und Eigenes haben will. Bei Enthaltung von Speise und Trank, bei Übernahme der Beschneidung an Erwachsenen schien es über den Leib hart herzugehen. Der Apostel aber tut doch den ernstlichen Ausspruch darüber: Es ist in keinem Wert; vergeblich dienen sie mir, spricht GOtt; in Christo JEsu gilt nichts: Denn das Fleisch und sein Sinn sucht und findet doch seine Ersättigung darunter. Man kann dem Leib streng sein, aber das Fleisch, das Vertrauen auf das Fleisch, und den Dienst im alten Wesen des Fleisches, die Einbildung von sich selbst wird doch darunter genährt. Das Richten und Meistern über Anderer Gewissen verrät doch den fleischlichen Sinn. JEsus und sein Geist haben ein Treiben von anderer Art, übertreiben Niemand, und bringen es doch zu einem ganz anderen Sieg über den Fleisches = Sinn. Der alte Mensch kann sich wohl einen Streich an ein Bein oder anderes Glied geben lassen, wenn er nur Haupt und Herz ganz davon bringt. In der Gemeinschaft des Kreuzes und Todes Christi aber wird die eigene Wahl, der Kopf des alten Menschen, und die böse Lust, das Herz desselben, zum Aufhören angegriffen; darum fällt das Fleisch auf Alles eher, um nur diesem Tod zu entgehen.
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