Galatians 3
Text: Galater 3,1-5 Hier fängt der Hauptbeweis an, in welchem Paulus dem Gesetz die Kraft, gerecht und selig zu machen, völlig abspricht; hingegen das Evangelium und den Glauben daran als den einigen Weg in das Leben preist, und dabei sich zuvörderst auf der Galater eigene Erfahrung beruft. Die Süßigkeit seiner erst bezeugten Ruhe, die er unter dem Kreuz JEsu finde, gibt ihm so eine scharfe Ansprache in den Mund, dergleichen auch der auferstandene JEsus geführt ( Luk. 24, 25 ). O Liebhabers = Schläge die es gut meinen! ( Sprüche 27, 6 ) Daß er sie mit ihrem Landesnamen Galater heißt, klingt in allerwege etwas fremd; doch ist nicht zu vermuten, daß er ihnen darunter einen Nationalfehler hätte vorrücken wollen. – Was in der Welt für große Weisheit gepriesen wird, heißt im Reich GOttes eine Unbesonnenheit (1.Kor. 1, 20). Bei der schnellen Abwendung ( Kap. 1, 6) ist es nicht natürlich zugegangen; es sind Kräfte und Wirkungen vom Fürsten der Welt mit untergelaufen ( 2.Kor. 4, 4 und 11, 3: Dort heißt es ein Verblenden der Sinne). Das ist der Lohn für das, wenn man seine Ohren zu so viel entbehrlichem Zeug herleiht. O GOtt, bewahre mich, daß mir Manches nicht zu Gesicht kommt, das zu solcher Bezauberung ausschlagen könnte! – Das Gesicht hält man sonst für den lebhaftesten Sinn, und was uns durchs Gesicht eingedrückt wird, bleibt am festesten, ist auch am sichersten zu prüfen. Darum beschreibt nun der Apostel die kräftige Wirkung seiner Predigt von Christo nach seiner Person und Mittleramt unter ihnen als ein vor die Augen Malen. Weil es durch die Predigt geschah, so ging es eigentlich durch das Gehör, aber mit der lebhaftesten Wirkung einer Darstellung, als durch das Gesicht. Die Frucht und Kraft des Kreuzes und Todes JEsu, auch unsere Gemeinschaft daran, und unsere daher stammende Rechtfertigung von der Sünde wird dem Glauben als immer frisch und neu vorgehalten, wie der Mittler zwischen GOtt und Menschen selbst, das Lamm im Thron, als jetzt geschlachtet, bleibt. – An den Sinn, als ob Christus durch der Galater Rückfall unter ihnen wie gekreuzigt worden wäre, ist nicht wohl zu gedenken. Ein Anderes war ein Rückfall in das Judentum, wodurch Jemand die Kreuzigung Christi als ein Gericht, das er sich selbst zugezogen, gut hieß und billigte, eben damit also sich den Sohn GOttes noch einmal kreuzigte (Hebr. 6, 6) . Von der Art war der Galater Rückfall nicht. Sie meinten durch Andere nur weiter gebracht zu sein, als durch Pauli Lehre; deswegen sagt er: ich will von euch lernen. Zunächst war die Frage von der Rechtfertigung; aber an dieser hängt das Siegel des Geistes. Der Apostel fragt also nach dem, was deutlicher unter die Prüfung konnte genommen werden. Sünde und Gerechtigkeit, der Sünde Erkenntnis aus dem Gesetz mit einem bis in den Tod drückenden Zorn GOttes und die Gabe des Geistes mit der durch den Geist im Herzen ausgegossenen Liebe GOttes, machen einen vollkommenen Gegensatz aus. Die Gerechtigkeit ist aus dem Glauben, an der Gerechtigkeit hängt die Kindschaft GOttes, deren Siegel der Geist der Kindschaft ist, mit seinem Trieb zum kindlichen Beten und gottseligen Leben. Die Fragen dienten gar eigentlich dazu, die Bezauberung zu zerstreuen. Mit der im Evangelio angewiesenen Art, selig zu werden, wie der Geist zum Glauben bringt, wie der Glaube durch den Geist versiegelt wird, und vom Geist her im Menschen Alles ein neues Wesen, eine Willigkeit, ein Leben, eine Kraft und Nachdruck hat, hatten sie angefangen; nun wollten sie mit der Art, die Seligkeit durch Werke des Gesetzes zu erlangen, wobei man sich des Fleisches rühmen kann, und diejenigen, welche einen dazu gebracht, einen fleischlichen Ruhm treiben, daß man ihre Partei verstärkt habe, weiter kommen. Das war ja unverständig. Bei dem Weg, wie man zum Glauben gebracht wird, gibt es zwar nicht gerade Viel für den Menschen zu tun, aber doch Manches zu leiden, manche geistliche Geburtsschmerzen durchzumachen. Die evangelische Predigt: Nun kreuch zum Kreuz herzu; so sanft sie klingt, so kostet es doch den Menschen etwas, sich dem Glauben zu unterwerfen. Doch dringt oft die erste Freude und Liebe zur Wahrheit durch; aber unter der folgenden Läuterung kann es erst noch Anstand finden. Der Apostel versäumt auch nicht, sie auf Das zu führen, daß es jedoch eine Weile Bestand bei ihnen gehabt, und es nicht an manchen dargereichten Kräften und Früchten des Geistes gefehlt habe. Ihr liefet fein (Kap. 5, 7). Wer reicht euch dies dar? – In Absicht auf die noch fortwährende Gefahr, bezaubert und vom Aufsehen auf Christum verrückt zu werden, schreibt der selige Luther: "Ich kann noch heutiges Tages den Satan nicht so von mir wegweisen und abtreiben, wie ich gern wollte; kann auch Christum nicht so ergreifen und fassen, wie mir ihn die Schrift vorstellt; sondern der Teufel hat immerdar die Sucht, daß er mir einen Christum einbilden will. Doch sollen wir unserem lieben HErrn GOtt danken, der uns bisher in seinem Heiligen Wort, Glauben und Gebet erhält, daß wir wissen, wie wir in der Demut und Furcht vor Ihm wandeln sollen, und auf unsere eigene Weisheit, Gerechtigkeit, Kunst und Stärke uns gar nicht verlassen, sondern uns allein der Stärke und Kraft Christi trösten, welche allewege gewaltig und stark genug ist, ob wir gleich matt und schwach sind, und durch seine Gewalt und Stärke in uns armen und schwachen Kreaturen doch immerdar siegt, welchem sei Lob und Ehre gesagt in Ewigkeit!" Amen. Text: Galater 3,6-14 Weiterer Beweis, daß wir nicht durch die Werke, sondern durch den Glauben gerecht werden, aus dem Exempel Abrahams, und aus Gegeneinanderhaltung des Gesetzes und des Evangelii und ihrer beiderseitigen unleugbaren Wirkungen. Was bei euch durch das Evangelium oder die Predigt vom Glauben geschehen ist, das geschah bei Abraham eben so durch das Wort der Verheißung. Abraham aber ist ja nicht nur der Stammvater der Juden, auf den sich GOtt immer gegen sie bezogen hat, als auf den, mit dem Er seinen Bund aufgerichtet habe, sondern auch der Vater aller Gläubigen, durch dessen Samen der Segen über alle Geschlechter der Erden kommen würde. Daher freilich Abrahams Rechtfertigung ein Bild aller wahren Rechtfertigung ist. An Abraham ist der Weg zur Seligkeit für alle Nachkommen geoffenbart worden. Wodurch Abraham gerechtfertigt worden ist, das ist dasjenige, wodurch auch andere gerechtfertigt werden. Unter der Verheißung der zahlreichen Nachkommenschaft, welche Abraham mit Glauben faßte, war ja auch die Verheißung von dem Samen, durch den der Segen käme; der eine solche zahlreiche Nachkommenschaft erst erwünscht machte. – Das Zurechnen zur Gerechtigkeit beruht allermeist auf GOttes Wohlgefallen am Glauben, und auf der Erfüllung seiner Verheißungen, denen der Glaube traut. Zwar gibt auch der Glaube GOtt die Ehre, und ist in diesem Betracht größer, als sonst irgend ein Werk. Aber auch der Glaube kann GOtt nicht immer so willig, so völlig, mit Besiegung aller aus der Vernunft aufsteigenden Zweifel die Ehre geben, wie er sollte. Darum tut doch GOttes gnädiges Zurechnen das Beste, nach welchem Wohlgefallen seines Willens er auch ein schwaches Glaubens = Fünklein zur Gerechtigkeit rechnet; und daher kann ich versichert sein, daß, ob ich auch an Seinem gnädigen Willen, welchen Er gegen mich hat, bisweilen etwas zweifle, Ihm mißtraue, im Geist traurig und schwermütig werde, ich doch mit dem breiten Himmel Seiner Verheißungen, und besonders Seiner Vergebungsgnade umgeben und bedeckt bin, und mir auch darin Sein gnädiges Zurechnen zu Statten kommt. Glauben und Vernunft überwerfen sich oft lange miteinander im Herzen, wie zu Abrahams Glauben ein Sieg über das nächste Ansehen nach der Vernunft nötig war. Doch wenn nun der Glaube siegt, und diese Feindin GOttes, die GOtt nicht trauen will, so weit unterwirft, daß sie nicht über GOttes Wort Richterin zu sein sich unterstehen darf! – Die Schlußarten unseres lieben Heilandes selbst, und so hier auch des Apostels, lehren uns, daß man beim Lesen der Schrift nicht nur auf Das achten müsse, was mit ausgedrückten Worten dasteht; sondern auch auf Das, was dem Sinn und Geist und deutlichen Folgen nach darin liegt. Den Saduzäern wird es, Matth. 22, 29 als ein Nichtwissen der Schrift angerechnet, daß sie die deutliche Folge auf die Auferstehung nicht eingesehen haben. Die des Glaubens sind, und durch Glauben zu GOtt kommen, und GOtt wohlgefallen, sind Abrahams Kinder, und stehen also im Bund GOttes mit Abraham gemacht, und auf seinen Samen oder Kinder fortgeerbt. Wenn man also schon die Beschneidung nicht hat, wenn man nur Abrahams Glauben hat, so ist einem die Würde, sein Kind und Miterbe seiner Verheißung zu sein, nicht abgesagt. Die Fußstapfen des Glaubens und der Wandel darin machen es aus (Röm. 4, 12). Die Schrift, und der darin redet, GOtt, dem alle Seine Werke von der Welt her bewußt sind, hat es schon vor dem Gesicht gehabt, wie er die Heiden zur Gerechtigkeit bringen wolle. O Mensch, sei versichert, auch alle deine Anfechtungen und Bedürfnisse hat Er vorausgesehen. Gehe nur mit der Zuversicht an die Schrift, GOttes Tröstungen darin zu suchen. Das Evangelium ist keine so neue Lehre; dem Grund nach ist sie dem Abraham schon verkündigt worden: In dir, weil aus dir Der kommt, in welchem der Segen über Alle kommt, werden alle Geschlechte gesegnet, vom Fluch, vom Zorn erlöst, am Herzen gereinigt, zur Gemeinschaft GOttes und Erbschaft seines Reichs tüchtig gemacht. O wer liest das Alte Testament genug mit dem Sinn, um überall Christum so darin zu finden? – Nicht um Abrahams willen, aber mit dem gläubigen Abraham, werden als Miterben seiner Verheißung Alle gesegnet, die nach ihrem ganzen Sinn und Vertrauen im Glauben stehen. Der Apostel führt es wieder auf den entscheidenden Hauptpunkt: Wie man dem Fluch und dem auf uns gelegten zukünftigen Zorn und dessen Offenbarung entrinnen wolle? Von wem man sich darin den Weg wolle zeigen lassen? Wer da mit gestückelten Werken des Gesetzes umgehe, und damit ausreichen wolle, der werde vom Gesetz gefangen gehalten. Denn den beständigen und vollkommenen, vom Gesetz erforderten Gehorsam bringe Keiner auf; mithin treffe ihn der Fluch. Eben deswegen hat ja die Schrift einen anderen richtigen Weg angewiesen. Wer die Sache immer als vor GOtt und in Seiner Gerichtsstube behandelt, dem kann es bald offenbar und außer Streit gesetzt sein. Ließe sich aber nicht Beides, das Gesetz und der Glaube vereinigen, daß man halb aus dem Glauben und halb aus dem Gesetz selig würde? O nein; das Gesetz treibt auf das Tun; der Glaube hängt an der Verheißung. Zwischen Beiden läßt sich das Herz nicht teilen. Christus aber, der ja nicht vergeblich gestorben (Kap. 2, 21) , nicht vergeblich für uns zur Sünde gemacht sein kann, hat uns von Allem, was wir uns durch unseren Ungehorsam zugezogen haben, von Allem, wovon wir durch das Gesetz nicht frei werden konnten, erlöst. Er war unschuldig, wußte von keiner Sünde; wir waren unter dem Fluch, Er ist an unsere Stelle getreten; durch Ihn gehen wir nun frei aus. Himmel und Erde sollen wir nicht für dies Wort nehmen: Christus war ein Fluch für uns durch das gesamte Tragen unserer Sünden, beim Gehorsam und Leiden, allermeist aber am Kreuz, und im Tod am Kreuz. Wer in diesem Evangelio lebt, der preise Den, der ihn zu diesem wunderbaren Licht berufen hat. O mein Erlöser! Der Segen sei über mir um Deinetwillen! Amen Text: Galater 3,15-22 Die zwischen dem Gesetz und Evangelio angestellte Vergleichung veranlaßt den Apostel noch weiter darzutun, wie das Gesetz die Verheißung und das Evangelium nicht aufhebe; das Evangelium aber dem Gesetz auch sein Amt und Geschäft an der Menschen Gewissen lasse. Mit dieser Ansprache lindert der Apostel merklich die Anfangs, V. 1 gebrauchte Schärfe. Nichts braucht ein so bedachtes Verfahren, eine so weise Mischung von Schärfe und Lindigkeit, als der Rückfall unter das Gesetz und die damit verbundene Blindheit am Evangelio; denn die Bezauberung vom Fürsten der Welt, die darunter liegt, und der davon zu besorgende Schaden, erfordern Schärfe; der im Gewissen noch rege Hunger und Durst nach Gerechtigkeit und die Liebe zur Wahrheit will mit möglichster Lindigkeit angefaßt sein . Im gesamten Wort GOttes ist viel Herunterlassung zu unserer Schwachheit, oder viel nach menschlicher Weise zu unserer Fassungskraft Vorgetragenes. GOtt hat wirklich auch die Einrichtung so gemacht, daß zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren, zwischen den Anstalten im Reich der Natur und im Reich der Gnade viel Ähnliches ist, und wir also durch die aus unserer Erfahrung im menschlichen Leben genommenen Bilder auch einen wahren Begriff von GOttes Gnaden = Anstalten bekommen. Die Menschwerdung des Sohnes GOttes hat in die ganze Haushaltung GOttes vorwärts und rückwärts einen solchen Einfluß, daß GOtt überall mit uns handelt nach der Weise eines Menschen. Diese Herunterlassung GOttes sollen wir nicht aus Weltweisheit versehren, und das, was uns GOtt darunter nahebringen will, uns nicht selbst wieder weit vom Herzen wegvernünfteln. Verachten, entkräften, schmälern, geschieht bei einem Testament durch Davontun. Dazutun aber hieße, wenn man das, was im Testament frei geschenkt ist, erst hintennach mit einer beschwerlichen Bedingung belegte. In göttlichen Dingen ist das menschliche Hinzutun oft scheinbar, aber doch sehr mißlich, und verursacht oft, daß man gar nichts mehr lauter hat. Die zu unserer Aufrichtung aus unserem kläglichen Fall bereitete Hilfe hat GOtt anfänglich durch Verheißung angebracht, oder in ein Verheißungswort gefaßt, daraus der erschrockene Sünder unter der Macht der Sünde und des Todes wieder Zuversicht zu GOtt gewinnen könnte. Diese Verheißung ist von Adam bis auf Abraham öfters wiederholt, erneuert und bestätigt worden; bei Abraham aber kam es zu einem förmlichen Bund und Testament. – Samen begreift überhaupt Nachkommenschaft, und also freilich Viele. Aber unter dieser Nachkommenschaft befand sich doch Einer, auf den alles Warten des Glaubens gerichtet war, und durch den auch alle Verheißung erst in Erfüllung ging. Wie Christus bei seinem wirklichen Kommen und Dasein in der Welt sich unter die Menschen, zum Wohnen unter uns hingegeben hat, und erst herausgesucht und erkannt werden mußte aus seinen – ihm allein zukommenden Worten und Werken; so ist er noch mehr auch in der Verheißung unter dem Samen, oder unter der gesamten Nachkommenschaft Abrahams wie versteckt gewesen, daß man ihn erst, da die Zeit erfüllt war, deutlich unterscheiden und sagen konnte: Das ist Christus, das ist der Heiligende und Segnende, der aber mit denen, die geheiligt und gesegnet werden, von Einem herkommt; darum schämt Er sich auch nicht, sie Brüder zu heißen, und es war Ihm nicht ungeziemend, daß unter dem einen Samen Alles begriffen war. – Diesem – auf Christum bestätigten Testament wird weder durch Davon =, noch Dazutun etwas von seinem ersten Sinn und Gültigkeit benommen. Wenn man das Gesetz auch nur als einen Anhang und Zusatz zum Testament GOttes ansehen wollte, so würde dadurch die Verheißung aufgehoben, und das durch Verheißung anfänglich frei geschenkte Erbe würde mit einer so beschwerlichen Bedingung belegt, daß die Verheißung dadurch viel von ihrer Kraft verlöre. Verheißung und Gesetz, Gnade und Verdienst lassen sich in kein solch Gemenge bringen. Eins hebt das Andere auf (Röm. 11, 6) . So lange freilich das menschliche Herz in Falschheit seine Liebe noch zwischen Licht und Finsternis teilt, so wäre ihm nichts anständiger, als wenn es so zwischen der Verheißung und dem Empfangen aus freiem Geschenk, und zwischen dem Gesetz und Empfangen aus Verdienst herum = und hineinspringen könnte; d. i. sich, so weit es reichen mag, des Gesetzes und Verdienstes rühmen könnte; wo aber das nimmer zureichte, aus der Verheißung die Gnade und das Verdienst Christi vorschützte. Da dürfte man hernach freilich nirgends tief graben; am Gesetz nur ein wenig anbeißen, und über dem Ergreifen der Gnade auch nicht sonderlich gedemütigt werden . Aber mit einem solchen geteilten Herzen hat man weder Zugang zur Gnade, noch Eingang in das ewige Erbe. Wenn es aber das ist, warum hat es denn GOtt nicht bei der Verheißung allein gelassen? Warum hat Er Abrahams Nachkommen nicht an dem einzigen Seil der Verheißung fortgeleitet? Warum ist vierhundert und dreissig Jahre hernach das Gesetz dazu gekommen? Was soll das? Anfänglich hat das Gericht des Todes die Sünde empfindlich gemacht. Da die Menschen nun dessen zu gewohnt waren, so kam das Gesetz und damit die genauere Zurechnung der Sünde, der schärfer angedrohte Fluch, der strenger erforderte Gehorsam; bis der Same käme, dem unter dem Gesetz desto mehr Seufzer geschickt wurden, daß Er käme. Christus war verheißen; Christo ist aber auch im Testament GOttes die Erbschaft über Alles verheißen. Mithin kann man sagen: der Same, dem die Verheißung geschehen, ist vorzüglich Christus, auf den das Testament GOttes gestellt ist, welcher der darin eingesetzte Universal = Erbe ist, und Macht hat, das Erbe unter seinen Miterben auszuteilen. Man kann aber auch unter dem Samen, die Gläubigen verstehen, die sich an Ihn halten, und die unter dem Gesetz so mürbe, und über der – durch das Gesetz kommenden Erkenntnis der Sünde so in die Enge getrieben worden sind, daß nun an ihnen die Erfüllung der Verheißung wohl angelegt ist. Bei dieser Gebung des Gesetzes brauchte GOtt seiner Seits den Dienst der Engel, und das Volk bat, daß Moses sich zwischen GOtt und ihm stellen, und also einen Mittler abgeben möchte (5.Mo 5, 24–27) . Wie fremd kommt das heraus gegen die vormaligen Erscheinungen GOttes, bei denen die Verheißungen gegeben wurden! GOtt aber ist einig, und handelt aus einerlei Sinn und Vorsatz, hat mithin nicht um Sein selbst willen oder aus einer in seinem Testament vorhabenden Änderung, diese fremde Art durch Engel und Mittelspersonen zu handeln, eingeführt; sondern das dazwischen gekommene Gesetz hat auf eine Zeitlang diese Einrichtung erfordert. Wieso? Ist das Gesetz wider GOttes Verheißungen? Wenn das Gesetz die Menschen von ihrem Bundesgott zurückschlägt, ein Fremdtun, Schüchternsein einführt, auf GOttes Seiten die Erfüllung Seiner Verheißungen aufhält; auf der Menschen Seiten das Ergreifen derselben schwerer macht, so wäre ja das Gesetz wider GOttes Verheißungen. So ist es aber nicht. Von einer Seite her lassen sich freilich Gesetz und Verheißung nicht zusammenstimmen, nämlich lebendig machen, dem falschen Wahn aufhelfen, als ob noch so viel freier Wille und gute Neigung in uns wäre, daß wir dem Gesetz gehörigen Gehorsam leisten, und daraus die Gerechtigkeit ganz oder zum Teil haben könnten; da lassen sich Gesetz und Verheißung durchaus nicht vereinigen, das ist wahr. Aber aus einem anderen Gesichtspunkt zeigt sich das doch deutlich, daß das Gesetz nicht wider GOttes Verheißungen sei. Die im Gesetz öffentlich und schriftlich dargelegte Urkunde GOttes hat uns und all unser Tun und Lassen so ergriffen und beschlossen unter die Sünde, das kein Ableugnen, Verkleinern, Selbstrechtfertigen mehr etwas vermag, sondern daß wir uns unter den – auf jede Übertretung gelegten Fluch schuldig gefangen geben müssen; durch diese Gefangenschaft unter dem Gesetz aber zum Glauben an die Verheißung, oder nachmals zum Hinkriechen zu dem – im Evangelio gepredigten Kreuz Christi, so geschmeidig und willig werden, als zur Ergreifung des einzigen uns übrig gelassenen Ausgangs. Das Gesetz also kann und will durch sein Beschließen unter die Sünde mir den Zugang zur Gnade so gar nicht verschließen, daß es mich vielmehr in eine Enge treibt, in welcher ich den einzigen Ausweg eher treffe, und ergreife. Betrügliche Schlupfwinkel der Sündenhöhle verschließt es; aber das rechtmäßige Fliehen zu den Wunden, die mich ausgesöhnt haben, befördert es eher, als das es hindert. Kurz: die Verheißung spricht dem Menschen Alles zu; das Gesetz kommt dazwischen, und spricht dem Menschen Alles ab. Damit meint man, GOtt, der doch einig sei, sei wider sich selbst; man könne nicht daraus kommen; endlich aber kommt es heraus, daß das Gesetz selbst hat dazu helfen müssen, daß die Verheißung und der Glaube daran den Sieg behält. Christus ist des Gesetzes Ehre, Ende und Erfüllung. O GOtt! Öffne uns die Augen, daß wir sehen die Wunder in dieser Deiner Einrichtung! Text: Galater 3,23-29 Weitere Ausführung, was das Gesetz während der Zeit, als es von der Verheißung zur Erfüllung ging, doch für gute Dienste getan habe, und wie der Menschen Herzen zum Glauben nun geneigter sein sollen, da ihnen ihr Unvermögen unter dem Gesetz mehr offenbar geworden, und sie das Evangelium jetzt zur völligen Kindschaft und Erbschaft berufe. Im Obigen ist die Frage beantwortet: Was soll denn das Gesetz? Warum ist es dazugekommen? Wenn nun aber Jemanden weiter einfiele: ja warum ist es aber so viel hundert Jahre unter der Haushaltung des Gesetzes hingegangen? Warum wird noch jetzt manches Herz so lange und hart vom Gesetz umgetrieben? So bekommt man jetzt den Bescheid: GOtt hat auch unter dem Gesetz immer viel Gutes gewirkt, manches Böse gedämpft und zurückgehalten. Und so geht es noch. Wenn man nur verständig wird, wie Alles auf Christum gezielt habe, und noch jetzt auf den Anbruch des Tages in der Erkenntnis Christi vorschafft, so wird der Grimm und die Erbitterung über das Gesetz verhütet, und doch auch vermieden, daß man sich nicht zur Verhinderung des Glaubens unter dem Gesetz aufhält, oder gar mit dem Gesetz wider den Glauben wehrt. Wenn der Apostel sagt: ehe denn der Glaube kam, so versteht er darunter: ehe Christus, mit demselben aber die Erfüllung aller Verheißungen, und also besonders der Geist des Glaubens, die freie Predigt des Evangelii, als des Worts vom Glauben, das Leben des Herzens aus diesem Wort der Gnade, und mithin das Stehen im Glauben kam. – Verwahrt und verschlossen deutet auf der einen Seite eine enge ängstliche Fassung an, wobei über das Vergangene alle Entschuldigung abgeschnitten ist, und zu der gegenwärtigen Anforderung keine Freiheit Leben und Kraft dargereicht wird. Aber auf der anderen Seite ist es doch nicht zum Verderben, nicht zum Verschmachtenlassen unter der Sünde eingerichtet, sondern auf einen guten Ausgang, auf den Glauben, der da sollte offenbar werden. Beim Beschlossensein unter dem Gesetz meint man freilich oft, es sei ganz und gar aus, es werde immer ärger, finsterer, man werde selbst zum Glauben untüchtiger. Aber es ist doch auf Glauben, der da sollte offenbart werden, angesehen. Schon im Alten Testament haben redliche Herzen, denen es um Wahrheit und Gerechtigkeit zu tun war, das merken können, daß im Gesetz und unter vielen Anstalten desselben der Glaube doch eingewickelt sei, und daß sie also auf den Glauben verwahrt werden, der da sollte geoffenbart werden. Nun jetzt Christus Alles an das Licht gebracht hat, solle es uns noch leichter werden, GOttes Rat zu merken, daß, wenn wir unter das Gesetz, Sünde, Schrecken, Traurigkeit, Tod und Hölle geraten, wo wir unter dem Unglauben, wie unter Ketten und Banden beschlossen sind, GOtt doch aus dieser Finsternis das Licht, den Glauben, der soll geoffenbart werden, hervorrufen werde. O wem ist nicht auch schon der Mangel des Glaubens, und also auch aller Liebe zu GOtt, ein Kerker, ja eine Hölle geworden? Was hat er doch darunter für eine ihm selbst verborgene Unterstützung von dem genossen: das ist Alles auf den Glauben eingerichtet, der da sollte offenbart werden . – Gesetz und die Propheten haben geweissagt bis auf Johannem, der zuletzt auf Christum weisen und sagen konnte: Siehe das ist GOttes Lamm! O welch eine Reihe von Fingerzeigen auf dies einige köstliche Augenmerk des Glaubens, Christum! Beim Gesetz kam noch Zuchtmeisters = Zucht dazu; die hält den Knaben gleichwohl von manchem Bösen zurück, hält ihn zu eingezogenem anständigem Wesen an. Aber wer unter des Gesetzes Zucht nicht zur Einsicht kommt, daß es auf Christum, dem uns zuzuführen, angesehen ist, der kann sich der Erbitterung wider das Gesetz nicht erwehren; der wird einem Knaben gleich, den man zwar hart hält, der aber aus Unwillen und Verdruß es nur ärger macht, wann er zukommen kann. So gerät mancher durch das Dringen und Treiben des Gesetzes in Feindschaft wider alle Wahrheit und Gerechtigkeit . Wer aber aus der Unterweisung GOttes lernt: es ist auf Christum und den Glauben an Ihn abgesehen, der geht unter des Gesetzes Zucht und Treiben in den rechten Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit ein, bei dem ihm hernach auch alles Bittere süß wird. Dabei muß man zwar die betrügliche Einbildung des Fleisches, durch Gesetzes Werk gerecht zu werden, aufgeben, und mit Händen greifen, daß es mehr Werke des zwingenden Treibens des Gesetzes sind, als eine vor GOtt taugliche Frucht des willigen Geistes. Aber deswegen darf man nicht auf die Verzweiflung geraten, als ob kein Ausgang, keine Hilfe aus der Sünde sei, sondern man erfährt, wie man auf das geleitet wird, daß wir durch den Glauben gerecht würden. Nun Christus gekommen ist, so ist mit Ihm die erfundene ewige Erlösung, die wiedergebrachte Gerechtigkeit, Alles, womit der Glaube umgeht, gekommen, und das Evangelium hält den Glauben Jedermann vor. Aber nicht in eines Jeden unter dem Neuen Testament Lebenden Herz ist gleich auch der Glaube gekommen, und dieser Tag der Erkenntnis JEsu Christi angebrochen; deswegen wir auch diese Vorbereitungs = und Handleitungs = Anstalten auf den Glauben nicht so ausschlagen dürfen. – Dem Zuchtmeister muß man nicht entlaufen, sondern rechtmäßig entnommen, gutwillig von ihm entlassen werden, wenn man seinen uns geleisteten guten Dienst dankbarlich erkennt, und die gute Wirkung davon bei sich behält und täglich erneuert, eben damit aber den Rückfall und die Heuchelei verhütet. – Glaube an Christum und Taufe auf Christum setzt in eine solche Gemeinschaft mit Ihm, die über das Zuchtmeisters Geschäft hinaus ist. Was GOtt bei der Taufe über uns bezeugt, und wie die Gnade des Neuen Testaments über einen Jeden in seiner eigenen Person bestätigt worden ist, damit ist man in Christum, in seine Kindschaft vor GOtt, in sein Miterbschaftsrecht eingetreten. Hier, in dieser Sache, die unsere Gerechtigkeit, Kindschaft und Erbschaft anbetrifft, hat Keiner einen Vorzug vor dem Anderen, Keiner am Zugang zu dieser Gnade einen schädlichen Nachteil. Das Weltregiment erhält sich durch den Unterschied der Stände; Christi Reich erhält sich durch die Einigkeit des Glaubens, der in der Liebe tätig ist. Herrliche Beschreibung eines Christen: Christi sein, in Christo sein, Christi angehören! Wie hat man so gar nicht Ursache zu wünschen, daß man es nach Geburt und Stand in der Welt anders haben möchte: was Christus mir gegeben, das ist der Liebe wert. Mein JEsus ist mein Ehre, mein Glanz und schönes Licht!
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