Romans 14
Text: Römer 14,1-12 Nachdem der Apostel im Vorgehenden zu der allgemeinen Liebe allen Vorschub getan hatte; so räumt er jetzt in der brüderlichen Liebe einige Hindernisse aus dem weg, wie sie zwischen Schwachen und Starken im Glauben vorkommen können, und zeigt, wie beide Teile einander der Gnaden = Lehre des Evangeliums gemäß behandeln, und des anbrechenden Tages und ihres Offenbarwerdens an demselben doch nie vergessen, daher der Stärkere den Schwachen nicht verachten, und der Schwache der Starken nicht richten solle. Es kann Einer vor dem Anderen in der Erkenntnis des Willens GOttes, oder im Gnaden =Ruhm aus der Vollendung seines Gewissens, oder in der liebreichen Fertigkeit, seinen Sinn zu brechen, und einem Anderen nachzugeben, schwächer oder stärker sein; und das veranlaßt freilich im Zusammenfließen auf einen Sinn, ja, wie es bei näherem Umgang mit einander oft auch Not wäre, in ein Herz und in eine Seele, mancherlei hinderliche Anstöße. Vieles hängt einem von vorgefaßten Meinungen, Auferziehung und Gewohnheit an, wie jetzt die, so aus dem Judentum und Heidentum in das reich Christi zusammenkamen, freilich viel von ihren vorigen Arten mitbrachten, das sich nicht beibehalten, aber auch nicht schnell ändern oder ablegen ließ. Wenn nun der Apostel hierbei möglichst zum Frieden raten wollte, so sagt er ihnen: nehmt einander auf. Das geht in der Mitte durch zwischen dem Fremdtun, wobei man Jeden laufen, und auf seinem Sinn bleiben läßt, und zwischen dem, was sich zu viel über den Anderen herausnimmt, und ihn schnell auf den eigenen Sinn ziehen will. Aufnehmen ist ein solches tragsames Behandeln und Bearbeiten nach Christi Sinn, wobei man des Anderen Neigung und Art weder schnell und mit Gewalt zerbrechen, noch ihn ohne Grund etwas nachzumachen stark anreizen, sondern ihm mit Erkenntnis der Wahrheit zu Hilfe komme, damit Christi Sinn und Bild in Jedem aufgerichtet werde. Darunter hat hernach jeder teil eine gemäße Kur, und kommt von dem steifen Natursinn herunter, und in das lenksame Gnaden = Geleis hinein. Wie uns zur Probe unserer Liebe gegen GOtt der Nächste überhaupt gegeben ist, so ist uns zur Probe unseres lenksamen Sinnes nach Christo JEsu jeder Mitgenosse des himmlischen Berufs gegeben, und es kann Keiner sagen, daß er mit seinem Natur = Sinn unter dem gehorsam Christi gefangen, und an das Joch und Kreuz Christi gebunden sei, wenn er sich nicht auch in die Übungen, die ihm anderer Mitgenossen unterschiedenen Sinn macht, so schicken lernt, daß er aus Betrachtung des Segens, den er von Anderer Gemeinschaft hat, gern auch seinen Sinn bricht, und sich in Manchem seiner Freiheit begibt: Denn wo ist eine Gesellschaft und Verbindung, wo man nicht den Vorteil und Segen mit einigem Einschränken seiner sonstigen Freiheit erkaufen muß. Der Stärkere kann versucht werden, den Schwächeren zu verachten, als ob nichts von Christi Sinn, und der Erleuchtung seines Geistes in ihm wäre; und der Schwächere kann in Gefahr geraten, den Anderen zu richten, als ob seine Freiheit aus des Fleisches Sinn ginge. Beide aber können sich unter dem Vorwand der Gemeinschaft und dem Dringen auf Einigkeit zu viel übereinander herausnehmen, deswegen der Apostel die Warnung einlegt: siehe deinen Mitgenossen auch als einen fremden Knecht an, der sein eigen Pfund, seine eigene Arbeit von seinem Herrn empfangen hat. Wenn man aber auch das wieder auf der anderen Seite überspannen, und zu gleichgültig gegen einander werden wollte, so heißt der Apostel den nämlichen, den er das einemal einen fremden Knecht geheißen hatte, das anderemal: deinen Bruder. Daß der Apostel aber einen Jeden seiner Meinung gewiß zu sein anhält, hat aus diesem schon seine Einschränkung dahin, nicht daß man seine Meinung aus fester Überzeugung gegen den Anderen behaupte, oder den Anderen bestreite; sondern seines Sinnes vor GOtt in der Prüfung gewiß sei, wobei oft mehr Geschmeidiges ist, als bei einem nur halb berichteten Gewissen. GOtt über seiner Meinung, Licht Überzeugung, freudigen Gang und festhalten am Band des Friedens danken können, ist besser als alle Bemühung, die man sich geben wollte, den Anderen zu überzeugen, und auf gleichen Sinn zu bringen. Was man aber ohne Danksagung gegen GOtt, nur wie einen Raub an sich reißt, und sich mit Wohlgefallen an sich selbst gegen den Anderen hinstellt, das verwundet die herzen und verwirrt die gewissen, weil man den Mißbrauch merkt, der das Gute des Anderen verstellt. Je fleißiger man unter Allem an das Sterbstündlein, und was ihn darin halten und trösten werde oder nicht? gedenkt; je ernstlicher einer sich in das Licht jenes Tages und in die dortige Rechenschaft hinein stellt, je durchläuterter und geschmolzener wird sein Herz werden; sonderlich wenn man es immer in dem Blick nimmt, wie Christus durch erduldetes Sterben über Tote und Lebendige Herr geworden ist. Ihn hat es so viel gekostet, die zerstreuten Kinder GOttes zusammen zu bringen, und wir wollten es jetzt so leicht nehmen, wider Zerstreuung anzurichten, oder wir wollten es uns nicht auch zuweilen einen Tod kosten lassen, unseren Eigensinn zu brechen, und uns damit auf das Sterbebett sanft zu betten, ja uns unsere Rechenschaft auf jenen Tag zu erleichtern? O in welchem Grund des Glaubens, auf welcher Wurzel der Hoffnung will das Gewächs der Liebe stehen, wenn es damit Bestand haben soll? Text: Römer 14,13-23 Ungeachtet der Apostel im Vorhergehenden beiden Teilen die Meinung unparteiisch gesagt; so blickte doch darunter ein vorzügliches Verschonen gegen die Schwachen hervor; im Weiterfolgenden aber läßt der Apostel nun doch den Stärkeren vorzüglich Recht widerfahren, so daß die Schwächeren zu gleicher Erkenntnis der Wahrheit, darin die Starken stehen, eingeladen werden, den Starken aber doch gegen den besorglichen Mißbrauch ihres Sinnes über die Schwachen nötiger Einhalt geschieht. Der Apostel hat hiermit den Grund zu einem Kirchen =Frieden gelegt, nach welchem man sich in allen folgenden Zeiten bei allen Arten entstandener Irrungen noch richten kann. Er verhütet dabei sorgfältig, daß man nicht Jemanden gegen sein gewissen etwas nachzumachen veranlasse, und ihm damit Anstoß gebe; aber auch, damit er nicht unser Tun mit Mißfallen als Sünde anzusehen gereizt werde, und wir ihm damit ein - das Vertrauen und die Erbauung niederschlagendes Ärgernis geben. In dem HErrn JEsu bin ich gewiß, sagt der Apostel; denn erst wenn man zu dem kommt, und Den kennen lernt, weiß man, wo man daran ist. Zu dessen Angesicht muß man sich auch immer wieder wenden, um gegen alle Zweifel im Licht und Gewißheit zu bleiben. Was sich Einer außerdem anmaßt, ist unsicher, und kann oft lange hintennach weit anders herauskommen. Sein gewissen muß ein Jeder berücksichtigen, um der darunter liegenden Stimme GOttes willen; wenn sie schon durch das menschliche und Schwache, da in meiner Erkenntnis ist, verstellt werden kann. Durch schnelles zufahren frei und groß sein wollen, das nicht aus der Wahrheit erwachsen ist, kann das Göttliche gar verdrungen werden. Seinem gewissen nicht treu sein wollen, sich bereden lassen, an diesem und jenem ist so viel nicht gelegen; macht ein Hauptstück von unserem alten Adam aus. Denn über dem sind unsere ersten Eltern gefallen. Nun ist der niedrige Glaubens = Weg wieder auf das eingerichtet, den Menschen unter vorher bewährter Treue im Kleinen wieder zur gemäßen Freiheit zu bringen. Wir können die Freiheit nicht eher recht brauchen, bis wir vorher durch solche Not und Zermalmungen gelaufen sind. Wenn der Apostel das Betrüben und das verderben des Bruders verhütet haben will, so sieht er wieder auf die beiderlei versuchlichen Abwege, wo der Bruder entweder unser Gutes zu verlästern, und mit Betrübnis sich in seinem Vertrauen zurückzuziehen gedrungen wird: oder aber wo er etwa s mit Schaden seines Gewissens nachzumachen gereizt, und also verderbt wird. Um des Bruders willen, für den Christus gestorben ist, und für den das Leben zu lassen Er auch mich verpflichtet hat, sollte ich mich einer Freiheit und ihres Gebrauchs begeben, wenn sie mir auch so lieb als mein eigenes Leben wäre. Dem wahren Christentum gibt der Apostel hier mit gutem Bedacht den prächtig klingenden Namen: das Reich GOttes, weil vom Gebrauch einer wohlanständigen Freiheit die Rede ist. Im Alten Testament glich die Unterweisung GOttes einer Schul = Anstalt für Kinder und Jugend; im Neuen Testament sind es Reichs = Anstalten für freie Söhne GOttes. Aber darin kommt es ja wohl nicht auf Freiheit und deren unumschränkten Gebrauch im Essen und Trinken an; sondern auf das, was ich als meine Gerechtigkeit vor GOtt bringe, aus welchem Grund des Friedens ich mit meinem Bruder handle, und was in meinem eigenen Herzen das Regiment zu dauerhafter Freude behält. In diesem Allem aber kommt es nicht auf mein eigenes Gutdünken an; ich kann das nicht wie einen sonstigen menschlichen Anschlag behaupten, sondern der Heilige Geist muß es als gültig, und dem Willen GOttes gemäß ansehen, und so auch in meinem Herzen verklären und ausgießen. Wer darin fest steht, und allen übrigen Gottesdienst darauf baut, der wird GOtt, weil der auf das Niedrige und Geschmeidige sieht, gefallen, und auch den Menschen, die daran spüren, daß man sie nicht nach eigenem Willen meistern will, sich wohl bewähren: denn das faßt die gewissen, wo man nicht herrschsüchtig, sondern nach der Liebe verfährt. Wenn Brüder einander etwas nachgeben, so schlägt es gemeiniglich zur Besserung aus. Aber es kommt zuweilen heraus, wie wenn man noch eher der Welt und ihrem Sinn etwas nachzugeben willig wäre; und das kann gefährlich werden. Lieber, zerstöre nicht; es hält so schwer etwas zusammen zu bringen. Man muß einem Gewissen Zeit lassen, bis das Evangelium so darin gewachsen ist, als tief vorher Gesetz und Furcht und Zweifel aus demselben eingedrungen sind. Es ist nichts Geringes, wenn er durch Anstoß an seiner Gerechtigkeit, oder durch Ärgernis an dem Frieden mit dir, oder durch Schwachwerden am inneren Grund seiner Freude Schaden leidet, und in Zweifels = Schmerzen hängen muß. Von deinem Glauben und Einsicht in die freimachende Wahrheit hast du ja dich viel Genuß vor GOtt, viel Erweiterung des Herzens und Veranlassung zum Lobe GOttes, wenn du schon auf Andere nicht so eindringst und durchdringst. Wenn du an die Enge zurückdenkst, durch die es auch bei dir durch mußte, so wirst du GOtt für deinen jetzigen weiten Glaubens =Raum und dessen seligen Genuß danken können. In der Verwegenheit aber, etwas zu tun, so lange man noch mit Zweifeln geplagt ist, liegt schon der Ansatz zu einem nagenden Wurm oder ängstigendem Verdammungs = Urteil. Denn was nicht aus gläubigem vertrauen zu GOtt, mit Danksagung gegen Ihn, mit Gewißheit, Ihm damit zu dienen, und wohlzugefallen, getan wird, das ist Sünde.
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