‏ Romans 9

Text: Römer 9,1-5 Hier fängt der dritte Hauptteil der Epistel an, der das 9te, 10te und 11te Kapitel in sich begreift, und eigentlich auf das geht, wie das Evangelium als eine GOttes = Kraft zum Seligmachen Juden und Heiden angeboten werde. Hierbei bezeugt Paulus 1) seine herzliche Liebe für sein Volk, und lehnt damit den Vorwurf ab, als ob ihr Verfolgungs = Geist ihn auch bitter wider sie gemacht hätte, (V.1-5) Nicht aus fleischlicher Gefälligkeit oder Begierde, sich einzuschmeicheln, sondern aus zartem Bedacht auf ihr Herz und Gewissen, läßt der Apostel diese Versicherung vorangehen. Es ist nicht um großen und schnellen Beifall zu tun; aber es ist doch sehr daran gelegen, daß wir und die Ohren und Herzen nicht verschließen, oder etwas, das zu deren Öffnung dienen könnte, unterlassen. Eifer für GOttes Ehre und Anderer Heil hat Paulus so übernommen, daß er darüber seiner wie vergessen hat. An Israels Vorzug, an der Gültigkeit der Verheißungen GOttes, auf welche sich dieser gründet, an ihrem Anteil an Christo, dem Kern aller Verheißungen, begehrt der Apostel ja nichts zu schmälern; aber auf das möchte er sie leiten, daß alle Verheißungen GOttes nach der Gnaden = Ordnung zu verstehen und zu behandeln, nicht aber in Hochmut zu verwenden seien. Deswegen beweist er nun: (vgl. Kommentar zu Kapitel 9,6-13) Text: Römer 9,6-13 Weiter 2) daß GOttes Verheißungen über Israel nach GOttes Sinn und Vorsatz, und nicht nach der Juden Eigensinn erfüllt werden, und daß sich mithin nicht zu verwundern sei, wenn nicht alle Juden zum Heil gelangen. Die fleischlich gesinnten Juden stießen sich an der - im Evangelium den Heiden angebotenen Gnade, und daß diesen nun, ohne Eingang durch die Gemeinschaft der jüdischen Kirche, die Tür des Glaubens aufgetan sein soll. Darum zeigt ihnen der Apostel aus der Geschichte ihrer Väter, wie GOtt seine Verheißung niemals an die fleischliche Abstammung aus einem Samen oder Herkunft von einem Volk angebunden habe, sondern daß es immer nach Gnaden = Wegen und nach Wahl des Berufers gegangen sei. Allen bisher gewonnenen Vorzug, und daß noch bis auf Christum und die Predigt seiner Apostel hinaus ihnen zuerst das Heil angetragen worden sei, haben sie ja nicht einmal dem Verdienst ihrer Väter, viel weniger ihren eigenen guten Werken, sondern bloß der Gnade des Berufers zu danken. Wenn sie aber nicht so viel gebeugten Verstand brauchen und erkennen wollten, daß, so wenig bisher sie Alle ein wahres Israel gewesen seien, so wenig werden sie es künftighin allein sein und bleiben; sondern sie werden GOtt in seiner Berufers = Gnade an die Heiden Raum lassen müssen; wenn sie nicht zu so viel gebeugter Einsicht kommen, so werde ihnen nicht nur die jetzige, über die Heiden sich ausbreitende, Gnade des Evangeliums ein Stachel, wider den hinauszuschlagen nicht gut tun werde, sondern sie zeigen damit, daß sie auch die ganze bisherige Haushaltung GOttes unter ihnen selbst gar nicht recht angesehen haben. Denn diese sei nie dahin gegangen, Andere auszuschließen, sondern nur bei ihnen den Anfang zu machen, und Andere durch sie zu reizen und einzuladen. Denn so war auch das, was von Esau heißt: ihn gehaßt, eigentlich nur ein Zurücksetzen, wodurch GOtt zeigte, daß Er nicht an die fleischliche Erstgeburt sich binde. Wenn aber Esau oder einer seiner Nachkommen an Jakob die Gnade und auch das demütige, gnadenmäßige Behandeln derselben, und besonders die Kreuzes = Wege, auf welchen GOtt seine Liebe für Jakob ausgeführt hat, verstehen und ehren lernte; so hat er auch wieder zu diesem Bruder und seinen Hütten nahen, oder an der Gnade desselbigen Anteil nehmen können. Text: Römer 9,14-29 Was nun 3) der fleischlichen Juden rechthaberischer Sinn dagegen einwenden mochte, das fertigt der Apostel sehr scharf ab, und behauptet, daß die Heiden nicht so auszuschließen seien, wie sie meinen. Der Mensch kann nicht viel mit Geduld von GOttes Vorsatz und Auswahl hören: er ist gleich schnell zum Reden; daher kommen die öfteren Anfragen: was wollen wir denn sagen, oder einwenden? Aller Menschen Partie, auch eines Esaus, nimmt unser ungebrochenes Herz eher, nur nicht GOttes. Der Mensch gerät so leicht in die Versuchung, über GOtt Arges zu denken. Er hat ein gar eigenes Interesse darunter für sein rechthaberisches Herz, das läßt sich auf: was macht denn GOtt für einen unbilligen Unterschied zwischen Solchen, die weder Böses noch Gutes getan haben? das sei ferne. GOtt ist ja Keinem etwas schuldig. Mithin hat Esau bei Jakobs Vorzug nicht über Unrecht zu klagen. Auch Esau und seine Nachkommen haben Handleitung zum Heil genug bekommen, wenn GOtt schon durch seinen Beruf den Jakob so hervorgezogen hat. Esau hat hernach Jakob selbst sehen und lernen können, wie geschmeidig man mit der Verheißung umgehen müsse; und wie sich mit dem verheißenen Segen nicht in fleischlichem Sinn über Alles hineinfahren lasse. Weil nun aber freilich der Mensch hierin seinen Kopf so hart setzt, so muß er oft auch hart abgefertigt werden. Es verhält sich aber mit dergleichen Stellen, wie mit der Wolken = Säule, die sich zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israel stellte, und gegen die Ägypter eine finstere Wolke war, gegen Israel aber Licht machte. So haben diese Sprüche zwei Seiten; gegen die Gläubigen, die GOtt und seiner Gnade trauen, geben sie einen lieblichen sanften Sinn; denen aber, die lieber mit ihren Werken aufkommen möchten, stehen sie freilich als eine finstere Wolke da. So viel einem Menschen diese Sprüche noch hart dünken, so viel steckt er noch in eigener Gerechtigkeit; so friedlich man aber damit auskommen kann, so weit ruht das Herz ganz in der Gnade. - Der Apostel fährt aber fort, und sagt: Laßt euch das nicht als etwas Neues an mir befremden. Ihr habt ja schon in Mose solche Sprüche, die den Menschen ganz herabsetzen, und Alles auf die Gnade führen. Als Moses nämlich für sich und das verschuldete Volk um Gnade bat, so bekam er zuletzt auch den Bescheid: Dir, dem ich einmal Gnade zu beweisen angefangen habe, und der du es auch dafür erkennst, werde ich weiter gnädig sein; und die Barmherzigkeit die ich einmal mit Verschonen des Volkes angefangen habe, soll auch noch weiter reichen. DA hat es einen lichten, tröstlichen Sinn. Aber für einen, der mit Werken umgeht, und der Gnade nicht trauen will, steht es als eine finstere Wolke da. Gegen einen solchen behauptet es: Niemand kann GOtt etwas abzwingen; wenn Er es nicht tut, so kann man Ihn nicht der Ungerechtigkeit beschuldigen. Es ist Alles Gnade. - Dem Wollen und Laufen bleibt auch das Lob, welches es sonst in der Schrift hat, nämlich ein vom Beruf GOttes erwecktes wollen, ein mit GOttes Wirkung verbundenes Laufen. Aber wo man eigenmächtig will, wie Esau, nicht gnadenmäßig; wenn man will, was man das einemal schon verkauft und verachtet hat; wo man ein gezwungenes Laufen der Werkbeflissenen gegen die Gnade aufstellen will, da muß man es so niederschlagen. Wem dies Sprüchlein von Herzen lieb ist, bei dem ist der Fels gesprungen, an dem sich sonst Mancher stößt. Ehe ihr euch so wider das Evangelium und den Gnaden = Ruhm daraus auflaßt, so werdet nur vorerst mit den Sprüchen fertig, die ihr im Alten Testament, in der von euch als GOttes Wort erkannten Schrift, findet. Was steht von Pharao, warum ihn GOtt so lange haben stehen lassen? daß über der aufgehobenen, aber endlich geschärften Strafe, GOttes Macht erkannt und angepriesen würde. Das Erbarmen und Verstocken setzt der Apostel hier bloß auf GOttes Willen aus, nicht als ob er die heilige und sonst im Wort GOttes so oft bezeugte Ordnung leugnete, sondern er redet hier so kurz und scharf, damit der Mensch sehe, er habe keine andere Wahl, als entweder der Gnade zu leben, so lange er sich noch von derselben gezogen findet; oder aber, wenn er das nicht will, es darauf ankommen zu lassen, wie ihm sein Herz immer mehr verhärtet, und wie GOtt auch zuletzt sein richterliches Siegel darauf drückt, und einen Weg einschlägt, daß ein solcher Harter zum Beweis der göttlichen Macht auch auf harte Weise zerbrochen werden muß. Ein Vater hat oft gute Ursachen, aber zur Demütigung des Kindes beruft er sich bloß auf seinen Willen, und fordert Unterwerfung. - Durch die bisherigen Antworten nun wird ein neuer Einwurf gereizt: will mich GOtt anders haben, so mache Er mich anders; seinem Willen kann ja Niemand widerstehen. Der Apostel antwortet hierauf doppelt; und beruft sich erstlich auf GOttes unumschränkte Macht; zeigt aber gleich auch, daß sich GOtt derselben gegen Niemand, auch nicht einmal gegen die Gefäße des Zorns bedient habe. Dem, der mit GOtt rechten, Antwort auf Antwort haben, und zuletzt doch das letzte Wort behalten will, muß zuerst mit der unumschränkten Macht GOttes der Mund gestopft werden. Aber aus dieser Macht GOttes muß man nicht gleich auch auf einen eben so unbedingten Schluß seines Willens fallen. Denn GOtt hat ja nicht nach dieser seiner unumschränkten Macht gehandelt. Er hätte das ganze menschliche Geschlecht in der Sünde und im Tod lassen können. Niemand hätte mit Ihm darüber rechten können, sondern Er hätte eben seine freie Macht darunter gebraucht. Aber das hat Er ja nicht getan, sondern hat Gnade vorwalten lassen. Nicht den von Natur über allen Menschen liegenden Zorn hat GOtt ausbrechen lassen; sondern erst der - auf die Verachtung der zuvor angebotenen Gnade gesetzte Zorn bricht aus an den vorher mit vieler Geduld getragenen Gefäßen des Zorns. Unter dieser Geduld ist eine beständige Anleitung zur Buße, nach dem allgemeinen gnädigen Willen GOttes,. Nach welchem Er nicht will, daß jemand verloren werde. Aber über der Verachtung dieser Geduld kommt nun doch die Schuld auf den Menschen, die er nicht auf sich kommen lassen wollte; und es findet sich, daß er GOttes Willen widerstanden, und es wird offenbar, wie sich ein Mensch zurichten kann, der Alles ausschlägt, was ihm GOtt zu seinem heil anbietet, und wie er sich zum Nachgeben und beugen unter GOttes Gerechtigkeit immer untüchtiger macht. Gleichwie es auch an den Gefäßen der Barmherzigkeit nicht so ist, als ob sie GOtt von Natur besser gefunden hätte; sondern unter vielem Erweis seiner herrlichen Gnade an ihnen, unter vieler Kraft seines durch alle Hindernisse durchbrechenden Worts werden sie zu dem bereitet und tüchtig, was ihnen in GOttes Beruf angetragen ist. Mithin wird der Beruf, die Macht desselben am Herzen, der Gehorsam, so er einmal abgewinnt, der Trieb, den man daher hat, als der richtige Leitfaden in die Hand gegeben, an dem man eben bleiben soll. - Von da an mildert nun der Apostel seinen Vortrag wieder, und das er GOttes Recht und Macht so hoch getrieben hatte, so zeigt er nun auf gelindere Art, wie GOtt den Weg, seine Auswahl durch Beruf aus Juden und Heiden zusammen zu bringen, schon in machen Weissagungen des Alten Testaments angedeutet habe; mithin daß doch diese Haushaltung GOttes nicht so verborgen sei, daß man sich bloß mit GOttes Recht und Macht den Mund stopfen lassen müßte, sondern daß man auch auf nähere Spuren kommen könne, was Israel zum Fall gereicht habe. Die bei der assyrischen und babylonischen Gefangenschaft geschehene Zerstreuung der Juden unter alle Völker war schon einen merkliche Vorbereitung auf die nachmals erfolgte Bekehrung der Heiden. Eines Teils kam Manches von der Hoffnung Israels dadurch auch zu der Heiden Kundschaft, und anderen teils mußte Israel auch an sich selbst erkennen, wie oft durch Gerichte wiederum der Gnade und ihren Erweisungen Raum gemacht werden müsse. Viele Juden blieben ohnehin auf immer in heidnischen Ländern zurück, und dorthin mußte ihnen im Evangelium der neue Gnaden = Antrag nachgetragen werden, da denn GOttes Beruf freilich Juden und Heiden neben einander ergriff, wie sie neben einander wohnten. An der Menge, wie Sand am Meer, hat GOtt freilich kein Wohlgefallen, sondern bei der Menge ist vielmehr die Gefahr vor Mißbrauch seines Bundes desto größer. Aber die Übrigen, seine Auswahl, seinen Samen bringt Er doch durch alle Zeiten durch. Die ungeschlachte Menge wird durch ein Verderben dahin gerissen, und an den Übrigen geschieht ein Steuern zur Gerechtigkeit, und damit zu ihrem Heil. Darin liegt der Unterschied zwischen den Gerichten GOttes über Sodom, und zwischen den Gerichten über sein Volk, wobei immer etwas zum Samen und künftiger Erfüllung seiner Verheißungen übrig bleibt. Text: Römer 9,30-10,4 Der Apostel zeigt 4) wie GOtt die Heiden durch den Glauben zur Gerechtigkeit bringe, deren die Juden durch den Unglauben verfehlen, und über dem vergeblichen Aufrichten ihrer eigenen Gerechtigkeit sich so am Glaubens =Weg stoßen. Aus diesem und allem im zehnten Kapitel weiter Folgenden sieht man, daß wirklich die scharfen Ausdrücke im Vorhergehenden neunten Kapitel nur zur Brechung des Trotzes in unserer Natur gemeint sind, der weg zur Gnade aber nach GOttes Vorsatz doch Allen offen steht. Aber vom eigenen Ruhm aus den Werken, und allen Prätensionen an GOtt muß man abstehen, sonst gibt es lauter Verstoß, und oft am meisten bei denn, die sich beim Laufen am meisten angreifen. Das Neue Testament und der Vorhalt des Glaubens darin ist ja doch dem jüdischen Volk nicht zu schnell und plötzlich gekommen, daß sei sich nicht hätten fassen können, sondern es war ja schon mit ihrer ganzen vorigen Anstalt unter dem Gesetz auf nichts Anderes abgesehen, als sie zum Glauben vorzubereiten, und sie zu Christus, als dem Ende des Gesetzes, zu leiten. Bei nichts kann sich der Mensch so schmücken, als bei dem Eifer, seine Gerechtigkeit aufzurichten. Da kann man sich oft selbst mit GOttes Namen bedecken, und unter dessen Vorwand sich doch des Heilandes GOttes erwehren. Das war kein geringer Teil vom Leiden JEsu, sonderlich in des Hohenpriesters Palast, der Ihn, aus Eifer um GOtt, bei dem lebendigen GOtt beschworen hat, und doch die Wahrheit GOttes bei sich in Ungerechtigkeit aufgehalten hat. In solchen unreinen Gewissen gibt es die größte Verwirrung. GOttes Recht an sie, und wie sie sich vor der Offenbarung seines Zorns vom Himmel zu fürchten Ursache hätten, und wie froh sie dabei sein sollten, daß sie unter die - im Evangelium verkündigte und auf Retten aus der Sünde eingerichtete Gerechtigkeit fliehen könnten, davon erkennen sie Eines so wenig als das Andere. Mithin, wenn sie schon GOtt zum Vorwand nehmen, so eifern sie doch mehr um das Eigene, das sie aus Unwissenheit für zulänglich halten; und wobei das Aufrichten ihrem Hochmut und Eigendünkel schmeichelt. Aufrichten gefällt eben dem Menschen besser als untertan sein; und es war doch mit dem Gesetz vom Anfang nie darauf angesehen, daß der Mensch dadurch zur Gerechtigkeit und Leben kommen sollte; sondern daß ein Verlangen nach der Gnade erweckt, und sie zum Glauben an Christum geleitet würden. Sobald nun Jemand zu Christo flieht, so sieht er mit dem Gesetz hinaus und kommt zum Ende. Wie er es sonst angreift, wird er bei hunderterlei Veränderungen nie fertig. Wer nun so das Aufrichten seiner eigenen Gerechtigkeit aufgibt, und sich hinter Christum stellt, der ist gerecht, so daß ihm auch das Gesetz Ruhe läßt.
Copyright information for Rieger